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Samstag, April 20, 2024
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    Abgeschoben in den Krieg

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    Der Mythos vom „sicheren“ Herkunftsland: Heute Afghanistan. – Ein Kommentar von Kevin Hoffmann

    Dass in der hohen Politik gelogen und betrogen wird, ist nun wirklich kein Geheimnis im 21. Jahrhundert. Dass auch die deutsche Politik da keine Ausnahme bildet, sollte eben so wenig verwundern. In der Politik ist das Verbiegen von Fakten bzw. das Arbeiten mit „Fake News“ darum sicherlich nichts Neues. Im Gegensatz zu falschen Presseberichten können in der Politik verbreitete falsche Fakten aber nicht nur Existenzen vernichten, sondern sogar Leben kosten.

    Seit Jahren wird in der deutschen Politik darum gestritten, wie die Sicherheitslage in Afghanistan einzuschätzen ist. Immer wieder lassen sich die Politiker der Bundesregierung neue blumige Formulierungen einfallen, welche ihre rigorose Abschiebepraxis in das seit nunmehr über 16 Jahren besetzte und vom Krieg gebeutelte Land rechtfertigen sollen.

    Dabei ist eins ganz klar: In Afghanistan herrscht Krieg, und die Taliban sind seit Jahren auf dem Vormarsch! Wie könnte man es sich auch sonst erklären, dass sich die Anzahl der allein von den USA abgeworfenen Bomben im Jahr 2017 gegenüber 2016 verdreifacht hat? Wie könnte man sonst erklären, dass sich im selben Zeitraum die Zahl der verletzten ZivilistInnen verfünffacht hat? (Link) Sicher hört sich das jedenfalls nicht an.

    Schätzungen zu Folge haben allein die USA bislang mehr als eine Billion Dollar für ihren Krieg in Afghanistan ausgegeben. Ein Ende ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil! Die Taliban scheinen stärker als die letzten Jahrzehnte, der „Islamische Staat“ ist als Gegenspieler hinzugekommen und der Opium-Anbau ist auf Rekordniveau gestiegen (Link).

    Laut General John W. Nicholson Jr., dem Kommandierenden der US-Streitkräfte in Afghanistan, sollen positiven Einschätzungen zufolge gerade mal 64 Prozent der afghanischen Bevölkerung „unter Kontrolle oder Einfluss“ der afghanischen Regierung stehen. 12 Prozent der Bevölkerung lebt direkt in von den Taliban beherrschten Gebieten, 24 Prozent in umkämpften Gebieten, in denen die Herrschaft zwischen Regierung und US-Truppen und den Taliban wechselt. Dabei sollen die Taliban mittlerweile in mehr als der Hälfte aller afghanischen Provinzen aktiv sein.

    Schätzungen über die Anzahl der Taliban-Kämpfer gehen weit auseinander: Zwischen 60.000 und 120.000 sollen es sein, schätzen Militärexperten. Noch im Jahr 2014 ging man von 20.000 Kämpfern aus.

    Seit 2016 hat auch die Anbaufläche von Opium um 63 Prozent zugenommen. Die Produktion ist um 87 Prozent gewachsen. Mehr als 9.000 Tonnen Opium sollen im vergangenen Jahr laut UN-Schätzungen in Afghanistan hergestellt worden sein.

    Afghanistan ein sicheres Land, in das die deutsche Politik ohne schlechtes Gewissen abschieben kann? Niemals!

    Das ist Selbstbetrug! Das ist Abschiebung in den Krieg! Abschiebung in den Tod! Wer nach Deutschland flieht und dafür seine Heimat und damit oftmals seine Familie verlässt, tut das sicher nicht aus freien Stücken. Fluchtgründe müssen endlich erkannt und bekämpft werden, anstatt immer neue Mauern und Zäune zu bauen, anstatt immer neue Kriege vom Zaun zu brechen und Fluchtgründe zu verschärfen.

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    • Autor bei Perspektive seit 2017 und Teil der Print-Redaktion. Freier Autor u.a. bei „Junge Welt“ und „Neues Deutschland“

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