Berichte aus Berlin, Hamburg, Köln, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt, Cottbus, Bonn, München, Freiburg, Düsseldorf, Karlsruhe, Münster
Hunderttausende Menschen gingen gestern in Deutschland am internationalen Kampftag der ArbeiterInnen auf die Straße. Tausende setzten mit antikapitalistischen Beteiligungen oder eigenen revolutionären Demonstrationen ein kämpferisches Zeichen. Wir berichten von Aktionen aus ganz Deutschland:
Berlin
Bereits am Vorabend zum 1. Mai versammelten sich etwa 4000 Menschen in Berlin-Wedding unter dem Motto „widerständig und solidarisch im Alltag – organize!“ . Ein Bündnis aus verschiedenen Kiez-Initiativen hatte dazu aufgerufen. Die antikapitalistische Demo thematisierte insbesondere die Wohnungspolitik und die Verdrängung, die auch im Berliner Stadtteil Wedding stattfindet. Parolen wie „die Häuser denen, die sie brauchen“ wurden gerufen. Außerdem wurden Rassismus, Jobcenter-Schikane und Überwachung thematisiert. Ein eigener Kids- und Familienblock schloss sich der Demonstration an. Trotz einzelner Provokationen türkischer Faschisten konnte die Demonstration erfolgreich durchgeführt werden.
Zur jährlichen DGB-Demo, an der sich mehrere tausend Menschen beteiligten, wurde auch dieses Jahr zu einem klassenkämpferischen Block aufgerufen. Etwa 200 Menschen beteiligten sich daran. Redebeiträge wurden insbesondere von KollegInnen gehalten, die von ihren Arbeitsbedingungen und aktuellen Kämpfen berichteten, wie beispielsweise von einem Arbeiter im Taxigewerbe, von den erfolgreichen Kämpfen der ArbeiterInnen des Botanischen Gartens oder den streikenden studentischen Beschäftigten an den Universitäten. Als der Demonstrationszug an der „Mall of Berlin“ vorbei zog, wurde ein Redebeitrag zu den Kämpfen der rumänischen Arbeiter gehalten, die beim Bau des Einkaufszentrums wegen des Lohnbetrugs an ihnen geführt und von der Basisgewerkschaft FAU (Freie ArbeiterInnenUnion) unter dem Motto „Mall of Shame“ unterstützt wurden.
Auch an der traditionellen 18Uhr-Demonstration [Link 1] [ Link 2] beteiligten sich wieder Tausende – jedoch weniger als im letzten Jahr. Während der Demonstration wurden an mehreren Stellen Fahnen der kurdischen Organisationen PKK, YPG und YPJ gezeigt. Diese waren in der Vergangenheit immer wieder kriminalisiert worden, weshalb die Demo unter dem Motto „Flagge zeigen“ stattfand. Ebenfalls wurde Pyrotechnik gezündet. Nach einer kurzen Route endete die unangemeldete Demo am Schlesischen Tor, wo die Polizei abgesperrt hatte. Einige
Gruppen versuchten, an Polizeiketten vorbeizukommen um den Marsch fortzusetzen, wurden jedoch nach kürzerer Zeit gestoppt – es kam jedoch zu keinen größeren Auseinandersetzungen. Über 5.000 Polizisten waren im Einsatz. Die Polizeisenatorin zeigte sich „zufrieden“ mit den Mai-Demos. Dazu die OrganisatorInnen per Twitter: „In diesem Punkt unterscheiden wir uns von der Polizei Berlin. Wir bleiben unzufrieden mit den herrschenden Verhältnissen und sogar mit unseren Demos und Aktionen. Nur so behalten wir unsere Fähigkeit zur Selbstkritik. Im nächsten Jahr muss alles anders und neu werden.“ (Redebeiträge zum Download).
Des weiteren gab es noch eine „satirische“ Demo durch das Berliner Reichen-Viertel Grunewald. Dort waren statt der angemeldeten 200 rund 3.000 Personen gekommen. Am Rande des Zuges wurden Luxus-Autos besprüht oder angekratzt und Farbbeutel geworfen.
