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Donnerstag, April 25, 2024
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    „Ich bin hier, weil meine Generation sonst keine Zukunft hat“

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    Interview mit einem Aktivisten für den Hambacher Forst

    Warum bist du heute hier?

    Also zunächst einmal will ich – offensichtlich – verhindern, dass die Besetzungen im Wald geräumt werden und somit einer Rodung nichts mehr im Wege stehen würde. Der Hambacher Forst ist der letzte große Mischwald Europas und ein wichtiger Lebensraum für viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Es kann doch nicht sein, dass dieser Wald weichen muss, damit RWE ungestört Braunkohle abbaggern kann – eine schmutzigere Energiegewinnung gibt es nicht! Das ist einfach unglaublich – wo uns das Wasser doch schon jetzt bis zum Halse steht – nicht nur im übertragenen Sinne! Der Rekordsommer dieses Jahr mit den Ernteausfällen, Trinkwasserknappheiten und großen Bränden ist ja leider nur ein Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn wir nichts ändern. Ich bin hier, weil meine Generation – ich bin 16 – sonst keine Zukunft hat.

    Was denkst du, muss sich ändern?

    Wir brauchen den Kohleausstieg und die Abschaffung aller fossilen Energien. Und zwar jetzt und nicht erst 2030. Wir müssen anfangen, danach zu produzieren, was gut für Mensch und Umwelt ist und nicht, was ein paar Wenigen Profite einbringt. Und dafür müssen wir uns zusammenschließen und kämpfen. Auch hierfür ist der Hambi (Hambacher Forst, Anmerkung der Redaktion) ein gutes Beispiel: Es sind Tausende auf der Straße, aber das Land NRW beschützt den Großkonzern RWE und schickt Unmengen an Polizisten, um alle Gegner aus dem Weg zu prügeln. Von oben wird uns eben nichts geschenkt.

    Du hast gerade die Polizei erwähnt, ist dir viel Polizeigewalt aufgefallen?

    Leider ja, sie ist mir nicht nur aufgefallen, sondern ich habe sie auch spüren müssen: Gestern, also Samstag, als ich mich an „Aktion Unterholz“ beteiligt habe, wurden wir von der Polizei brutal mit Schlagstöcken aufgehalten. Bei mir haben sie zum Glück nur den Rucksack getroffen, andere hatten nicht so viel Glück, einer hatte eine Platzwunde am Kopf. Bis Presse da war, wurden wir von den Polizisten auch heftig beleidigt.

    Von uns ging keine Gewalt aus, wir wollten einfach nur friedlich in den Wald. Später, am selben Tag, wurde auch die Kreuzung vor der Mahnwache – eine wichtige Route für die Räumungsaktionen – durch friedliche Sitzblockaden besetzt. Auf einmal kamen ungefähr 10 Einsatzwagen mit Blaulicht und Sirene. Ein Polizist brüllte, ein Kollege sei verletzt, das wäre „jetzt kein Spaß mehr“. Direkt danach nahm er zusammengebundene Äste, die auf der Straße lagen, und schmiss sie zur Seite. Sie landeten knapp neben zwei Kindern. Danach begannen mehrere Beamte, den Weg frei zu prügeln.

    Das mit dem verletzten Kollegen halte ich für eine ziemlich schlechte Ausrede, da schon längst Polizisten auf der anderen Seite der Blockade waren und auch kein Rettungswagen kam. Hingegen wurden massig verletzte Aktivistinnen und Aktivisten in Kauf genommen … Heute war es etwas friedlicher, da viel mehr Menschen und Presse da waren. Dennoch wurden zunächst alle Leute, die Richtung Wald rannten – fast alle nur in T-Shirts – mit Pfefferspray besprüht. Etwas später haben wir dann Ketten gebildet, um zu verhindern, dass die Polizei uns vom Feld vorm Wald wegdrückt. Wir standen dann kurz vor einem Graben. Das hat die Bullen aber nicht abgehalten, uns weiter nach hinten zu drücken und somit gebrochene Knochen zu riskieren. Dabei hat mir auch ein Polizist zwei Finger in den Kehlkopf gedrückt und mir in den Bauch geschlagen, so dass ich kaum mehr atmen konnte. Dennoch haben sie es nicht geschafft uns wegzudrängen, da wir mehr und sehr entschlossen waren. Trotz der Angriffe war die Stimmung kämpferisch und gut, wir haben Lieder gesungen und es konnten immer wieder Leute durch die Polizeikette in den Wald schlüpfen.

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