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Freitag, April 19, 2024
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    „Hoffentlich sind genug gute Menschen übrig.“

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    Über die „Cloverfield“-Trilogie von J.J. Abrams. – Eine politische Filmkritik von Pa Shan

    Horrorfilm – Psychothriller – Weltraum-Odyssee

    Die „Cloverfield“-Filmreihe von J. J. Abrams ist ein geniales Machwerk, das große Fragen aufwirft. Bisher besteht es aus dem Film „Cloverfield“ (2008), dem Nachfolgerfilm „10 Cloverfield Lane“ (2016) und dem dritten Teil „The Cloverfield Paradox“, der im Februar 2018 auf Netflix erschienen ist (Link).

    Die Monster „da draußen“

    „Cloverfield“ wird von völliger Ohnmacht dominiert: Der Protagonist Rob feiert eine typische Party in New York, doch plötzlich wird die Stadt von einer Explosion erschüttert, der Kopf der Freiheitsstatue fliegt durch die Gegend und das völlige Chaos bricht aus. Wie von einer Naturgewalt wird die New Yorker Bevölkerung überwältigt.

    Ein gigantisches Monstrum und viele kleinere Monster tauchen auf und bringen alles und jeden um. Auch die stärksten Kanonen und Bomben des Militärs können sie nicht besiegen. Die staatliche Ordnung bricht zusammen. In Panik fliehen die Menschen. Und obwohl es seitens Rob und seiner Freunde Bemühungen unternommen werden, sich und Andere zu retten, gibt es kein Entkommen. Immer und überall gewinnen die Monster. Assoziationen mit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und dem „Krieg gegen den Terror“ werden nahegelegt.

    Im Nachfolger-Teil „10 Cloverfield Lane“ geht es zunächst um das Gegenteil: Die Mitzwanziger Michelle und Emmett werden von dem väterlich auftretenden Howard Stambler in einem Keller gefangen gehalten. Der pervers wirkende Howard zwingt den Beiden ein gekünstelt idyllisches Leben im gemeinsam bewohnten Keller auf. Rausgehen dürfen sie nicht. Seine unglaubwürdige Begründung ist, dass die Welt atomar verseucht sei. Doch Michelle und Emmett misstrauen ihm. Alle drei werden immer paranoider. Die ganze Figurenkonstellation wird zunehmend von einer vielschichtigen Mehrdeutigkeit beherrscht. Nicht nur die Küchentisch-Szene in der Mitte des Films wirkt wie eine Parodie auf das Familienleben unter einem herrschsüchtigen Vater. Die beiden suchen nach Fluchtwegen aus der Beengung, um ihre Freiheit zu erlangen. Was sie außerhalb ihrer „Familie“ erwartet, ahnen sie jedoch nicht. Die Suche nach der vermeintlichen Freiheit außerhalb ihres Verlieses stellt sich als selbstmörderische Entscheidung heraus. Die Menschen erweisen sich als nahezu ohnmächtig und von Monstern umgeben.

    Chaos im Weltraum – und in der Welt

    „The Cloverfield Paradox“ – der dritte Part der Filmreihe – treibt die Verunsicherung auf die Spitze. Die Erde wird im Jahr 2028 von Kriegsgefahren, Krisen und Hunger erschüttert. Täglich verhungern dort „hunderte von Menschen“. Die internationale Crew des Weltraumschiffs „Shepherd“ soll nun eine Technologie erproben, die der krisengeschüttelten Menschheit unendlich viel Energie bereitstellen könnte.

    Aber es kommt zu einem Unfall und die Crew landet in einer von vielen Parallelwelten, die völlig verrückt spielen. Während die Mannschaft durchdreht, passieren auf dem Schiff immer unverständlichere Dinge: So scheint die Erde verschwunden zu sein. Die Naturgesetze scheinen nicht mehr zu gelten. Dinge und Menschen tauchen aus heiterem Himmel auf oder verschwinden plötzlich. Verunsicherung und Chaos brechen auch hier aus. Obwohl die Crew es schafft, zurück zur Erde zu finden, ist bei weitem noch nicht alles in Ordnung. Erst am Ende des Films wird die Verbindung zu den vorherigen beiden Filmen deutlich. Denn auch hier wird die vermeintliche Sicherheit von absoluter Verunsicherung und Ohnmacht abgelöst. Und erneut zeigt sich, dass es um Menschen und „Monster“ geht.

    Zwischen trügerischer Absicherung und heroischer Waghalsigkeit

    „Cloverfield“ wurde ganz unter dem Eindruck des 11. September 2001 gedreht, als sich die Amerikaner ohnmächtig fühlten. Egal wie viele Bomben man auf andere Länder warf – immer siegten „die Anderen“. Im „Cloverfield“-Universum herrscht nicht nur in New York die fremde Naturgewalt, sondern auch in der Welt „da draußen“, und auch nicht nur auf dem Erdball, sondern in allen möglichen Welten. Chaos und Überwältigung erscheinen als allgegenwärtig.

    Doch die Trilogie bleibt nicht bei dieser Feststellung stehen. Die eigentliche Botschaft wird erst begreiflich, wenn man alle drei Filme gesehen hat. Die erste Szene von „The Cloverfield Paradox“ beginnt mit einem Gespräch zwischen der Protagonistin Ava und ihrem Mann Kiel, bevor sie sich als Teil der Weltraum-Crew auf ihre Odyssee wagte. Sie sprechen darüber, wieso sie fliegen sollte, obwohl er es nicht will. Beiden ist klar, dass sie sich entscheiden muss – für ein abgesichertes Leben im Privaten oder für ein waghalsiges Abenteuer zur Rettung der Welt. Sie entscheidet sich für die Waghalsigkeit. Gerettet wird die Welt dadurch aber nicht.

    Aus Verzweiflung entwickelt Ava eine überaus konservative und verzweifelte Haltung, die auch im Trailer zum Film prominent platziert wurde. Sie befiehlt dem Zuschauer mitten ins Gesicht: „Womit du auch immer gerade beschäftigt bist, in welchem Meeting du auch steckst oder wo auch immer du gerade hin willst. Halte bitte an. Geh zu deinem Ehepartner und zu deinen Kindern. Auf der Stelle. Und dann nimm sie in deine Arme und halte sie fest, solange du kannst. Lass sie spüren, wie lieb du sie hast, und mach dir bewusst, wie gesegnet ihr seid, das Leben miteinander zu teilen. Sie sind das Einzige, was zählt.“

    Avas Mann Kiel wiederum bleibt bei seiner Forderung, wenn er warnt: „Je länger wir zögern, umso größer ist die Gefahr. Für uns und für alle Menschen auf der Welt“, um daraus zu folgern: „Uns bleibt keine Zeit zu überlegen, was man hätte tun können oder was man vorhat. Das Einzige, was wichtig ist, ist: so viele Menschen zu retten, wie wir können.“

    Nachdem Kiel über die Rettung der Welt durch „ein paar gute Menschen“ sinniert, sagt ein Mädchen trocken: „Hoffentlich sind genug gute Menschen übrig.“ Die Filmreihe wirft insgesamt die entscheidende Frage nach der Haltung zur Welt auf und lässt dem Zuschauer die Qual der Wahl.

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    • Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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