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Donnerstag, April 25, 2024
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    Lasst den 8. März nicht alt aussehen!

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    Altersarmut! Ein Grund, warum wir den Frauenkampftag heute noch brauchen – ein Kommentar von Tabea Karlo

    645 Euro, das ist nicht der Preis des neuen iPhones, sondern was eine Frau in Deutschland letztes Jahr durchschnittlich an Rente bekam. Davon kann man doch locker drei Mal einkaufen, ein Monatsticket und Klamotten bezahlen, zumindest wenn man vorhat, den Rest des Monats auf der Straße zu übernachten. 965 Euro, das ist das Nettoeinkommen, ab dem man bei Rentnern von Armutsgefährdung spricht. Wie kann es also sein, dass Frauen in der Rente nicht mal Überlebenssicherung zugesichert wird, nachdem Sie sich jahrelang für dieses System kaputt gearbeitet haben? Ich spreche jetzt bewusst von Frauen, denn auch wenn wir ja mittlerweile alle ach so gleichberechtigt sind, ist Männern das Glück vergönnt, rund 60% mehr Rente zu bekommen. Wie kann es zu einem so enormen Unterschied kommen, ohne das es jemand bemerkt und vor allem, ohne dass der Sozialstaat etwas dagegen tut?

    Das Arbeitsleben als Spießrutenlauf

    Wenn es dann doch mal jemand mitbekommt, sind das in der Regel Unternehmer, die Frauen ihre Selbstverschuldung an ihrer Armut zusprechen: Frauen engagierten sich zu wenig und kämpften nicht genug um Lohnerhöhungen. Gucken wir uns aber die Fakten doch einfach mal an: Einer der vielen Faktoren ist, dass Unternehmen immer noch alten Rollenbildern nachtrauern. Viele junge Frauen werden bei Vorstellungsgesprächen schon vor dem ersten Händeschütteln mit der Frage konfrontiert, wie es denn mit der Familienplanung aussieht. Dass Frauen während der Schwangerschaft und auch noch vier Monate nach der Entbindung ihres Kindes unter Kündigungsschutz stehen, wird also ganz geschickt damit umgangen, sie gar nicht erst in wichtigen Positionen einzustellen. Ganz gut sehen kann man das daran, dass 27 Vorstandsposten deutscher DAX-Unternehmen von Frauen besetzt sind. Das klingt erst Mal nicht so übel, doch da bleiben noch 184 Plätze, die von Männern besetzt sind. Das macht eine Frauenquote von schlappen 13%. Dann wäre da noch diese klitzekleine Sache, dass es, wenn es um die obersten Chefposten genau dieser Konzerne geht, es doch sage und schreibe keine einzige Frau in diese Position geschafft hat. Die so genannte „freiwillige Selbstverpflichtung“, die die unternehmerfreundliche Regierung anstrebte, scheiterte damit absolut. Das sieht man auch bei Unternehmen wie Linde, Infineon, RWE oder ThyssenKrupp, die sich es sich super einfach machen. Wie genau tun sie das? Richtig, die verpflichten sich nicht freiwillig selbst und haben einfach gar keine Frauen im Vorstand, wozu auch, wenn es dafür keine Strafe gibt.

    Verzichten wir freiwillig?

    Ein weiterer Punkt neben diesem erzwungenen Verzicht auf einen besseren Job ist noch der so genannte „freiwillige“ Verzicht. Das ist einfach nur ein sehr liebevoller Ausdruck dafür, dass immer noch viel mehr Frauen zu Hause bleiben, anstelle sich die Zeit, in der ihr Kind noch klein ist, mit ihrem Partner zu teilen. Das liegt in der Regel aber nicht an den Frauen, sondern daran, dass Männer oft den besser bezahlten Job haben und Familien so teilweise nicht die finanziellen Möglichkeiten, sich die Elternzeit zu teilen. Ebenso wird es Männern manchmal von ihren Chefs schwer gemacht, sich Elternzeit zu nehmen, oder sie wollen es selber nicht. Der bereinigte Genderpaygap beträgt doch mittlerweile nur noch 2%, da sollte man doch meinen, es würde keinen Unterschied mehr machen, wer zu Hause bleibt. Das Problem dabei ist, dass es eben ein `bereinigter’ Genderpaygap ist. Frauen arbeiten eben trotzdem in den Berufsfeldern, die schlechter bezahlt werden. Was daran liegt, dass uns seit Jahrhunderten immer dieselben Rollenbilder anerzogen werden: bestimmte Berufe passen einfach nicht zu Frauen, zum Beispiel die, in denen man im Vorstand ist oder viel Geld verdient. Zu all dem kommt das Steuerrecht, das in Deutschland so genannte „Ehegattensplitting“. Das seit 1958 gültige Steuerrecht bevorzugt Ehepaare: umso größer die Gehaltslücke ist, umso mehr spart man an Steuern. Dadurch unterstützt der Staat nicht nur das Konzept der Ehe, sondern auch des Alleinernährers. Hinzu kommt, dass 2008 das Unterhaltsrecht modernisiert wurde, wodurch Frauen, die sich in der Ehe entschieden haben zu Hause zu bleiben, nur noch sehr eingeschränkte Rechte besitzen.

    RentnerInnen zweiter Klasse? Nein Danke!

    Zurück zum eigentlich Thema: All diese Punkte beeinflussen erheblich, was Frauen in die Rentenkasse einzahlen, und dadurch geraten sie viel leichter in Altersarmut. Eine Studie besagt, das Altersarmutsrisiko wird bis 2036 insgesamt von 16% auf 20% steigen und bei Frauen sogar von 16,2% auf 27,8%. Und all das ist eben nicht nur Zufall. Es hängt mit der allgemeinen Stellung zusammen, die Frauen in diesem System immer noch haben: Eine Zweitrangige. Das Patriarchat ist immer noch real, auch wenn es mittlerweile besser verschleiert wird. Deshalb ist es heute genauso wie vor hundert Jahren wichtig, für unsere Rechte zu kämpfen. So lange es das Patriarchat gibt und ein System, das dieses unterstützt, wird der 8. März niemals überflüssig sein. Allen Frauen einen kämpferischen und hoffentlich wunderschönen 8. März!

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    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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