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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Hollywood auf Chinesisch

Eine politische Filmkritik zum chinesischen Blockbuster „Wolf Warrior 2“ – von Pa Shan

Chinas Öffnungs- und Reformpolitik seit den 70ern geht zunehmend mit einer Annäherung des chinesischen Films an Hollywood einher. Zugleich grenzt sich der chinesische Film vom westlichen ab. Der neueste Action-Blockbuster „Wolf Warrior 2“, der gerade in den chinesischen Kinos läuft, veranschaulicht das ganz beispielhaft:

Leng Feng ist ein ehemaliger Elitesoldat der Volksbefreiungsarmee. Als er erfährt, dass seine Kollegin und Verlobte im Dienst hingerichtet wurde, macht er sich auf die Suche nach den Mördern. Ein tödliches Projektil ist seine einzige Spur. Diese führt ihn nach Afrika. Doch ohne eine Aussicht, die Mörder jemals zu finden, verdingt er sich als Gelegenheitsarbeiter überall auf dem Kontinent und gibt sich hemmunslos dem Alkohol hin. Erst als eine Rebellenarmee mit Hilfe von SöldnerInnen aus aller Welt wahllos afrikanische und chinesische ZivilistInnen massakriert, erlangt der Veteran seinen Kampfgeist wieder, um die RebellInnen und SöldnerInnen mit chinesischer Kampfkunst und einem beeindruckenden Arsenal an Schusswaffen zurückzuschlagen und die überlebenden ZivilistInnen zu retten. Dabei kommt er auch den Mördern seiner Verlobten auf die Schliche.

Der Plot des Films könnte genauso aus Hollywood stammen; ebenso die Hintergrundmusik, die Schauspielerei und der Humor, die allesamt so typisch sind für amerikanische Hollywood-Filme: Wehleidiger Gesang fast schon weinender Frauen begleitet als musikalische Unterlegung die Massaker im Film. Coole Sprüche und Gesten selbst in größter Gefahr erinnern an die 90er-Jahre-Actionfilme à la van Damme. Ein etwas dumm wirkender und daher amüsanter osteuropäischer Söldner rundet das Feindbild ab. Nicht nur wird der Held des Films, Leng Feng, vom gegenwärtigen Action-Liebling Chinas, Wu Jing, gespielt. Er ist zudem die chinesische Antwort auf die Hollywood-Helden, die von Vin Diesel, Michael J. White oder Scott Adkins gespielt werden – cool, charismatisch, superstark und mit einem unbezwingbaren Willen ausgestattet. „Wolf Warrior 2“ ist so gesehen ein chinesischer Hollywood-Streifen.

Gleichzeitig wird in der chinesischen Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang stärker als zuvor ein „chinesischer Heroismus“ zur Sprache gebracht. Seit Hollywood in den 90er Jahren die chinesischen Kinos schrittweise infiltriert hat, wird in China der Unterschied zwischen amerikanischem und chinesischem Heroismus diskutiert. Während die „Konservativen“ in der regierenden Chinesischen Kommunistischen Partei zunächst eine Verwestlichung und eine Anpassung an amerikanische Standards fürchteten, setzte sich in den letzten Jahren ein anderer, patriotisch gefärbter Kurs der Annäherung an Hollywood durch. Dazu wird gezielt eine Angleichung an westliche Standards in Sachen Story, Kameratechniken, musikalische Begleitung, Choreographie oder Schauspielerei angestrebt. Doch zielen chinesische Filme zugleich mehr und mehr auf die Verbreitung eines chinesischen Patriotismus oder Nationalismus ab, der sich bewusst von der unterstellten Dekadenz des Westens abgrenzt.

„Wolf Warrior“ und „Wolf Warrior 2“ sind dafür Paradebeispiele ohne Gleichen. In beiden Filmen kämpft Leng Feng nicht einfach nur für seine eigenen Interessen, sondern für ein umfassenderes Kollektiv. Im ersten Teil wird unüberhörbar zur Sprache gebracht, dass er für China kämpft. Er trägt sogar einen Aufnäher, der mit „I Fight for China“ bedruckt ist. Sein Kontrahent, ein amerikanischer Söldner (gespielt von Scott Adkins), spricht hingegen laut aus, wofür er über Leichen geht: Fürs Geld. Der chinesische Elitesoldat kämpft also für die Verteidigung des Vaterlandes, während der amerikanische Söldner nicht einmal für die USA kämpft, sondern nur für seine egoistischen Interessen. Leng Feng repräsentiert hier ganz offensichtlich einen neuen Heldentypus: Den modernen Kämpfer für die chinesische Nation.

Im zweiten Teil kämpft er wieder gegen skrupellose Söldner und Söldnerinnen. Auch diesmal sind darunter VertreterInnen westlicher Länder. Der Oberbösewicht erklärt Völkermord und Egoismus für normal und rät dem Helden, sich damit abzufinden, da er sich sonst unnötig für Andere opfere. Leng Feng hingegen betont wiederum allzu pathetisch, dass er gerade für den Dienst an den Menschen geboren wurde. Mutig stellt sich der Held Chinas den nihilistischen RebellInnen und SöldnerInnen in den Weg, wobei er die Ratlosen und Verzweifelten unter chinesischer Flagge ebenfalls mit Heldenmut und Enthusiasmus ansteckt. Leng Feng verkörpert damit nicht mehr nur den chinesischen Patrioten, sondern den Kämpfer für das Gute schlechthin – auch in Afrika, das nicht nur im Film von den USA im Stich gelassen wird (die amerikanischen Truppen erscheinen im Film als nutzlos und feige und glänzen mit Abwesenheit).

Die Ideologie des Films entspricht im Kern der gegenwärtigen Ideologie der regierenden Kommunistischen Partei Chinas. Diese versteht sich als patriotische Kraft, als Vertreterin der Menschenrechte, als gereifte Partei eines besonderen Sozialismus mit chinesischen Merkmalen und als die legitime Regierung einer unaufhaltsamen Supermacht neuen Typs, die einen anderen außenpolitischen Kurs fährt als die dekadenten USA. Es dürfte daher kein Zufall sein, dass der Film nie klarstellt, in welchem afrikanischen Land sich die Handlung abspielt. Immer nur ist die Rede von „Afrika“ an sich, womit der chinesische Anspruch auf den ganzen Markt Afrikas und die unkritische Haltung gegenüber den afrikanischen Regierungen unterstrichen wird. Unter dem Präsidenten Xi Jinping sagt die Partei nicht nur der Korruption offiziell den Kampf an. Sie predigt neuerdings auch in Anlehnung an den „american dream“ einen „chinesischen Traum“. Und in jeder Stadt Chinas ist das Geschreibsel von „sozialistischen Kernwerten“ auf Propagandabannern unübersehbar. Diese sind aber keineswegs typisch marxistische Begriffe wie „Klassenkampf“ oder „Internationalismus“, sondern stellen eine Reihe bürgerlicher und idealistischer Werte wie „Gleichheit“, „Freiheit“, „Demokratie“ oder „Gerechtigkeit“ dar. Chinas Filmindustrie ist nicht darauf ausgerichtet, revolutionären Elan zu wecken, sondern schleichend einen chinesischen Nationalismus zu befeuern.

Die chinesischen Blockbuster dienen zweifellos dazu, diese Ideologie massenwirksam zu propagieren und in den Kinos teuer zu verkaufen – kostet ein Ticket doch trotz geringerer Kaufkraft ähnlich viel wie in westlichen Kinos.

Pa Shan
Pa Shan
Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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