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Freitag, April 19, 2024
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    Was wir wählen können und was nicht – Ein Kommentar von Anton Dent

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    Es ist wieder soweit: Die deutschen StaatsbürgerInnen sind einmal mehr dazu aufgerufen zur Wahl zu schreiten. Die Wahlen sind das Herzstück der Demokratie. Alle 4 Jahre dürfen die Beherrschten darüber entscheiden, wer demnächst über sie herrschen darf.

    Mehr zu wählen gibt es für uns bei solch einer Veranstaltung nicht. Wie soll man auch seinen Willen über verschiedenste Themen mit einem Kreuz für eine Partei zum Ausdruck bringen? Niemand wird danach gefragt, warum er eine Partei gewählt hat, und den Parteien ist dieser Grund auch egal. Bei der Wahl wird nicht nur sprichwörtlich die eigene Stimme “abgegeben”, sondern tatsächlich endet meine Wahlfreiheit an der Urne. Was die Parteien dann mit meiner Stimme tatsächlich machen, darauf habe ich keinen Einfluss mehr. Wahlprogramm und Regierungsprogramm bleiben zwei unterschiedliche Paar Schuhe: Sollen Soldaten zum Töten in den Krieg geschickt werden? Soll das Renteneintrittsalter auf 70 erhöht werden, sollen Panzer an Staaten wie die Türkei und Saudi Arabien verkauft werden? – Die Meinung der WählerInnen zu den einzelnen Fragen interessiert die Abgeordneten nicht. Zusätzlich verschärft sich immer mehr der Trend, über diese Themen nicht einmal mehr im Wahlkampf zu diskutieren: Auf den Wahlplakaten stehen inhaltslose Phrasen und in den TV-Duellen wird beharrlich zu vielen Themen geschwiegen (Link).

    Während man mit den Wahlen eigentlich gar keinen Einfluss auf die Verwaltung des Staates hat, steht diese ja gar nicht erst zur Wahl: Der Staat steht außerhalb des Wählbaren, ebenso wie die gesetzlich verankerten Prinzipien der kapitalistischen Produktion, zuvorderst das Recht auf Privateigentum. Dieses Recht garantiert mir zwar, dass mir niemand einfach so mein Fahrrad nehmen darf, es garantiert aber auch VW, dass es seine Fabriken behalten und über deren Nutzung entscheiden darf. Für alle, denen VW nicht gehört und die auch nicht über andere Produktionsmittel und Kapitalquellen verfügen, bedeutet dieses Recht den Zwang, sein Leben lang seine Arbeitskraft verkaufen zu müssen, um über die Runden zu kommen.

    Diese Garantie von Staat und Kapital sind dann auch der Grund, warum “sich sowieso nichts ändern wird”. Nach dem TV-Duell von Merkel und Schulz wurde sich viel darüber beschwert, dass sich ihre Programme so ähnlich seien. Das liegt aber nun mal daran, dass ihre Programme den selben oder ähnlichen Titel tragen: “Erfolg für Deutschland und Wirtschaftswachstum”. So heißen im Übrigen auch die Programme aller anderen Parteien, die vorhaben zu regieren. Die Unterschiede liegen dann schließlich nur noch in den Vorstellungen darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann, wobei schon das Ziel selbst den Entscheidungsspielraum massiv beschneidet: Die Realität des Kapitalismus setzt nämlich jede Menge „Sachzwänge“, wie den schon oben erwähnten Zwang, Geld verdienen zu müssen und dafür – meist abhängig –  zu arbeiten, oder aber auch den Zwang, für Unternehmen Kapital anzuhäufen und dafür immer mehr und immer günstiger zu produzieren. Der Staat ist seinerseits gezwungen, die Bedingungen zu schaffen, unter denen diese Ziele optimal erreicht werden können –  und das in Konkurrenz zu anderen Staaten, die die selben Ziele haben. Aus diesen grundlegenden Sachzwängen, die sich aus der kapitalistischen Produktionsweise ergeben, leiten sich viele weitere Zwänge ab, wie zum Beispiel die Existenz von Polizei und Militär… – Wenn Merkel also ihre Politik so gerne als “alternativlos” bezeichnet, dann hat sie unter kapitalistischen Verhältnissen im Großen und Ganzen recht damit.

    Wenn “alternative” Parteien sich dann – das erste Mal an der Macht – aber plötzlich so anders verhalten als ihre ganze vorige Programmatik versprach (siehe “Grüne” 1998-2005, Linke im Osten, Syrizia etc.), dann nicht, weil Macht etwa korrumpiert habe, die wahre Macht bei den „Bilderbergern“ läge oder die DAX-Vorstände das Parlament mit Lobbyisten belagerten, sondern: weil Politik im Kapitalismus bestimmte Zwecke zu erfüllen hat. –  Erst wenn dieses Unverhandelbare verhandelt wird, das Unwählbare abgewählt sein wird, also die Grundpfeiler der bestehenden Gesellschaft eingerissen sein werden, dann haben wir Menschen eine wirkliche Wahl. Eine Wahl darüber, was, wie und wie viel produziert wird, wie die Welt gestaltet werden soll und wie wir unser Leben leben wollen.

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