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Dienstag, März 19, 2024
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    Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

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    Regelmäßig veröffentlicht der Kölner Verein “Aktion Arbeitsunrecht” eine Presseschau über Betriebsratsbehinderung und “Union Busting” in Deutschland. Wir geben diese hier wieder*.

    Union Busting bei der Sparkasse Regen-Viechtach

    Seit Jahren versucht die bayerische Sparkasse Regen-Viechtach ihren Personalrat loszuwerden. Im Herbst letzten Jahres versuchte sie dann, die langjährige Personalratsvorsitzende Margit W. durch eine außerordentliche Kündigung zu entlassen. Der Personalrat lehnte jedoch seine Zustimmung ab. So landet der Fall nun beim Arbeitsgericht München. Dort will der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Regen-Viechtach Josef Wagner mit dem Arbeitsrechtsanwalt Tobias Schwartz (LKC-Gruppe) die Entlassung nun gerichtlich bestätigen lassen. Ein Urteil steht noch aus.

    Die Auseinandersetzungen zwischen Vorstand und Personalrat werden seit Jahren ausgefochten. Dabei steht insbesondere der Versuch die Personalratsvorsitzende Margit W. loszuwerden im Mittelpunkt der Union-Busting-Methoden. W. ist seit ihrer Ausbildung vor fast 40 Jahren in dem Betrieb und hat seitdem unzählige Abmahnungen kassiert. Sie setzte sich dagegen erfolgreich zur Wehr. Zwei Fälle landeten vor dem Arbeitsgericht, beide gewann sie. Schon lange ist Margit W. davon überzeugt, dass die Sparkassen-Führung den Personalrat zerschlagen will, dem sie seit zehn Jahren vorsitzt. Mehrere Abfindungsangebote – bis zu einer sechsstelligen Summe – hat die Personalratsvorsitzende bereits ausgeschlagen (Link).

    Die Anschuldigungen gegen sie sind dabei äußerst kreativ und vielschichtig. Der aktuellen Kündigung liegt ein 70-seitiges Begründungsschreiben bei: Sie störe den Betriebsfrieden, halte Mitarbeiter von der Arbeit ab, leite unberechtigt Emails weiter usw.

    Proteste und Unterstützung für Margit W.

    Unterstützung bekommt Margit W. nun von der Gewerkschaft ver.di. Mit einem großen, schwarzen Transparent mit der Aufschrift „Tatort Sparkasse“ wurden kürzlich die Besucher des Niederbayerischen Gewerkschaftstages in der Stadthalle Deggendorf empfangen. Hier wurden mit Flyern auf die Machenschaften der Sparkasse Regen-Viechtach aufmerksam gemacht und Unterschriften gegen die Kündigung von Margit W. gesammelt (Link).

    „Auch weiteren Mitgliedern des siebenköpfigen Personalrats wurde bereits mit einer Kündigung gedroht“, kritisiert die ver.di-Landesfachbereichsleiterin Tina Scholze. Auch die Gewerkschaft wirft der Sparkasse Regen-Viechtach „Union-Busting“ vor. „So geht man nicht mit Menschen um. Das ist vielmehr der Versuch, Menschen einzuschüchtern und die Wahrnehmung demokratischer Grundrechte zu unterbinden“, kritisiert Scholze.

    Was ist bei den niederbayrischen Sparkassen los?

    Unklar bleibt bei der Presse-Lektüre zunächst, woher die Aggression der Sparkassen-Geschäftsführung gegen eine engagierte Gewerkschafterin und Personalratsvorsitzende genau rührt (für genauere Hinweise per Kommentar wären wir dankbar).

    Es finden sich folgende Anhaltspunkte: Einerseits stehen die Sparkassen in ganz Deutschland unter großem Druck, zu fusionieren, Kosten zu sparen; viele Sparkassen-Kreise meinen, Filialen schließen zu müssen. Andererseits stehen besonders die bayrischen Sparkassen in der Kritik, weil sie Geld zurück halten, anstatt es an die Kommunen auszuschütten, deren Tochter-Firmen sie sind. So hat die Sparkasse Landshut der Kommune laut Handelsblatt fünf Millionen Euro vorenthalten, mit der die Stadt eine Wohnungsbaugesellschaft hätte gründen können.

    2011 stand die Sparkasse Regen-Viechtach laut Bayerwald-Boten aufgrund von Korruptionsverdacht unter erhöhter Aufmerksamkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Sparkassenaufsicht der Regierung von Niederbayern. Die Behörden konnten aber offiziell nichts finden (Link).


    Studie des IW: „Beteiligung bei Betriebsratswahlen ist hoch, der Rückhalt nach wie vor stark“

    Das unternehmerfreundliche Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zieht aus der Befragung von mehr als 1.100 Unternehmen den Schluss, dass Betriebsräte in Deutschland „einen starken Rückhalt in ihren Belegschaften haben“. Auch die hohe Beteiligung bei den Betriebsratswahlen im vergangenen Jahr sehen sie als Indiz dafür. Zudem bescheinigt die Befragung ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsratsmitgliedern und ihren Wählern, denn zwei von drei Betriebsratsmitgliedern wurden wiedergewählt.

