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Freitag, März 29, 2024
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    “Mir droht in der Türkei Gefängnis und Folter. Mein Leben ist in Gefahr!”

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    Er ging nach Kobane, um die Stadt und seine Einwohner gegen die Angriffe und die Vernichtung durch den „Islamischen Staat“ (IS) zu verteidigen. Dafür wird er vom türkischen Staat verfolgt, ihm drohen Gefängnis, Folter und der Tod. Für deutsche Behörden kein Fluchtgrund. Ein Interview mit Cano Boran – von Kevin Hoffmann

    Sie sind im September 2015 als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen und haben Asyl beantragt, zuvor hatten sie innerhalb der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien gegen den „Islamischen Staat“ gekämpft. Weshalb mussten Sie aus der Türkei nach Deutschland fliehen?

    Nach meiner Rückkehr aus Syrien bin ich wieder nach Antalya zurück gegangen. Dort lebte ich seit 2013 und habe dort einen kleinen Laden geführt. Doch nachdem die Menschen dort von meiner Rückkehr erfuhren, waren nicht alle damit einverstanden, dass ein ehemaliger YPG-Kämpfer unter ihnen lebt. Mehrmals wurde ich mit dem Leben bedroht von nationalistischen Türken. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich festgenommen worden wäre, da meine Familie und meine Verwandten in den sozialen Medien meine Bilder und Videos aus der Zeit in Kobane gepostet hatten. Diese zeigten mich bewaffnet und mit dem Abzeichen der YPG.

    Nachdem dann ein aus Antalya stammender türkischer Soldat in der türkischen Armee gefallen war, wurde die Situation gefährlicher für mich und für weitere kurdisch stämmige Menschen vor Ort. Die nationalistischen und faschistischen Türken machten einen Aufstand gegen kurdische Mitmenschen in dem Ort Manavgat. Sie zündeten alle Geschäfte an, die keine türkischen Fahnen aufgehängt hatten. Alle, die sich dagegen stellten oder von denen bekannt war, dass sie kurdischer Herkunft sind, wurden auf brutalste Art und Weise geschlagen und verfolgt. In dieser Zeit versteckte ich mich bei einem Freund, bis ich nach Istanbul ging und von dort aus nach Deutschland fliehen konnte. Mir war klar, dass ich als ehemaliger Kämpfer der YPG keine Zukunft und Ruhe in der Türkei bekommen würde. Meine letzte Hoffnung ist Deutschland. Hier sehe ich noch demokratische Strukturen im Gegensatz zur Türkei. Meine ganze Familie lebt hier, auch deshalb bin ich hierher gekommen.

    Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat nun Ende Juni ihren Antrag auf Asyl abgelehnt. Mit welcher Begründung?

    Die BAMF sieht keine Gefahr für mich, wenn ich in die Türkei zurück gehe, da ich dort einen eigenen Laden betrieben habe und, nachdem ich aus Kobane wiederkam, noch einige Monate weiter gearbeitet hatte. Leider begreifen sie nicht, dass erst nach einiger Zeit die Menschen und auch der türkische Staat dort mitbekommen haben, dass ich in Syrien war und auf der Seite der Kurden gekämpft habe. Auch dass mir in Istanbul ein türkischer Reisepass ohne größere Probleme ausgestellt wurde, wird jetzt zu meinem Nachteil ausgelegt. Daran würde man sehen, dass keine Gefahr für mich bestehe und es keinen Grund gebe, der eine Rückkehr in die Türkei unmöglich mache. Dabei habe ich mir ja den Reisepass in Istanbul ausstellen lassen, als ich mich entschieden hatte nach Deutschland zu fliehen, wie hätte ich sonst ausreisen sollen? Das hat auch alles nur geklappt, weil ich dort Beamte mit Schmiergeldern bestochen habe, damit sie mir etwas Zeit verschaffen und ein Zeitfenster geben, in dem ich dann fliehen konnte. Von da an musste alles sehr schnell gehen.

    Ist dem Ministerium nicht bekannt, dass Sie als ehemaliger Kämpfer der YPG in der Türkei einer langen Gefängnisstrafe, Verfolgung, vielleicht sogar dem Tod ausgeliefert wären?

    Natürlich ist ihnen bekannt, dass mein Leben dort in Gefahr ist. Man sieht täglich in den Medien, was mit den Kurden in der Türkei passiert, welche auch nur ansatzweise etwas gegen die Regierung sagen. Es herrscht keinerlei Demokratie! Man darf seine Meinung nicht sagen, sonst landet man im Gefängnis und dort droht Folter. Wenn man bedenkt, dass Menschenrechtler oder deutsche Korrespondenten und Journalisten wie Mesale Tolu und Deniz Yücel festgenommen werden, kann man sich vorstellen, was passiert, wenn man dort als ehemaliger YPG-Kämpfer festgenommen wird. Ich habe in Kobane nicht nur für uns Kurden gegen die islamistischen Terroristen gekämpft, sondern für alle Menschen, auch für die in Europa und Deutschland. Ohne den „Islamischen Staat“ gäbe es all diese Anschläge in Europa nicht. Doch die YPG werden in der Türkei als Staatsfeinde und Terroristen Nummer eins gesehen. Vor allem, wenn es auch noch ein geflüchteter Asylsuchender ist, der von Deutschland abgeschoben wird. Die türkischen Behörden warten doch nur sehnsüchtig auf solche Menschen wie mich, welche ihnen von Deutschland ausgeliefert werden. Das ist dem BAMF selbstverständlich bewusst.

    Wie ist ihre rechtliche Situation aktuell? Werden sie mit ihrem Anwalt gegen den Bescheid der Behörde vorgehen?

    Mein Anwalt hat Klage gegen den Bescheid erhoben. Wir müssen jetzt warten und schauen was passiert. Bis dahin kann ich auf jeden Fall in Deutschland bleiben. Darüber hinaus ist meine Freundin im achten Monat schwanger und wir erwarten bald unser Baby. Ich bete und hoffe, dass ich meinem Kind zusehen kann, wie es in einem Land, von dem ich überzeugt bin, dass dort Demokratie herrscht, aufwachsen sehe. Ich hoffe, dass die Menschen sehen, welche Ungerechtigkeit das BAMF begeht, wenn es Menschen wie mir kein Bleiberecht gibt.

    • Autor bei Perspektive seit 2017 und Teil der Print-Redaktion. Freier Autor u.a. bei „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“

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