Hamburg
Am Vormittag beteiligten sich rund 5.000 Menschen an der Demonstration des DGB unter dem Motto „Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“. Am Abend versammelten sich dann gegen 18 Uhr knapp 3.000 am Hauptbahnhof zur „Revolutionären 1. Mai-Demo“. Die Demonstration wurde von einem Transparent mit der Parole „Kapitalismus – immer noch scheiße!“ angeführt und endete im Stadtteil Wandsbek. Während der Demonstration wurden mehrfach Böller gezündet. Die Polizei hatte fast so viele Polizisten wie TeilnehmerInnen im Einsatz. Im Anschluss sprach sie vom „friedlichsten Einsatzverlauf seit Jahren“.
Köln
In Köln demonstrierten bereits am 30. April rund 150 Menschen unter dem Motto „Unsere Zukunft in die eigenen Hände nehmen“ am Vorabend des 1. Mai. Die Demonstration begann am Wiener Platz mit Reden zu hohen Mieten, der Notwendigkeit von ArbeiterInnenkämpfen und den alltäglichen Schwierigkeiten von Frauen. Stets wurde eine antikapitalistische Perspektive in den Reden betont. Anschließend demonstrierte die Kundgebung durch die Stadtteile Mülheim, Buchforst und Kalk. Neben kurzen Redebeiträgen von Seiten der Moderation am Frontlautsprecherwagen rief die laute und kämpferische Gemeinschaft Parolen wie „Hoch mit den Löhnen, runter mit den Mieten“ und „A- Anti- Antikapitalista!“. Bei der Abschlusskundgebung wurde in den Reden nochmal auf das marode Sozialsystem, den Angriffskrieg der Türkei auf Afrin sowie die Alternative zu den genannten Problemen aufgezeigt: „eine Gesellschaft, die nicht nach Profit, sondern nach unser aller Bedürfnissen ausgerichtet ist“.
Am 1. Mai selbst beteiligten sich knapp 3.000 Personen an der Demonstration des DGBs. Der internationalistische Block gruppierte sich rund um den zweiten Lautsprecherwagen der Demonstration, der von dem Transparent „Der Kapitalismus muss weg – Für den Sozialismus“ angeführt wurde. Knapp die Hälfte der gesamten TeilnehmerInnen der Demo machten revolutionäre Organisationen aus der Türkei, Kurdistan und dem Iran aus.
Nürnberg
In Nürnberg rief das „Revolutionäre 1. Mai-Bündnis“ aus rund 30 linken Strukturen zu einer „Revolutionären Demo“ am ersten Mai auf. Etwa 3.000 Menschen beteiligten sich unter dem Motto „Aufstehen gegen den reaktionären Vormarsch! Solidarisch kämpfen für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung!“. Die TeilnehmerInnen des Zugs, der durch die Nürnberger Südstadt und den Stadtteil Gostenhof führte, beschreiben die organisierte Autonomie, Teil des Organisationsbündnisses, als breites Spektrum, „angeführt von einem kämpferischen antikapitalistischen Block, gefolgt von Feministinnen, sozialistischen Jugendgruppen, GewerkschafterInnen, Geflüchteten und Menschen mit Kinderwagen.“ Im Anschluss fand noch das „Internationalistische Straßenfest“ an der Müllnerstraße statt.
Stuttgart
Der 1.Mai in Stuttgart begann dieses Jahr mit der Demo des DGB am Marienplatz, an der sich etwa 4.000 Personen beteiligten. Der antikapitalistische Block umfasste rund 300 Personen, zu dem ein Bündnis aus revolutionären Gruppen, der Verdi-Jugend und verschiedenen Jugendauszubildendenvertretungen aufgerufen hatte. Ziel war es auf der DGB-Demo, „gegen die immer noch vorherrschende sozialpartnerschaftliche Linie in den Gewerkschaften eigene klassenkämpferische Akzente zu setzen“. Lautstark und kämpferisch zog der Block Richtung Innenstadt, während auf dem Weg die Umgebung mit Sprühkreide-Parolen und -Schablonen verschönert wurde. An einem „Alnatura“-Markt wurde gegen dessen betriebsratsfeindliche Politik agiert, indem die Schaufensterscheiben mit entsprechenden Hinweisschildern zugeklebt wurden.
