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Freitag, März 29, 2024
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    #Kaltland: Hungern erlaubt, Hunger stillen verboten – ein Kommentar von Olga Wolf

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    Wenn Menschen fürs Klauen von Lebensmitteln verurteilt werden.

    17 Monate Haft ohne Bewährung lautet das Urteil, dass das Bonner Amtsgericht für die 36-jährige Mutter fällte. Sie hatte bereits 27 Einträge im Strafregister, in der aktuellen Verhandlung ging es um mehrmaliges Schwarzfahren und Diebstahl im Einzelhandel. Während die Verurteilte aussagt, Hunger gehabt zu haben, kommentiert der Staatsanwalt, dass sie nicht ansatzweise “Einsicht in eigenes Unrecht gezeigt” habe.

    “Eigenes Unrecht” oder andauernde Notsituation?

    Die Richter entschieden dabei nach geltendem “Recht”. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass gerade alleinerziehende Mütter oft existenzielle finanzielle Not leiden müssen. Nur ein Bruchteil der Mütter erhält den Unterhalt, der ihnen zusteht. Viele leben an oder unter der Armutsgrenze – obwohl fast zwei Drittel der Alleinerziehenden erwerbstätig sind. Ein Umstand, den die Politik in den letzten Jahren nicht ändern konnte und den auch die Rechtssprechung nicht einbezieht. Das soll nicht bedeuten, dass jeder Diebstahl straffrei bleiben muss. In Deutschland leben aber immer mehr Menschen unter finanziellen Bedingungen, die ihnen nicht erlauben, ihre Grundbedürfnisse zu decken, geschweige denn am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

    Diebstahl als letzte Option

    Erst vor etwa einem Monat gab es einen ähnlichen Fall: Eine Rentnerin stahl Lebensmittel, “aus reiner Not”, sagte sie später. Auch sie wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, ihr Gnadengesuch abgelehnt, “es gibt keinen Anspruch auf Gnade”. Ähnlich sieht die Situation tausender Studenten aus, die sich eine Mahlzeit selbst in der Mensa nicht leisten können. Sie sind immer häufiger auf die Tafeln angewiesen. Das vor allem in studentischen Kreisen verbreitete “containern” (mitnehmen und verwerten von Lebensmitteln, die Supermärkte wegwerfen) ist eine Straftat und wird teilweise mit Haftstrafen verurteilt.

    Das Geschäft mit der Not

    In Deutschland gibt es Branchen, die davon profitieren, dass die Not der Menschen immer größer wird. So boomen momentan Firmen, die Sicherheitssysteme für Lebensmittel und Einzelhandel vertreiben.  Die Supermarktketten selbst fahren ohnehin seit Jahrzehnten immer höhere Gewinne ein.

    Das selbst in einem so reichen Land wie Deutschland grundlegenste Konsumgüter wie Nahrungsmittel kostspielig diebstahlgesichert werden, und dass sich daran Menschen bereichern können, zeigt: Auch in Deutschland werden Profite erwirtschaftet ohne Rücksicht auf Verluste, die Last ruht auf dem Rücken der Arbeiterklasse.

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    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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