    Die Wahlbeteiligung bei den vergangenen Betriebsratswahlen lag bei den befragten Unternehmen bei 74,8 Prozent.

    Der Befund ist widersprüchlich, denn der Bestand der Betriebsratsgremien in Deutschland ist skandalös niedrig: Tatsächlich gibt es nur in schätzungsweise zehn Prozent aller Betriebe, die einen Betriebsrat wählen könnten, einen solchen. Nur vier von zehn Beschäftigten in Deutschland arbeiten in einem Betrieb, in dem es einen Betriebsrat gibt. Zudem liegen keine belastbaren Zahlen zu existierenden, neu gegründeten, verhinderten und verschwundenen Betriebsräten vor (Die Aktion Arbeitsunrecht fordert daher ein verpflichtendes Melderegister für Betriebsräte).

    Die Studie des IW kommt zu dem Ergebnis, dass ältere Männer die Betriebsräte in Deutschland dominieren. Rund 52 Prozent der befragten Betriebsratsmitglieder sind zwischen 46 und 59 Jahre alt und der Anteil an Männern in den Gremien beträgt 73,6 Prozent.

    Unternehmer behindern fast jede sechste Gründung eines Betriebsrats
    Die Hans-Böckler-Stiftung des DGB kam zuletzt vor drei Jahren zu dem Schluss, dass Unternehmer fast jede sechste Gründung eines Betriebsrats behindern. Sie schüchterten Kandidaten ein, drängten Mitglieder zum Rücktritt, suchten Gründe und Vorwände für Kündigungen und Aufhebungsverträge. Hinzu kommen Anwaltskanzleien, die sich darauf spezialisiert haben, Betriebsräte mit Kniffen des Arbeitsrechts zu drangsalieren.

    Die Autoren der IW-Studie, Christian Kestermann, Hagen Lesch und Oliver Stettes, wünschen sich dabei grundsätzlich ein einvernehmliches Handeln von Unternehmer und Betriebsrat: „Eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kann Informationsflüsse und Entscheidungsprozesse erleichtern. Wo dies nicht gelingt, kann sich die Mitbestimmung auch nachteilig für Unternehmen und Beschäftigte auswirken.“

    Wie die Autoren zu der Schlussfolgerung kommen, dass sich Mitbestimmung auch nachteilig auf die Beschäftigten auswirken könne, wird aus der Studie leider nicht ersichtlich (Link).


    Stadt Pinneberg stellt Mitarbeiterin trotz Gerichtsurteil nicht weiter an

    Im April 2018 wurde Jutta L., Sachgebietsleiterin des schleswig-holsteinischen “Kommunalen Servicebetrieb Pinneberg” (KSP), von der Stadt Pinneberg fristlos gekündigt. Als Grund für die Kündigung nennt die Stadt Pinneberg eine angeblich vordatierte Unterschrift und eine angeblich fehlende Aktennotiz.

    Jutta L. sieht die Kündigung als ungerechtfertigt an und zog mit ihrem Anwalt Reinhard Schmidt im vergangenen Jahr vor Gericht. Die Stadt Pinneberg, vertreten durch die Anwältin Dr. Gyde Otto (Kanzlei Weissleder & Ewer) sah die Formalien einer fristlosen Kündigung als erfüllt an, da „eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gegeben“ sei. Dem widersprach die Richterin Dorle Kröger vom Arbeitsgericht Elmshorn, die die Kündigung als sozialwidrig einordnete. Sie erfülle weder die Anforderungen für eine fristlose, noch für eine normale Kündigung. Jutta L. müsse deshalb wieder an ihrem Arbeitsplatz beschäftigt werden (Link).

    Die Stadt Pinneberg verweigerte jedoch die Weiterbeschäftigung von Jutta L. „Ich wollte am 17. Oktober vergangenen Jahres meine Arbeit beim KSP wieder aufnehmen. Die Stadt Pinneberg wollte meine Arbeitsleistung nicht annehmen und hat mich vom Hof gejagt“, berichtete Jutta L. dem Pinneberger Tageblatt. Zwei Stunden habe man sie in einem Container auf dem KSP Gelände warten lassen, um eine schriftliche Bestätigung, dass ihre Arbeitsleistung nicht angenommen wird, auszuhändigen. Zudem habe man ihr verboten, mit anderen Kollegen zu reden (Link).

    Laut Informationen des Pinneberger Tageblatts hat die Stadt mittlerweile Berufung gegen das Urteil eingelegt. Am 26. Februar ab 9.30 Uhr wird es nun eine Berufungsverhandlung beim Landesarbeitsgericht in Kiel geben.

    Jutta L. vermutet zudem, dass die Stadt Pinneberg sie loswerden wolle, da sie mit der ehemaligen Leiterin des Kommunalen Servicebetriebs Silkata S. Gut befreundet gewesen sei. Dieser wurde ein Jahr vor L. gekündigt. Mittlerweile sollen Laut Jutta L. weitere Mitarbeiter gekündigt und den KSP verlassen haben.


