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Samstag, April 20, 2024
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    Ist das europäische Bankensystem bald pleite?

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    Ein neuer Kriseneinbruch scheint bevorzustehen – ein Kommentar von Thomas Stark

    Die Weltwirtschaftskrise von 2007/2008 war die schwerste seit 1929. Ihre Auswirkungen sind besonders in Südeuropa immer noch heftig zu spüren. Aber ist sie nun überstanden und es geht langfristig wieder aufwärts? Oder droht bereits in absehbarer Zeit ein erneuter Kriseneinbruch, der ein noch viel größeres wirtschaftliches Zerstörungspotenzial hat?

    Zu letzterer Einschätzung kann man kommen, wenn man der Argumentation von Markus Krall folgt. Krall ist bei der Unternehmensberatung „Goetzpartners“ für den Bereich Risikomanagement verantwortlich. Der Bankeninsider veröffentlichte im vergangenen Jahr das Buch „Der Draghi-Crash“ – Untertitel: „Warum uns die entfesselte Geldpolitik in die finanzielle Katastrophe führt“. Auf dem Youtube-Kanal „Mission Money“ erklärte er kürzlich die Gründe für seine pessimistische Prognose.

    Der selbsterklärte „Neoliberale“ gibt an, dass eine Skepsis gegenüber der Stabilität des europäischen Geldsystems mittlerweile schon die Mehrheitsmeinung in Anlegerkreisen wäre.
    Den Grund hierfür sieht er vor allem in der andauernden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Durch die niedrigen Zinsen würden nämlich zahlreiche „unwirtschaftliche Unternehmen“ künstlich am Leben gehalten, die eigentlich längst hätten pleite gehen müssen. Sie könnten sich stattdessen nun billig verschulden und täten dies auch kräftig. Krall zufolge seien zehn bis zwölf Prozent aller Unternehmen in Europa derartige „Zombie-Unternehmen“.

    Durch die Verschuldung dieser Firmen hätten sich in den Bilanzen der europäischen Banken bis heute potentiell faule Kredite in Höhe von 1,5 Billionen Euro angesammelt. Diese würden zwar noch bedient, könnten aber bereits bei einer moderaten Zinserhöhung oder einem anderen unvorhergesehenen wirtschaftlichen Ereignis in recht kurzer Abfolge ausfallen. Diese 1,5 Billionen Euro müsste man zu den 900 Milliarden bis 1,3 Billionen Euro an Krediten hinzuaddieren, die bereits heute offiziell „faul“ sind, d.h. nicht mehr zurückgezahlt werden.

    Insgesamt drohe in Europa also in absehbarer Zeit ein Zahlungsausfall in Höhe von insgesamt ca. 2,5 Billionen Euro. Im Falle eines raschen Ausfalls dieser Kredite wäre der gesamte europäische Bankensektor „innerhalb von ein bis zwei Jahren“ pleite. Eine faktische Pleite des Bankensystems wäre das, was vor zehn Jahren infolge der amerikanischen Hypothekenkrise schon einmal passiert ist. Damals haben die Staaten unter großen Anstrengungen wieder Kapital, das heißt Steuergeld, in den Bankensektor gepumpt. Heute seien die Ungleichgewichte jedoch „bei weitem“ größer als damals. Und erfahrungsgemäß benötige man im Fall eines plötzlichen Schocks in etwa die dreifache Summe des ausgefallenen Kredits, um das System wieder zu stabilisieren. 6 bis 7 Billionen Euro, um die es dann ginge, seien aber ein Betrag, den nicht einmal die gesamte Europäische Union zusammen aufbringen könne.

    „… was sich die Bürger bieten lassen“

    Folgt man Kralls Argumentation, hat eine wirtschaftliche Erholung nach der letzten Krise gar nicht wirklich stattgefunden. Vielmehr haben staatliche Maßnahmen und eine massive Aufblähung der Kredite die Auswirkungen dieser Krise etwas abgefedert und vor allem hinausgezögert. Der derzeitige Aufschwung in Deutschland sei eine Illusion, ein „geldpolitisches Strohfeuer“. Es gebe heute kein Feld für Kapitalanlagen mehr, auf dem nicht eine „Blasenbildung“, das heißt ein Boom aufgrund von Spekulation stattfinde. Alle flüchteten in Anlagen, die bei der nächsten Krise hoffentlich nicht völlig kaputtgehen (z.B. Immobilien). Dass die Staaten und Zentralbanken auf diese Art in den vergangenen Jahren zugleich eine historische Umverteilung von unten nach oben organisiert haben, räumt der Unternehmensberater ein.

    Die Nullzinsen waren eines der Mittel für die Verschleppung der Krisenfolgen. Bis in alle Ewigkeit lassen sie sich damit jedoch nicht aufhalten: Denn die Nullzinsen unterhöhlen gleichzeitig die Erträge der Banken. Krall gibt der Sache daher noch maximal zwei Jahre. Die Zinswende müsse kommen: Entweder kontrolliert und möglichst bald – so schlägt er es vor – oder aber ein unvorhergesehener Schock führt Unternehmenspleiten und den historischen Kreditausfall herbei. In beiden Fällen stellt sich die Frage, wer die Billionen-Rechnung am Ende bezahlt. Krall: „Das kommt dann darauf an, was sich die Bürger Europas in so einer Situation bieten lassen.“

    Massenentlassungen durch Unternehmenspleiten und der Verlust von Ersparnissen, Lebensversicherungen u.v.m. wären im Fall des nächsten Crashs wohl vorprogrammiert. Krall führt in dem Interview noch eine Reihe von Beispielen für wirtschaftliche Maßnahmen aus der Geschichte an, die er auch für den nächsten Einbruch für möglich hält: Würde man im Falle eines kontrollierten „Anstechens“ der Kreditblase – also dem günstigeren der beschriebenen Szenarien – einfach Geld drucken, sei schon mit einer Inflation, also einer allgemeinen Preissteigerung von „nicht unter 20 bis 30 Prozent“ zu rechnen. Hausbesitzer könnten im Falle eines Crashs außerdem mit einer Zwangshypothek zugunsten des Staates belastet werden. Eine solche hat es bei der Währungsreform von 1948 in der BRD schon einmal gegeben.

    Neben der Arbeiterklasse würden in diesen Szenarien also fast zwangsläufig auch der Mittelstand und gesellschaftliche Kreise bis in die Bourgeoisie zur Kasse gebeten werden. Mitgliedern seiner eigenen Klasse empfiehlt Krall wohl daher, immer einen Teil ihres Geldes als Versicherung in Gold anzulegen – aber: „dann sollte es man es nur nicht zu Hause lagern, wo es geklaut werden kann oder in Deutschland in einem Banktresor, wo es vielleicht beschlagnahmt wird.“

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    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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