Die „Revolutionäre 1.Mai Demonstration“ begann direkt im Anschluss am Schlossplatz. Mit circa 800 TeilnehmerInnen war die Demo in etwa so groß wie letztes Jahr. Angeführt wurde sie von einem Block mit festen Reihen und vielen roten Fahnen. Wie in jedem Jahr beanstandete die Polizei die Verbindung der Seitentransparente, aber nachdem die Schnürungen kurzfristig gelöst wurden, konnte der Demozug sich ohne große Probleme in Bewegung setzen. Auf der Route wurden Bengalos gezündet und die DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) symbolisch mit Pyrotechnik und Farbbeuteln angegriffen. Des Weiteren wurde ein Faschist durch Handzettel in seinem Wohnviertel geoutet.
Im Anschluss an die Demo fanden noch zwei Straßenfeste statt. [Bericht 1] [Bericht 2]
Frankfurt
In Frankfurt beteiligten sich nach offiziellen Angaben über 6.000 Menschen an der 1.Mai-Demo des DGB. Ein großer Teil der Demonstration bestand aus internationalistischen und migrantischen revolutionären Organisationen – die Beteiligung war höher als in den letzten Jahren. Während der Kundgebung wurden vielfach Wimpel und Embleme der kurdischen YPG und YPJ gezeigt. Die Organisation „Siempre Antifa“ kritisierte in einer Rede die „sozialpartnerschaftliche“ Zusammenarbeit des DGB mit den Unternehmen und rief zu auf, die eigenen Interessen auch in die eignen Hände zu nehmen. Außerdem gab es eine Grußbotschaft von der zapatistischen Bewegung aus Chiapas, Mexiko. Nach der Demo konnten sich viele AktivistInnen noch im Internatinalen Zentrum mit Kaffee, Kuchen, Döner und Kaltgetränken stärken. Am Nachmittag gab es dann noch für 14 Uhr einen Aufruf zum „Cornern“ an der Ecke Gutenbergstr./Koblenzerstr., um sich am 1. Mai ohne Anmeldung die Strasse zurückzuholen.
Cottbus
In Cottbus hatte die AfD am 1. Mai zu einer landesweiten Veranstaltung mobilisiert. Um nicht zuzulassen, dass sie den 1. Mai ohne Gegenwehr vereinnahmen könnte, fand dieses Jahr erstmals ein eigenes Fest im Stadtteil Sandow statt, das vom „Solidaritätsnetzwerk Cottbus“ organisiert wurde. Dem Aufruf, den 1. Mai nicht nur in der Wohnung als freien Tag zu genießen, sondern ihn wieder als Tag der Arbeiterinnen und Arbeiter aufleben zu lassen, waren etwa 50 Personen gefolgt. Unter den Festbesuchern waren MigrantInnen, NachbarInnen und bereits politisierte AktivistInnen aus Cottbus. Neben einem Kinderprogramm, Volleyball, Grill und Getränken bestand das Programm aus drei Teilen: Zu Anfang beschäftigten sich zwei Referenten mit der Vergangenheit von Cottbus, insbesondere mit den ökonomischen Prozessen in Ostdeutschland seit 1989. Danach wurden Erfahrungsberichte vorgetragen: von einem geflüchteten Migranten aus Syrien über den alltäglichen Rassismus, von einem Auszubildenden im Einzelhandel, von einer Altenpflegerin, von einer Rentnerin und von einem Arbeitslosen.
Bonn
Bereits im zweiten Jahr in Folge wurde die 1.Mai-Demo in Bonn nicht vom DGB sondern einem Bündnis verschiedener linker Organisationen getragen. Auch kurdische Strukturen beteiligten sich, sodass die Demo einen internationalen Charakter bekam. Neben der internationalen Solidarität spielten auch der Streik in der Pflege und steigende Mieten eine Rolle. Am Zug beteiligten sich rund 200 Personen. Im Anschluss fand dann das „Internationale Straßenfest“ in der Altstadt statt. Neben Musik und kurdischem Essen gab es dort verschiedene Organisations-Stände und für die Jüngsten ein Kinderschminken.
