Gutachter bezeichnet Aktenlage als „falsch und unzuverlässig“. Verteidigung beantragt Einstellung des Verfahrens.
Nicht zufällig findet das Verfahren gegen die zehn türkischen KommunistInnen im selben Verhandlungssaal wie der NSU-Prozess in München statt. Die zehn Angeklagten sollen als Terroristen gebrandmarkt und verurteilt werden. Seit nunmehr fast drei Jahren sitzen sie seit einer europaweit koordinierten Polizeiaktion in Untersuchungshaft. Und auch der Prozess gegen sie läuft seit nun fast zwei Jahren. Ein Ende scheint nicht in Sicht.
Doch bereits Mitte Februar musste das Gericht fünf der zehn Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen. Ein weiteres Aufrechterhalten der Haft und der damit verbundenen Isolation schien selbst dem Richter nicht mehr angemessen. Dies scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass er davon ausgeht, dass es am Ende des Verfahrens nicht zu sehr hohen Haftstrafen kommen wird.
Am vergangenen Montag, dem 104. Verhandlungstag, stellte ein vom Gericht beauftragter Wissenschaftler der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität sein Gutachten über die TKP/ML und ihren Kampf in der Türkei vor. Dabei stellte der Gutachter den vermeintlichen Charakter der TKP/ML als Terrororganisation in Frage.
Das Material, welches der Anklage der Bundesanwaltschaft zugrunde liegt und fast ausschließlich Ermittlungsunterlagen aus der Türkei umfasst, bezeichnete der Wissenschaftler als kaum verwertbar. Bei dem Material handele es sich um „Quellen, deren Berichte notorisch falsch, unzuverlässig, einseitig oder unvollständig sind“, so der Gutachter Neumann in seinem Bericht.
Zudem sieht Neumann in der TKP/ML keine Gefahr für die Demokratie: „Eine Gefährdung der türkischen Verfassungsordnung … ist eher in Aktivitäten des radikal-sunnitischen ISIS oder der türkischen Regierung sowie des Präsidenten selbst erkennbar“, so Neumann.
Die Verteidigung forderte erneut die Einstellung des Verfahrens und die Rücknahme der Verfolgungsermächtigung der Bundesregierung gegen die TKP/ML, die dem Verfahren zugrunde liegt.
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