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Freitag, März 29, 2024
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    Wie es zu einer großen Wirtschaftskrise kommt

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    Zehn Jahre Weltwirtschaftskrise – von Thomas Stark

    In diesem Monat ist es rund zehn Jahre her, dass die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz beantragen musste. Dies gilt als Beginn der schwersten  Weltwirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren. Wie kam es dazu? Und kann sich so etwas heute nochmal wiederholen?

    Die Lehmann-Insolvenz

    Am 15.9.2008 beantragt Lehman Brothers Insolvenz. Damals sind verzweifelte Versuche, die Investmentsparte des Unternehmens zu verkaufen, fehlgeschlagen. Am Ende lässt die US-Regierung Lehman Brothers fallen. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück soll zehn Jahre später im Interview mit dem Handelsblatt sagen, er habe das vorher für „ausgeschlossen“ gehalten.

    Die Lehman-Pleite bedeutet eine neue Eskalationsstufe in der Krise. Kurze Zeit später bricht der sogenannte Interbankenmarkt zusammen: Die Banken geben sich gegenseitig keine Kredite mehr – höchst problematisch für eine Welt, in der alle Unternehmen auf kurzfristige Kredite angewiesen sind. Die Auswirkungen sind weltweit, auch in Deutschland, spürbar.

    Am 5. Oktober 2008 äußerten sich Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück  in einer kurzfristigen Pressekonferenz: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Sie sollen einen Sturm der Bevölkerung auf die Banken abwenden. Ein politischer Bluff, denn es war völlig unklar, ob die Regierung die Lage unter Kontrolle bringen könnte:
    „… es gab auch Momente, da dachte ich, es entgleitet uns.“, wird Steinbrück zehn Jahre später zugeben.

    Was damals folgte, war die schwerste, weltweite Wirtschaftskrise in der Geschichte des Kapitalismus.

    Woher kam die Krise?

    Das Drama, das sich damals zuerst an den Finanzmärkten abspielte, hatte seine Ursache in der realen Wirtschaft, nämlich in einer Überproduktionskrise auf dem Häusermarkt – nicht nur in den USA, sondern auch in Irland, Großbritannien, Spanien und Osteuropa.

    Überproduktionskrisen treten im Kapitalismus gesetzmäßig und regelmäßig auf:

    Die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung ist begrenzt. Wenn mehr produziert wurde, als Menschen sich leisten können, kann diese Ware nicht mehr verkauft werden, folglich bricht der Handel ein. Unternehmen reagieren, produzieren weniger und entlassen Arbeitskräfte, letztlich gehen sie pleite.

    Das Eintreten solcher Überproduktionskrisen kann durch die Vergabe von immer mehr Krediten für eine begrenzte Zeit hinausgezögert werden – was heute die Regel ist. Der große Knall kommt dafür irgendwann umso heftiger. In den 2000er Jahren erlebte das Geschäft mit Immobilienkrediten einen Boom. Die Zinsen waren niedrig. Banken ermunterten auch Leute, die sich eigentlich kein Haus hätten leisten können, eines auf Pump zu kaufen. Die Rede ist von „Subprime“-Krediten (deutsch: „zweitklassige“ Kredite). Die Immobilienpreise schossen nach oben, die Subprime-Kredite ebenso.

    Doch irgendwann mussten die Zinssätze angehoben werden, die Zahlungen der Hauskäufer an die Banken wurden immer teurer. Massenhaft konnten Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden. Die Banken sahen ihr Geld nicht wieder. Massenhaft wurden Häuser verkauft. Die Preise fielen. Die Stimmung an den Börsen kippte. Das Spiel war aus…

    Folgen für die Arbeiter/Innen

    Für Bürgerinnen und Bürger waren die Folgen existenzbedrohend: In den USA sollen zehn Millionen Familien ihre Häuser verloren haben, darunter vor allem Afro-AmerikanerInnen und Hispanics, die aus besseren Gegenden zurück in die Ghettos getrieben wurden.

    In Spanien, vorher Zentrum des  europäischen Immobilienbooms, habe der Crash besonders heftig eingeschlagen: Sechzig Prozent der in der Eurozone neu dazugekommenen Arbeitslosen seien SpanierInnen. Und die osteuropäischen Staaten hätten plötzlich keine ausländischen Kredite mehr bekommen, dort litten die Volkswirtschaften am heftigsten.

    Und heute?

    Derzeit mischen sich wieder deutliche Misstöne in die Melodie des boomenden Kapitalismus in Deutschland – momentan werden an vielen Standorten noch händeringend Arbeitskräfte gesucht. Doch da ist die Angst vor dem Stellenabbau bei Karstadt-Kaufhof und Ford Europa. Das Konsum-Barometer des Handelsblatt Research Institute „rauscht in den Keller“ und das vom ifo-Institut berechnete  Weltwirtschaftsklima verschlechterte sich im dritten Quartal 2018 in allen Regionen der Welt zum wiederholten Male in Folge. Das Ende des Booms kündigt sich an. Das Institut für Weltwirtschaft rechnet für das nächste Jahrzehnt mit dem Beginn eines Abschwungs. Noch deutlicher wird jetzt der ehemalige Chefvolkswirt der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ), William White: Er befüchtet einen größeren Crash als nach der Pleite von Lehman Brothers vor zehn Jahren, wie der aktuelle Spiegel berichtet. „Die Probleme, die der Lehman-Krise zugrunde lagen, sind nie bewältigt worden. Im Gegenteil, sie haben sich noch verschärft.“

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    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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