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Freitag, April 19, 2024
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    Das “Panty-trial”: Über die Aktualität und Daseinsberechtigung der Frauenbewegung

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    In “westlichen Ländern” unterstellen Männer oft, dass jeder Feminismus und jede Wahrnehmung, dass Frauen unterdrückt seien, machtgierig und manipulativ bis hin zu männerfeindlich seien. Pünktlich zum “Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen” demonstriert ein Gericht die immer noch aktuelle Notwendigkeit der Frauenbewegung. – Ein Kommentar von Olga Wolf

    In Irland hat eine Minderjährige Strafanzeige gestellt, weil ein zehn Jahre älterer Mann sie vergewaltigt hat. Damit gehört sie zu dem verschwindend geringen Prozentsatz der Frauen, die sich ihrer Lage bewusst und sicher genug sind, um über das Erlebnis zu sprechen. Leider gehört ihr Fall zu dem überwältigend großen Prozentsatz der Fälle, in denen der männliche Täter keine Konsequenzen für sein Vergehen trägt.

    https://twitter.com/JordanRoccesano/status/1063491174164504580

    “Nur weil ich oder jemand anders Spitzenunterwäsche trägt, ‘bitte ich darum, vergewaltigt zu werden?’ Okay, das nächste Mal, wenn jemand teuren Schmuck trägt, werde ich ihn klauen, denn sie bitten offensichtlich darum.”

    Tatsächlich scheute der Anwalt des Täters abscheulicherweise nicht davor zurück, die Unterhose, die das Mädchen zur Zeit des Übergriffs getragen hat, als Beweisstück in den Gerichtssaal zu bringen. Weil die überwiegend männlichen Anwesenden den Stoff zu knapp und die Unterhose überhaupt sehr sexy fanden, erklärten sie die Argumentation des Anwalts für nachvollziehbar: Wer so eine Unterhose anhabe, sei auf Geschlechtsverkehr aus. Den Mann treffe keine Schuld.

    “Angewidert vom Prozess zur Vergewaltigung in Cork, ich trage jeden Tag Tangas, TANGAS SIND UNTERWÄSCHE, die Beschuldigung von Opfern muss aufhören, wie können Menschen etwas über Einvernehmlichkeit lernen, wenn Gerichte Männer mit Vergewaltigung durchkommen lassen wegen einer verdammten Hose? #DasIstKeinEinverständnis”

    Über dieses schlimme Urteil möchte ich nicht viele Worte verlieren. Wohl aber über die vielen Instanzen, in denen das Mädchen patriarchale Gewalt erfahren hat. Mit der Vergewaltigung wurde der Mann zum Täter, und er nahm in Kauf, dass die Frau die Folgen der erlebten Gewalt noch lange nach der Tat mit sich trägt.

    Sie wandte sich an die einzige Institution, die legitimiert ist, in solchen Fällen zu handeln. Und diese versagte auf ganzer Linie. Nicht nur, dass einem Täter der Rücken gedeckt wurde und ein Klima aufrecht erhalten wird, in dem sexualisierte Gewalt in Ordnung zu sein scheint. Das Gericht selbst übte patriarchale Gewalt aus, der Freispruch fußte auf der Annahme, dass Kleidung Vergewaltigungen verursachen oder verhindern könnte – das Gericht gab der Frau als Erlebende die Verantwortung für das Verbrechen, das an ihr begangen wurde.

    Es ist nicht das erste Mal, dass eine junge Frau im Gericht ihre Unterwäsche als Beweisstück vorzeigen muss. Vor einigen Jahren nahm sich eine minderjährige Schottin das Leben, nachdem man ihre Wäsche als Beweisstück anführen wollte. Sie wurde gezwungen, den Print auf ihrem Kleidungsstück vorzulesen – “Little Devil”, kleiner Teufel – und beging nach dieser demütigenden Verhandlung Selbstmord.

    Trotz gesetzlicher Frauenquote und Diskriminierungsverbot sind wir Frauen noch nicht einmal vor Gericht gleichberechtigt. Warum Frauen Vergewaltigung nicht anzeigen? Weil sie keine Gerechtigkeit erfahren, wenn sie es tun, weil das Patriarchat keinen Halt macht vor dem Gerichtssaal.

    Ob es seine Berechtigung hat, wenn Frauen heute weltweit erklären, dass sie Grenzen haben, kennen und verteidigen? Ich sehe nicht, warum Frauen eine Bringschuld für die Beantwortung dieser Frage haben sollten, und dennoch: Offensichtlich ja. Wir sind keinen Beweis schuldig für die Daseinsberechtigung unserer Forderung, aber wenn wir wollten, dann könnten wir, und es gibt Offensichtlichkeiten, vor denen Mann unmöglich die Augen verschließen kann – einer davon ist der Prozess in Cork. Ob sexualisierte Gewalt, institutionelle Frauenfeindlichkeit, finanzielle Diskriminierung oder jede andere Form von Gewalt, die Frauen erfahren – jeder Übergriff für sich ist genug Berechtigung für die Proteste und den Widerstand, die es heute und an jedem anderen Tag gibt.

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    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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