München
Auch in München beteiligten sich Tausende an der DGB-Demonstration. Im „Revolutionären Block“ wurden vor Allem das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz und die Solidarität mit dem Kampf der KurdInnen in Afrin thematisiert. Im Anschluss fand noch das „Revolutionäre 1.Mai-Fest“ in der Glockenbachwerkstatt statt.
Magdeburg
Rund 130 Menschen beteiligten sich an der Demonstration der Gewerkschaftsjugend in Magbedurg, deren Ausdruck der „Klassenkampfblock“ maßgeblich mitbestimmte. Vor Ende der Demonstration bog dieser getrennt in Richtung Hasselbachplatz ab. Zu einer Anzeige gegen zwei Demonstrierende aus dem klassenkämpferischen Blocks kam es, als eine Fahne der SPD entwendet wurde.
Freiburg
Im Zuge der traditionellen DGB-Demo beteiligten sich mehrere hundert DemonstrantInnen im antikapitalistischen Block. Ein besonderes Anliegen war es, ein Zeichen zu setzen gegen faschistische und rechte Kräfte, die sich, wie beispielweise die AFD, ebenfalls arbeiterInnenfreundlich zeigen. Nils Bornstedt, Sprecher der „Antifaschistischen Linken Freiburg“, hierzu: „Dass die Rechten von der AfD nicht einmal den Anspruch haben, alle jene zu vertreten, zeigen sie offen in ihrer völkischen und frauenfeindlichen Hetze. Alle, die nicht in das Bild ihrer patriarchalen, nationalistischen Leitkultur fallen, haben nichts als Benachteiligung, Ausgrenzung und Unterdrückung zu erwarten. “ Auch zeigten sich die Demonstrierenden solidarisch mit den Kämpfen der kurdischen Verteidigungseinheiten und forderten mit Parolen, dass das Verbot der PKK aufgehoben werde.
Düsseldorf
Zur Vorabenddemo „Für eine Rebellische Stadt!“ in Düsseldorf am 30.4.2018 versammelten sich laut „Infozentrale“ circa 300 Personen und zogen vom Worringer Platz zum Fürstenplatz. Themen waren u.a. Gentrifizierung, Abschiebung, Repression und der Verlust von Kulturorten.
Bochum
Circa 300 Personen zogen am 30.04.2018 als revolutionäre Vorabenddemo zum 1. Mai durch die Bochumer Innenstadt. An mehreren Orten in der Stadt wurden pyrotechnische Gegenstände gezündet, unter anderem am Schauspielhaus (Infozentrale)
Wuppertal
Mehrere hundert Personen versammelten sich am 1. Mai auf dem Platz der Republik in Wuppertal. Die traditionell nicht angemeldete Versammlung wurde von der Polizei am Verlassen des Platzes gehindert. 20 Personen kamen in Gewahrsam.
Karlsruhe
In Karlsruhe beteiligten sich hunderte Personen an der DGB-Demo und rund 80 Personen am „antikapitalistischen Block“. Während des Demonstrationszuges wurden mehrfach rote und schwarze Rauchfackeln gezündet. Die Kundgebung löste sich dann am Nordeingang vom Karlsruher Zoo auf.
Villingen-Schwenningen
An der 1. Mai DGB-Demonstration nahmen etwa 120 Menschen teil. Die Demo startete um 10 Uhr morgens am Gewerkschaftshaus und führte über eine eher kurze Route auf das Maifest des DGB. Die TeilnehmerInnen des antikapitalistischen Bereichs sorgten mit lauten Parolen, roten Fahnen und Schildern und etwas Rauch für eine kämpferische und gute Stimmung. Während der ganzen Demonstration zeigte eine YPG Fahne in deren Reihen die Solidarität mit den fortschrittlichen und revolutionären Kräften in Rojava.
Quellen: Eigene Korrespondenten, Twitter, Facebook, Indymedia, bürgerliche Nachrichten.
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