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Dienstag, März 19, 2024
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    Erfrieren oder verbrennen?

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    Ein Kommentar zur Wohnsituation der ArbeiterInnenklasse in England – von Paul Gerber

    Der Winter klopft in England an die Tür und bringt die Frage mit, wie viele Todesopfer er dieses Jahr fordern wird. Kürzlich veröffentlichte Zahlen des britischen Statistikamts belegen 50.000 Wintertote mehr als noch ein Jahr zuvor (2015/2016). In 15.000 dieser Todesfälle konnten unzweifelhaft kalte oder feuchte Wohnungen als Ursache nachgewiesen werden (Link).

    Die Gründe für diese Todesopfer sind steigende Heizkosten, geringe Löhnen und Renten, schlecht isolierte Häuser und insbesondere in London rasant steigende Mietkosten, die kaum noch etwas vom Einkommen übrig lassen.

    Während die einen in ihren Wohnungen im wahrsten Sinne des Wortes erfrieren, verbrennen andere. Wie im Juni 2017 bei der Brandkatastrophe im Greenfell Tower – einem Hochhaus mit „günstigen“ ArbeiterInnenwohnungen in London. Das Hochhaus war zwischen 2014 und 2016 renoviert und mit einer brennbaren Verkleidung ummantelt worden. Dadurch erfasste der Brand in einer Wohnung innerhalb von wenigen Stunden das ganze Gebäude.

    Nach offiziellen Angaben starben 72 Menschen bei dem Brand. “Greenfell United”, eine Selbstorganisation von Brandopfern, spricht aber von weit mehr Opfern, die nie erfasst wurden, weil es kein offizielles Register der BewohnerInnen gab.

    Tatsächlich war schon während der Renovierungsarbeiten durch Gutachten belegt worden, dass die verwendeten Materialien nicht feuerfest waren. Die Materialien sind sogar zur Verwendung bei hohen Gebäuden ausdrücklich verboten. Die Behörden haben das Gebäude trotzdem abgenommen. Die Vermieter haben, weil sie diese Materialien – anstelle von teureren, sichereren – verbaut haben, etwa 293.000 Pfund (knapp 330.000 Euro) gespart (Link).

    Das Problem ist für alle, die sich keine Wohnungen zum Preis einer Villa im Londoner Stadtzentrum leisten können, alles andere als gelöst: Die Regierung hat zwar verfügt, dass solche brennbaren Verkleidungen von Wohnhäusern entfernt werden müssen, jedoch erachten sie das nur bei knapp 300 Gebäuden als notwendig. Die Gewerkschaft der Feuerwehrleute dagegen, vermutet solche brennbaren Materialien in der Verkleidung von weit über 2.000 Gebäuden (Link).

    Ob durch Kälte oder Feuer – der Mörder dieser Tausenden von Menschen trägt den gleichen Namen: Profitgier. Das Leiden der englischen Arbeiterinnen und Arbeiter zeigt uns, wo auch wir landen werden, wenn wir uns nicht zusammenschließen und kämpfen gegen explodierende Mieten, sinkende Renten und unterschiedliche Sicherheitsstandards für uns und unsere Ausbeuter.

    Nicht das Wohl der ArbeiterInnen, sondern der Profit der Unternehmen steht im Vordergrund – von Kevin Hoffmann

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    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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