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Donnerstag, März 28, 2024
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    Was bedeutet das Ergebnis der Bundestagswahl für uns? – von Kevin Hoffmann

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    Wer will und kann nach den Wahlen überhaupt regieren? Was bedeutet der deutliche Einzug der AfD in den deutschen Bundestag? Und was wird sich dadurch für uns ändern?

    Die Ergebnisse der Bundestagswahlen zeigen es deutlich: Die Krise der „etablierten”, bürgerlichen Lager ist unübersehbar. Die beiden „großen Volksparteien“ haben bei diesen Bundestagswahlen deutlich verloren und sind für ihre vergangene Politik „abgestraft“ worden. Die SPD hat ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis seit 1949 eingefahren und verzichtet pauschal auf eine Regierungsbeteiligung, die CDU ihr zweitschlechtestes. Auch die CSU ist in Bayern um 10,8 Prozentpunkte auf ihr kläglichstes Ergebnis seit 1949 gefallen.

    Was zeigt uns das Wahlergebnis?

    Schaut man sich das „reale“ Wahlergebnis – unter Einbeziehung der NichtwählerInnen – an, so ergibt sich folgendes Bild: 24,9 Prozent CDU/CSU, 24,4 Prozent Nicht-WählerInnen, 15,7 Prozent SPD, 9,9 Prozent AfD, 7,9 Prozent FDP, sowie Linke und Grüne jeweils 6,7 Prozent. Und dabei sind noch nicht einmal die Millionen Menschen mitgerechnet, die in Deutschland leben und kein Wahlrecht haben, sei es, weil sie keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder aufgrund einer attestierten Krankheit dieses entzogen bekommen haben.

    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Enttäuschung der Menschen über die Politik und ihre eigene Lage in Deutschland nicht zu einer grundsätzlichen Abkehr vom bürgerlich-parlamentarischen System geführt hat. Seit der Bundestagswahl 2009 (70,9 Prozent) ist die Wahlbeteiligung auf 71,5 Prozent im Jahr 2013 und jetzt sogar auf 76,2 Prozent gestiegen. Auch die Anzahl der ungültigen Stimmen ist in den vergangenen 12 Jahren kontinuierlich zurück gegangen. Lag die Anzahl der ungültigen Stimmen bei den Bundestagswahlen 2005 noch bei 1,6 Prozent, so ist diese kontinuierlich bis auf 1,0 Prozent bei den diesjährigen Wahlen geschrumpft.

    Ein neues 1933?

    Schaut man sich als Letztes noch das Abschneiden der AfD in Ostdeutschland mit 20,5 Prozent, ja in einigen Wahlkreisen in Sachsen sogar mit deutlich über 30 Prozent an, außerdem die Wiederauferstehung der neoliberal-nationalistischen FDP und nicht zuletzt den deutlichen Rechtsruck von CDU/CSU in Richtung der AfD, so dürfte die Katerstimmung perfekt sein.

    Doch die seit Wochen durch die sozialen Medien geisternde Aussage, dass nun nach der Bundestagswahl erstmals seit Gründung der Bundesrepublik wieder Faschisten im Parlament sitzen würden, ist leider auch schlichtweg falsch: Noch bis in die 1990er Jahre wurden unter anderem ehemalige NSDAP-Mitglieder und Funktionäre für die CDU und FDP regelmäßig in den deutschen Bundestag gewählt. Auch der jetzige Einzug der AfD in den Bundestag wird nicht von heute auf morgen die „bürgerliche Demokratie“ abschaffen und den Faschismus an die Macht bringen. Aber er zeigt den Erfolg von rassistischer und nationalistischer Propaganda, die auf fruchtbaren Boden fällt und sich nun nicht nur massenweise organisiert (siehe PEGIDA, HOGESA, AfD), durch massive verdeckte Finanzspritzen aufgebaut wurde und wird, sondern eben nun auch offen im Parlament vertreten ist.

    Was bedeutet das für uns?

    Die Ergebnisse zeigen vor allem Eines: Die ArbeiterInnen und Unterdrückten, die Frauen, Jugendlichen und auch die wahlberechtigten MigrantInnen haben keine wirkliche Alternative bei dieser Wahl gesehen. Sicherlich ist solch eine Wahl nicht der einzige und ausschlaggebende Maßstab für uns, doch er zeigt die Alternativlosigkeit des bürgerlichen Systems.

    Schauen wir uns die Ergebnisse von repräsentativen Studien an, was die größten Sorgen und Probleme der Menschen in Deutschland sind, so geben die Meisten an, dass bezahlbarer Wohnraum, eine gute Altersversorgung und ein Job, von dem man leben kann, die größten Schwierigkeiten sind. Das sind laut zahlreichen Befragungen allerdings nicht die Themen, nach denen ein großer Teil der Menschen entscheidet, welche Partei er oder sie wählt.

    Nur der Zusammenschluss der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Frauen, Jugendlichen, MigrantInnen und RentnerInnen, in ihrem Viertel, im Betrieb, der Schule und Universität, die gemeinsame Organisierung und der alltägliche Kampf für die Veränderung unserer Gesellschaft können eine wirkliche Alternative schaffen und Lösungsansätze für die Probleme der Menschen schaffen.

    Nicht allein die Entlarvung und das Anprangern der Perspektivlosigkeit dieser Gesellschaft wird in der kommenden Zeit unsere Aufgabe sein, sondern vor allem die Schaffung einer realen Alternative: Einer Perspektive, in der die kollektiven Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen. Einer Perspektive, die wir heute real anfangen müssen zu entwerfen. Durch kollektive Organisations- und Widerstandsformen, die wir heute überall in Deutschland aufbauen müssen, auch und gerade dort, wo die AfD so große Stimmengewinne machen konnte.

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    • Autor bei Perspektive seit 2017 und Teil der Print-Redaktion. Freier Autor u.a. bei „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“

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