Ein Kommentar von Anton Dent
Seit Jahren steht das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in der Kritik. Es gilt als nicht besonders umweltfreundlich und krankheitserregend für den Menschen. Erst im November 2017 hatte der damalige Landwirtschaftsminister, Christian Schmidt (CDU), für Unmut in der Koalition und bei UmweltschützerInnen gesorgt, als er im Alleingang für eine Verlängerung der Glyphosat- Zulassung bei einer EU-Abstimmung votierte.
Im neuen Koalitionsvertrag der GroKo hatte man sich schließlich auf einen Ausstieg geeinigt. Die neue Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) machte nun wieder medial Andeutungen, dass man mit einem Abschied von Glyphosat doch noch nicht zu rechnen hätte. Sie selbst würde jedoch weiterhin hinter einem Glyphosat-Verbot stehen, halte dies aber EU-rechtlich für nicht umsetzbar und setze deshalb auf eine Minderungsstrategie. Weiterhin bezieht sie sich auch auf die vielfach kritisierten schwammigen Formulierungskünste im Koalitionsvertrag, um ihre Haltung zu rechtfertigen.
Julia und Bayer
„Es gibt immer viele Wünsche. Und wenn eine Regierung alle Wünsche, die es gibt, umsetzen soll, dann bewegt sie sich gar nicht, weil es viele Wünsche gibt, die sich widersprechen“, äußerte sich Klöckner weiter. Besonders den Wunsch des Bayer-Konzerns scheint Klöckner im Auge zu haben. Seit dem Prozess zur Übernahme des wohl meistgehassten Konzerns der Welt, Monsanto, dem Hersteller von Glyphosat, setzt sich Bayer nämlich besonders für das Mittel ein.
Im November hatte das Unternehmen beispielsweise sein Bedauern ausgedrückt, dass die EU sich nur auf eine Verlängerung von 5 Jahren habe einigen können, besser seien 15 gewesen. Sogar einen hippen Imagefilm hat Bayer für Glyphosat produzieren lassen, um mal mit den gemeinen Vorurteilen gegen das „Pflanzenschutzmittel“ aufzuräumen. Selbstverständlich mit dem tollen Trigger, dass ohne Glyphosat die Lebensmittelpreise viel höher wären. Mit ihrem Vorhaben, auf Alternativen zu Glyphosat zu setzen, gibt Klöckner nun Bayer-Monsanto die Möglichkeit, irgend eine neue Mixtur zusammenzubrauen.
Julia und Zucker
Dass die neue Landwirtschaftsministerin besonders industriefreundlich ist und gerne demonstriert, in der Lage zu sein, die Standpunkte der Wirtschaftslobby-Gruppen wiederzugeben, zeigt sich auch bei ihrer Position zur Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel oder zu der Steuer für Zuckergetränke.
Erst im März wurde in der KiGGs-Studie abermals auf den Zusammenhang von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken und Übergewicht und Diabetes bei Kindern und Jugendlichen hingewiesen. In Großbritannien wird mittlerweile eine Steuer erhoben für besonders zuckerhaltige Lebensmittel, die dazu führen soll und führt, dass Lebensmittelhersteller beginnen weniger Zucker zu verwenden.
Frau Klöckner hingegen meint:„Es mag zwar sein, dass der Zuckergehalt in manchen Produkten sinkt. Das gilt aber nicht automatisch für den Gesamtkaloriengehalt.“ Dies ist eine 1 zu 1-Übernahme der Argumentation der „Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker“, die da sagt: „Die Fokussierung auf Zucker in festen Lebensmitteln ist hingegen sogar häufig kontraproduktiv. Hier führt weniger Zucker eben nicht automatisch zu weniger Kalorien.“
Da sich einfach nicht mehr abstreiten lässt, dass hoher Zuckerkonsum ungesund ist, muss man halt ein bisschen flexibel diskutieren und mit Fakten lügen. Selbstverständlich kommt es beim Gewicht am Ende auf die Energiebilanz an, doch erstens nimmt man mit zuckerhaltigen Lebensmitteln viel schneller die benötigte Kalorienanzahl zu sich, und das auch noch meistens, ohne satt zu werden, wie etwa durch Cola-Konsum. Zweitens wird der Insulin-Haushalt viel zu sehr in Anspruch genommen und auf Dauer die Bauchspeicheldrüse geschädigt. Die Argumentation der Zuckerproduzenten, die sich Frau Klöckner da zu eigen macht, ist unsachlich, manipulierend und profitorientiert.
Manche Wünsche schließen sich aus
Wir müssen unserer neuen Ministerin Recht geben, wenn sie sagt, dass es so viele unterschiedliche Wünsche gibt. Die Wünsche lassen sich aber grob in zwei Blöcke unterteilen: Auf der einen Seite haben wir den Wunsch der Wirtschaft nach möglichst hohem Profit und guten Konkurrenzbedingungen, und auf der anderen Seite haben wir den Wunsch der Menschen auf ein würdevolles, freies und gesundes Leben.
Diese beiden Wünsche – oder Interessen – sind jedoch unvereinbar. Man muss sich für eine Seite entscheiden. Julia Klöckner hat ihre Wahl getroffen, wir sollten unsere treffen.
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