Die internationale polizeiliche Organisation „INTERPOL“ (International Criminal Police Organization) verbindet weltweit nationale Polizeiarbeit. INTERPOL hilft, gesuchte und verfolgte Menschen weltweit zu jagen. Doch wer sind die Menschen auf den INTERPOl-Fahndungslisten? Was ist mit politischer Verfolgung? Und wer kontrolliert eigentlich INTERPOL? – Ein Kommentar von Kevin Hoffmann
Wie funktioniert INTERPOL?
Seit fast einem Jahrhundert existiert die internationale kriminalpolizeiliche Organisation INTERPOL jetzt schon. 1923 gegründet, soll sie nach eigenen Angaben das Untertauchen krimineller Personen im Ausland verhindern. Mittlerweile hat INTERPOL 190 Mitgliedsstaaten, damit sind die meisten Staaten der Welt Mitglied bei INTERPOL und ihre Polizeien dadurch weltweit vernetzt. INTERPOL wurde nie durch einen Staatsvertrag oder ähnliches ratifiziert bzw. an irgendein nationales Recht gebunden. Die Organisation ist juristisch gesehen ein privatrechtlicher Verein, eingetragen in Frankreich. Sie kann allein dadurch existieren, dass sie ihre Macht auf die internationale Anerkennung anderer Staaten stützt.
Neben der Verbreitung von nationalen Haftbefehlen (sogenannter Red Notice / Rote Ausschreibung) an alle Mitgliedsorganisationen wird INTERPOL vor allem für den internationalen Informationsaustausch genutzt – etwa um Informationen zu Personen zu sammeln oder weiterzugeben (Blue Notice, Green Notice) und eigene Daten mit gigantischen Datenbanken (Automatic Search Facility / ASF) zu gestohlenen Fahrzeugen und Ausweisen, sowie DNA-Profilen und Fingerabdrücken von Tatorten oder Verdächtigen abzugleichen. Im Jahr 2002 waren rund 1200 Red Notices durch INTERPOL ausgestellt worden, allein im Jahr 2014 sollen über 10.000 weitere hinzugekommen sein. Zuletzt soll die Türkei im Juli die Namen von 60.000 angeblichen Putschisten zur Fahndung an INTERPOL übermittelt haben.
Rund 70 Prozent des jährlich zur Verfügung stehenden Budgets der Organisationen werden von den Mitgliedsstaaten gezahlt, allein aus Deutschland kommen rund 4,4 Millionen Euro. Die anderen knapp 30 Prozent werden von internationalen Konzernen wie dem Tabakkonzern „Philip Morris“, der Pharma-Gruppe „Sanofi“, dem Weltfußballverband FIFA und anderen Konzernen und Stiftungen mit „ähnlichen Zielen und Interessen wie INTERPOL“ gezahlt.
Wer wird gesucht?
Neben Verdächtigen zu schweren Verbrechen wie Mord, sexualisierter Gewalt, der organisierten Kriminalität und Terrorverdächtigen geraten gerade in letzter Zeit immer mehr Flüchtlinge und politische AktivistInnen in das Fadenkreuz von INTERPOL: so wie letzte Woche der Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli, der aufgrund eines von der Türkei eingereichten „INTERPOL-Haftbefehls“ in Spanien verhaftet wurde. Hunderte weitere Fälle sind bekannt, von AktivistInnen, Flüchtlingen und NGO-MitarbeiterInnen aus aller Welt.
Wer einmal auf der Suchliste von INTERPOL steht, kann jederzeit in jedem Land der Welt verhaftet werden. – Und wer kontrolliert nun INTERPOL und seine Liste? Das tut nur INTERPOL selbst. 20 Angestellte bearbeiten die 800-900 Anfragen für die Red Notice- Gesuche im Monat. Das macht pro Person 30 Anträge am Tag, die bearbeitet werden müssen. Viel Zeit zum Prüfen bleibt da wohl kaum. Auf ihre Rechtmäßigkeit würden die Fahndungen sowieso nicht überprüft, lediglich auf formale Kriterien, so der INTERPOL-Generalsekretär Jürgen Stock (ehemaliger Vizepräsident des deutschen Bundeskriminalamtes) in einer Reportage der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2015.
Rechtsmittel gegen INTERPOL? Fehlanzeige!
In keinem Land der Welt kann man sich gegen solch eine Listung bei INTERPOL wehren. Kein nationales oder internationales Gericht kann INTERPOL dazu bringen, einen Namen, bzw. solch eine Red Notice wieder zu entfernen – auch wenn INTERPOL selbst auf seiner Homepage anpreist, dass es eine unabhängige Kommission gebe, die solche Beschwerden bearbeitet. Diese „unabhängige“ Kommission ist jedoch von INTERPOL selbst eingerichtet worden und von den Geldern der Mitgliedsländern und den weiteren Sponsoren finanziell abhängig…
Wer sich also im Ausland aufhält (als anerkannter Flüchtling oder auch nach Ausbürgerung) und durch die politische Verfolgung eines Staates wie zum Beispiel der Türkei auf der Red Notice-Liste von INTERPOL landet, ist der Willkür vollkommen ausgesetzt. Bei jedem Grenzübertritt kann es zur sofortigen Festnahme kommen. Viele politische AktivistInnen und Flüchtlinge sind dadurch auf viele Jahre in einem Land eingesperrt und können dieses nicht mehr verlassen, ohne die Gefahr einzugehen festgenommen und abgeschoben zu werden.
Das Konzept INTERPOL baut somit auf Willkür und wahlloser Repression auf. Es ist weder kontrollierbar, noch durchschaubar. „Verdächtige“, deren Schuld in keinem Gerichtsverfahren je bestätigt wurde, können so über unbegrenzte Zeit international weiter „gejagt“ werden.