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Samstag, April 20, 2024
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    Studie: KPD-Verbot „durch und durch verfassungswidrig“ – Eine Zusammenfassung von Thomas Stark

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    Die neue Studie eines Freiburger Historikers dokumentiert politisch gesteuertes Urteil im Jahr 1956. Regierung und Richter umgehen eigene Gesetze.

    Zu den grundlegenden Konzepten, die deutsche Schülerinnen und Schüler über den Aufbau ihres Staates lernen sollen, zählen die Gewaltenteilung und die Unparteilichkeit der Gerichte: Richter hätten demzufolge eigenständig und unabhängig von Regierungen und Parlament zu arbeiten und nicht etwa Rechtsprechung nach politischen Zwecken zu betreiben. Das Bundesverfassungsgericht genießt in der öffentlichen Wahrnehmung den Ruf, ein Paradebeispiel für ein solch unabhängiges und unparteiisches Gericht zu sein, das allein der Wahrung des Grundgesetzes verpflichtet sei. Folgt man der kürzlich veröffentlichten Studie des Freiburger Historikers Josef Foschepoth, trifft dies für das wohl wichtigste Urteil der Karlsruher Richter aus der Zeit der frühen Bundesrepublik jedoch keineswegs zu: Nämlich für das 1956 verhängte Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

    Die Adenauer-Regierung hatte den Verbotsantrag gegen die KPD im Jahr 1951 gestellt. Die Maßnahme war ein Ausdruck der sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen den Westmächten und dem von der Sowjetunion angeführten sozialistischen Lager, die erst zwei Jahre zuvor zur Spaltung Deutschlands – nämlich durch die Gründung der BRD – geführt hatten. In der sowjetischen Besatzungszone wurde daraufhin unter kommunistischer Führung die DDR gegründet. Die BRD-Regierung wollte nicht nur erklärtermaßen die DDR von der Landkarte beseitigen, sondern fürchtete auch einen wachsenden Einfluss der KommunistInnen in Westdeutschland. Gleichzeitig betrieb sie Anfang der 1950er Jahre den Plan der Wiederbewaffnung der BRD, gegen den gerade viele KommunistInnen einen breiten Widerstand organisierten. Der Staat antwortete mit Repression: 1951 verbot die Bundesregierung zuerst die Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“ mit 30.000 Mitgliedern. 1952 erschoss ein Polizeibeamter bei der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration den FDJ-Aktivisten Philipp Müller.

    Der Historiker Foschepoth dokumentiert nun u.a., wie der Staatssekretär im Bonner Innenministerium Hans Ritter von Lex im Auftrag Adenauers das Verbotsverfahren gegen die KPD maßgeblich vorantrieb – ein Militär und rechter Hardliner in der CSU, der schon 1919 an der Niederschlagung der Münchener Räterepublik beteiligt gewesen war und 1933 als Politiker der Bayerischen Volkspartei gegenüber Hitler die „physische Ausrottung“ von Kommunisten indirekt befürwortet hatte (Link). Bislang unbekannte Schriftwechsel zwischen Bonn und Karlsruhe und Protokolle von Besprechungen zwischen Regierungsvertretern und Richtern, die Foschepoth anführt, legen dar, wie die Bundesregierung immer wieder Einfluss auf das Gericht nahm und auf eine Beschleunigung des Verfahrens drängte. Zugleich habe der Berichterstatter in dem Verfahren, Richter Erwin Stein, die Bundesregierung einseitig mit Informationen zum Nachteil der KPD versorgt. Dabei wurde ein Vernehmungsprotokoll eines DDR-Überläufers weitergegeben, und ein weiteres Protokoll wurde schlicht gefälscht.

    Die lange Verzögerung des Urteils von fünf Jahren wiederum, die von Fans des Verfassungsgerichts immer wieder als Beweis für dessen Gründlichkeit angeführt wird, sei lediglich dem Umstand geschuldet gewesen, dass das Gericht wegen fehlender Infrastruktur und Personalmangels kaum arbeitsfähig gewesen sei. Schlussendlich erpresste Adenauer ein schnelles Gerichtsurteil im Sommer 1956 mit der Androhung, ansonsten die Zuständigkeit für das Verfahren an den anderen, „gefügigeren“ Senat in Karlsruhe zu übertragen.

    Am 17. August 1956 schließlich fällten die Richter das Verbotsurteil gegen die KPD. Die Partei war damit gut zehn Jahre nach dem Ende der faschistischen Diktatur in Deutschland erneut verboten – und das aufgrund eines Verfahrens, das Historiker Foschepoth „durch und durch verfassungswidrig“ nennt.

    Dass im Zweifel das Papier geduldig ist, auf dem Gewaltenteilung, Grundgesetz und gerichtliche Regularien geschrieben stehen, wenn die Staatsmacht es eben anders will, bekamen KommunistInnen und ihre UnterstützerInnen schon am Morgen des Urteilstages zu spüren: Die Polizei durchsuchte 3000 Wohnungen und Büros, beschlagnahmte Grundstücke, Kraftfahrzeuge und Druckschriften und nahm knapp 200 Verdächtige fest. Die Repressionswelle gegen tatsächliche und vermeintliche KPD-Mitglieder, aber auch SympathisantInnen, UnterstützerInnen und politisch aktive Menschen sollte über Jahre andauern. Die Zahl eingeleiteter Ermittlungen im Zuge des KPD-Verbots wird heute auf 125.000 bis 200.000 geschätzt, die der Verurteilungen auf 7.000 bis 10.000 (Link).

    Das Urteil gilt bis heute und beinhaltet, dass Organisationen, welche die Regierung als „Nachfolgeorganisationen“ der KPD erklärt, auf bloßen Ministerbeschluss hin verboten werden können. Die Regierung darf hier also ganz allein entscheiden – dem Verfassungsgericht sei Dank.

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    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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