    Mediation bei Solinger Automobil-Zulieferer Borbet

    Eine gerichtliche Entscheidung im Arbeitsgerichts-Verfahren um die Auflösung des Betriebsrats bei der Borbet GmbH ist vorerst vom Tisch. Bei der Arbeitsgerichtsverhandlung unter dem Vorsitz von Richter Hendrik van Laak am 31. Januar 2019 einigten sich die Geschäftsführung und die Vertreter des Betriebsrats nach einem einstündigen Prozess auf ein Mediationsverfahren. Vertreten wird die Borbet GmbH von der Rechtsanwältin Britta Heilf aus der Union Busting-Kanzlei Schreiner + Partner.

    Durch das Mediationsverfahren unter der Gesprächsführung eines Richters soll nun eine einvernehmliche Einigung über die kommende Zusammenarbeit der Beteiligten getroffen werden. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird es doch noch eine Gerichtsentscheidung über die Auflösung des Betriebsrats geben, die von Schreiner + Partner nach Kräften voran getrieben wurde. Zu deren schmutzigen Methoden gehört – auch in diesem Fall – eine Unterschriften-Sammlung in der Belegschaft gegen den Betriebsrat (Link).

    Betriebsrat und IG Metall bekämpfen Lohnraub, Arbeitsdruck + Leiharbeit
    Der Betriebsrat will die Einführung eines 5-Schicht-Systems verhindern, das für viele Kolleg*innen mit erheblichen Mehrbelastungen und Lohneinbußen verbunden ist. Zudem beklagt der Betriebsrat den langjährigen und massenhaften Einsatz von Leiharbeiter*innen. Der Betriebsratsvorsitzende Sinan A. sieht hierin einen Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz (Link).

    Den Betriebsratsmitgliedern sollen zudem Weiterbildungen durch das Unternehmen verweigert worden sein.

    Das Solinger Werk ist der einzige Standort der Firma, an dem ein Tarifvertrag gilt. Hier arbeiten rund 700 Beschäftigte. Erst 2018 investierte Borbet 20 Millionen in das Solinger Werk.


    Mobbing bei der Gewerkschaft der Polizei?

    Schwere Vorwürfe erhebt der Betriebsrat der Berliner Bundesgeschäftsstelle der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in einem Brief gegen den Bundesvorsitzenden Oliver Malchow. Anlass für das Schreiben vom 25. Januar, das verschiedenen Zeitungen vorliegt, sind demütigende Gespräche des Bundesvorsitzenden mit verschiedenen Mitarbeitern der Gewerkschaft.

    „Der Betriebsrat hat Kenntnis, dass die betroffenen Kolleginnen die Gespräche aus ihrer Sicht als inquisitorisch, demütigend und autoritär auch deshalb empfanden, weil der Bundesvorsitzende Oliver Malchow als Mann seine Machtstellung gegenüber den weiblichen Kolleginnen missbraucht hat“, heißt es in dem Schreiben.

    Rund ein Dutzend Kolleginnen und Kollegen der Bundesgeschäftsstelle sollen unter diesem Arbeitsklima leiden und zum Teil Angstzustände haben. Der Betriebsrat sieht es deshalb als seine Pflicht an, „sich vor die betroffenen Kolleginnen zu stellen und alles Erforderliche zu unternehmen, um die psychischen Übergriffe zu beenden“.

    In einem konkreten Fall soll Malchow das Gespräch „durch unerbittliches Nachfragen und persönliche Lautstärke eskaliert“ haben. Die betroffene Kollegin habe die Behandlung als demütigend empfunden. „Sie ist seit dem darauffolgenden Tag arbeitsunfähig.“ In dem Brief heißt es weiter: „Kolleginnen und Kollegen resignieren, kommen mit Bauchschmerzen zur Arbeit, haben Durchfall und Kopfschmerzen und leiden unter Angstzuständen“ (Link).

    Stellvertretender BR-Vorsitzender der GdP zur Strafe suspendiert?

    Nach eigener Darstellung hat der Betriebsrat Inhalte des Briefs am 23. Januar 2019 beraten und auf einer außergewöhnlichen Betriebsratssitzung wegen der Ausformulierung des Schreibens schließlich am 25. Januar beschlossen. Etwa drei Stunden, nachdem die Einladung zur Betriebsratssitzung rausgegangen sei, wurde der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ohne detaillierte Angaben von Oliver Malchow persönlich suspendiert. Es dränge sich der Eindruck auf, „dass ein anerkannter Kollege und Betriebsrat mundtot gemacht werden soll“, so der Brief abschließend.

    Die Gewerkschaft der Polizei bezeichnet den gesamten Fall als „betriebsinternen Vorgang“, den man nicht nach außen tragen wolle (Link).

    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist mit mehr als 190.000 Mitgliedern die mit Abstand größte Interessenvertretung innerhalb der deutschen Polizei. Oliver Malchow ist seit 2013 ihr Bundesvorsitzender.

     

    *Da der Artikel kein eigenes Material von perspektive-online.net beinhaltet oder bearbeitet wurde, liegt die redaktionelle Verantwortung für die Artikel bei der “Aktion Arbeitsunrecht”.

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