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Donnerstag, April 25, 2024
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    Einblick in das Leben einer Tankstellenverkäuferin

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    Unter welchen Bedingungen arbeiten sie wirklich ? – Ann-Christine arbeitet als Verkäuferin einer Tankstellenkette. Es gibt mehr als 1.200 Tankstellen dieser Kette in ganz Deutschland. Wir haben mit ihr über ihren Alltag gesprochen und ihre besonderen Erlebnisse.

    Hallo Ann-Christine, wie viele Stunden arbeitest du wöchentlich an der Tankstelle?

    Ich arbeite als Aushilfe an der Tankstelle, das heißt auf 450 Euro-Basis. Ich mache als Aushilfe die Arbeiten, die ein Vollzeitangestellter auch erledigt. Ich arbeite ungefähr 9.5 Stunden am Tag, obwohl ich nur für 8 bezahlt werde. Ich muss immer eine halbe Stunde vor Schichtbeginn vor Ort sein, und nach meiner Schicht, wenn ich die Tankstelle zumache, bin ich auch eine dreiviertel Stunde länger da. Allerdings wird das nicht bezahlt, wenn ich vor der Schicht eher komme und nach der Schicht länger bleiben muss. Das gehört dazu, wurde mir gesagt.

    Wie ist das Verhältnis zu deinen KollegInnen?

    An sich haben wir ein angenehmes Verhältnis. Nur hat sich sehr schnell herauskristallisiert, wer bei den Chefs punkten möchte. Allerdings belastet mich, wie meine Chefin mit mir und auch mit den anderen KollegInnen umgeht. Mir persönlich z.B. wurde vorgeworfen, dass ich das Team gegeneinander ausspiele und nicht für das Team einstehe. Mir wird vorgeworfen, dass ich den Job nicht ernst nehme, und wenn ich keinen Bock mehr darauf hätte, soll ich doch bitte kündigen. Dazu wird mir von ihr immer gesagt, ich mache zu viele Fehler.

    Wie wird denn mit Fehlern umgegangen?

    Bei jedem kleinen Fehler muss sich jeder rechtfertigen und dafür aufkommen. Wenn man z.B. einen doppelten Espresso anstatt eines einfachen gekocht hat, muss man das aus eigener Tasche bezahlen. Einmal hat ein Kunde getankt und ist einfach weggefahren, die Tankstelle war voll und vor dem Fenster, durch das ich Sicht auf die Tanksäulen habe, stand ein großer Laster. Mir wurde daraufhin gesagt, dass es meine Schuld war, denn ich hätte das Auto aufhalten können. Die Konsequenz daraus war, dass ich das Geld, was der flüchtige Fahrer nicht bezahlt hatte, selbst aus meiner eigenen Tasche bezahlen musste. Dabei wurde der Besitzer des Autos gefunden und hat das Geld ebenso bezahlen müssen. Dadurch wurde der Betrag doppelt einkassiert.

    Also hast du zu deiner Chefin nicht so ein gutes Verhältnis?

    Ich nehme sehr viele Dinge einfach so hin. Ich gehe trotz 40 Grad Fieber oder auch mit Magen-Darminfekt arbeiten. Denn mir wird immer gesagt, wenn ich nicht arbeiten komme, dann muss die Tankstelle für diesen Zeitraum zugemacht werden. Wegen mir soll ein riesengroßes Minusgeschäft gemacht worden sein. Dazu redet sie mir ein noch schlechteres Gewissen ein und sagt, alle wären sauer auf mich.

    Wie gehen die anderen MitarbeiterInnen mit den Kunden um?

    Alle sind sehr nett zu den Kunden, es sei denn sie haben keine Lust, dann kommen auch Aussagen wie „ Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen“. Aber meine Chefin ist nicht nur zu mir und den anderen KollegInnen unfreundlich, sondern auch zu den KundInnen, besonders zu MigrantInnen.

    Wie tritt sie MigrantInnen gegenüber auf?

    Sie sagte mir, wenn KundInnen kommen, die eindeutig nicht deutsch sind, soll ich besonders aufpassen, da das die sind, die klauen. Wenn ich mich unwohl fühle, soll ich den Alarmknopf drücken, „damit dir die Kanacken nichts antun können“. Bei meiner Einarbeitung hat sie mir gesagt: „Schwarzen Menschen händigst du den Toilettenschlüssel nicht aus. Die scheißen im Stehen“.
    Als ich eine Schicht mit ihr zusammen hatte, sagte sie, als ein „arabisch aussehender“ Mann die Tankstelle betrat: „Genau aus solchen Gründen wähle ich die AFD“. Und bei der Grippewelle sagte sie zu mir, dass es keine Grippewelle ist, sondern „`ne Kanacken –Influenza. Die kommen in unser Land und bringen irgendwelche Krankheiten mit“.

    Denkst du, ihr als KollegInnen könntet etwas an der Situation ändern?

    Ich denke nicht. Ich arbeite nun schon relativ lange dort und die Meinungen der Chefin sind festgefahren. Probleme anzusprechen kann man sich sparen, man wird sowieso als im Unrecht stehend dargestellt. Meine KollegInnen haben mich schon in meiner Einarbeitung vor den Launen der Chefin gewarnt. Mittlerweile ist es so, dass beim Schichtwechsel der erste Satz über den Gemütszustand der Chefin fällt. So richtig was zu sagen, traut sich denke ich keiner, da man gleich in seiner Person schlecht gemacht wird. Also bleibt nichts anderes übrig als Augen zu und durch, denn das wenige Geld, was ich dort verdiene, brauche ich dringend für meinen Lebensunterhalt.

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