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Mittwoch, April 24, 2024
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    Rentner nimmt Kaffee aus Supermarktmüll, Staatsanwaltschaft sieht „besonders schweren Diebstahl“

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    Gericht verurteilt 76-jährigen Kölner zu 300 Euro Geldstrafe auf Bewährung

    35 Packungen Kaffee wollte Harald F. im Februar 2017 aus dem Müllcontainer eines Supermarktes mitnehmen. Dafür wurde er nun vor Gericht gestellt und verurteilt. Die Staatsanwaltschaft sah sogar „besonders schweren Diebstahl“: Der Angeklagte sei über einen Zaun geklettert und habe sich damit Zutritt zum Areal des Supermarktes verschafft.

    Harald F.s Version der Geschichte war eine andere: An jenem Vormittag sei er vom Flohmarkt gekommen und hätte eine Trittleiter im Auto dabei gehabt, um in seinem Schrebergartenhäuschen eine Glühbirne auszutauschen. Er habe an einem Gebüsch vor dem Supermarktgelände angehalten, um dort Wasser zu lassen. In diesem Moment seien Jugendliche durch ein Loch im Zaun gekommen. Sie hätten ihn darauf hingewiesen, dass in den Containern auf dem Gelände „jede Menge Zeug“ liege. Daraufhin sei er durch das Loch im Zaun auf das Gelände gegangen und habe sich an der ausrangierten Ware in der Grünen Tonne bedient. Der Kaffee, um den es im Prozess ging, sei auch bereits abgelaufen gewesen. Ein Kaufhaus-Techniker, der infolge eines Alarms kurze Zeit später vor Ort war, habe die Polizei gerufen.

    Der Richter belehrte den Angeklagten, dass der weggeworfene Kaffee im Wert von 200 Euro Eigentum des Supermarktes gewesen sei. Den „besonders schweren Diebstahl“ sah er zwar nicht – Harald F. hatte lediglich ein schon vorhandenes Loch im Zaun sowie eine offene Tür passiert, um an die Mülltonne zu gelangen. Dennoch verurteilte das Gericht den Rentner wegen „einfachen Diebstahls“ zu einer Geldstrafe von 300 Euro auf Bewährung und verwarnte ihn. Harald F.s Anwältin hatte noch darauf hingewiesen, dass es in Köln-Porz „gang und gäbe“ sei, sich an der weggeworfenen Supermarktware zu bedienen.

    Überfluss und Verschwendung auf der einen Seite, Mangel auf der anderen: Supermärkte entsorgen täglich Lebensmittel, die noch genießbar wären. Mittlerweile spricht es sich auch unter VerbraucherInnen herum, dass z.B. die Mindesthaltbarkeitsdaten auf vielen Lebensmitteln keineswegs das Ende der Genießbarkeit anzeigen, sondern von den produzierenden Unternehmen in eigener Verantwortung festgelegt werden. Kürzere Fristen bedeuten auch, dass in einer gegebenen Zeit mehr Lebensmittel vom Handel nachbestellt werden – und damit der Umsatz steigt. Damit wachsen auch die Berge von Lebensmitteln, die jeden Tag unverkäuflich werden und im Müll landen. Einer Analyse des WWF zufolge wird in Deutschland fast ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen.

    Gleichzeitig reicht das Einkommen u.a. von immer mehr RentnerInnen in Deutschland nicht zum Leben. Fast die Hälfte der RentnerInnen erhielt Ende 2016 eine Rente von unter 800 Euro im Monat. Eine Packung Kaffee, von Supermärkten tonnenweise entsorgt, kann da schon ein Luxusgut sein.

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