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Freitag, März 29, 2024
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    Bericht über den Arbeitskampf bei PepsiCo in Buenos Aires

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    Der Großkonzern “PepsiCo” schließt ohne Warnung seine größte Fabrik in Argentinien, die ArbeiterInnen treten in den Kampf um ihren Lebensunterhalt ein und treffen auf große Repression, aber auch breite Solidarität. – Ein Bericht von Sarah H. aus Argentinien.

    Argentinien. Am Morgen des 20. Junis erwartet die ArbeiterInnen der PepsiCo-Fabrik in Buenos Aires eine Überraschung: An dem verschlossenen Tor erhalten sie die Nachricht, die Fabrik werde verlegt und alle 600 ArbeiterInnen seien entlassen. Damit schließt der Großkonzern seine größte Fabrik im Land gerade in einer Zeit, in der die argentinische Produktion schon seit Monaten sinkt und die Wirtschaft sich in einem schlechten Zustand befindet.

    Warum genau diese Fabrik?

    Laut dem Brief der Geschäftsführung werde die Fabrik wegen mangelnder Rentabilität an einen günstigeren Standort verlegt. Eigentlich soll die Produktion in Buenos Aires sehr profitabel gewesen sein. Ein gewichtiger Grund für die Schließung und Verlegung in die Region Mar del Plata ist vermutlich wohl eher die kämpferische Belegschaft. 70% der ArbeiterInnen sind Frauen und viele von ihnen sind politisch organisiert und bekannt. Zum Beispiel am 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag, bewegten sie die gesamte Belegschaft dazu, sich dem internationalen Frauen-Streik an diesem Tag anzuschließen.

    In den letzten Jahren hat der Arbeitskampf sich zu einer Tradition entwickelt; man setzte ordentliche Pausen, bezahlten Schwangerschaftsurlaub und betriebliche Kinderbetreuung durch. Solidarisch kämpfte die Belegschaft für jede/n Einzelne/n, welche/r wegen von der Arbeit verursachten Gesundheitsschäden entlassen werden sollte. Bekannt wurde der Fall der Arbeiterin Catalina, die entlassen wurde, nachdem sie öffentlich die schlechten Arbeitsbedingungen angriff: ihre KollegInnen organisierten sich für sie, und vor Gericht konnte sie den Arbeitsplatz wieder einklagen. Das war der erste Entlassungsversuch, vor fünfzehn Jahren, 2002. Nun, am 20. Juni 2017, machte der Konzern sie wieder brotlos.

    Sechs Tage später bricht in die Fassungslosigkeit der arbeitslosen ArbeiterInnen der Lärm der Maschinen, die aus der Fabrik abtransportiert werden sollen. Was dort weggetragen wird, sind ihre Mieten, ihr Essen und die Schulbücher ihrer Kinder. Die meisten von ihnen sind die ErnährerInnen von Familien und wenn der Lebensmittelkonzern in der Stadt am Río de La Plata („Fluss des Silbers“, umgangssprachlich auch Geld) seine Tore schließt, lässt er sie alle ohne Geld und ohne Essen.

    Die Fassungslosigkeit wird schnell überdeckt von Wut. Dann beginnen hunderte der ehemals Beschäftigten, die Fabrik zu besetzen und damit den Abtransport der Maschinen zu verhindern. Das Werksgelände verwandelt sich in den Schauplatz von Diskussionen und der Planung weiterer Aktionen, nachdem schon am zweiten Tag damit begonnen worden war, die Zufahrtswege zum nächsten Logistikzentrum der PepsiCo zu blockieren und ähnliche Aktionen zu realisieren.

    Ein großer Teil der argentinischen Bevölkerung solidarisiert sich mit den Protesten, unter anderem das Kollektiv „Ni Una Menos“ („Nicht Eine Weniger“), die eine Massenbewegung schuf, bei deren Demonstrationen Hunderttausende gegen die ständigen Frauenmorde und die patriarchale Justiz auf die Straßen gingen. Unter dem Slogan „Ni Una Trabajadora Menos“ („Nicht Eine Arbeiterin weniger“) solidarisieren auch sie sich mit dem Arbeitskampf der Frauen.

    Der Konzern hingegen geht vor Gericht und bekommt am 13. Juli schnell den erwünschten Räumungsbescheid, der in eine brutale Orgie der von Polizeigewalt ausartet. Knüppel, Pfefferspray, Gasgranaten und Gummigeschosse hageln auf die verzweifelten ArbeiterInnen nieder. Sogar der Kindergarten nebenan wird Opfer des polizeilichen Tränengases.

    Auf der anderen Seite werden Barrikaden errichtet, die Polizei wird mit Steinen, Farbe und sogar Möbeln beworfen. Auf beiden Seite gibt es Verletzte, teilweise sogar schwer. Ein weiterer trauriger Ausdruck der ansteigenden Repression unter dem amtierenden neoliberalen Präsidenten Mauricio Macri.

    Unterdessen setzte sich die Gewerkschaft der Nahrungsmittelproduzenten CGT – entgegen dem Willen der Mehrheit der Beschäftigten – mit PepsiCo an den Verhandlungstisch, um Abfindungen für die Belegschaft der geschlossenen Fabrik auszuhandeln. Diese werden auch von einem großen Teil der Entlassenen akzeptiert; bald darauf werden jedoch Stimmen laut, ihnen sei mit einer noch viel geringeren Summe gedroht worden, würden sie dieses Angebot nicht annehmen.

    Die Massenentlassungen und die nicht zu rechtfertigende Polizeigewalt führen zu immer breiterer Solidarität in der gesamten Bevölkerung, sogar Teile der Bahn-Angestellten von Buenos Aires streikten in Solidarität mit den ArbeiterInnen von PepsiCo und mit der Drohung weiterer Streiks, sollte die Massendemonstrationen wieder solche Repression erdulden müssen. Der Fall der 600 ArbeiterInnen wird immer populärer und am Dienstag, den 18. Juli, finden sich dann 30.000 Menschen in der Innenstadt von Buenos Aires zusammen, um den Kampf der ArbeiterInnen von PepsiCo mitten in die Straßen der Hauptstadt zu tragen.

    Dann entscheidet auch ein Gericht, dass die Massenentlassungen des Multis in keiner Weise rechtens waren: Der Konzern muss sämtliche entlassenen Angestellten der Fabrik wieder einstellen oder ihnen eine Abfindung von umgerechnet 250 Euro am Tag zahlen. Wären sie dem Weg der CGT gefolgt, stünden sie nun mit einem Hauch von Nichts in den Händen da. Aber die ArbeiterInnen von PepsiCo haben sich nicht untergeordnet; sie haben entschieden zu kämpfen, ein weiteres Mal, und sie haben gewonnen gegen einen der größten Konzerne der Welt.

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