Kaum nimmt der aktuelle Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation die passenden Schlagworte in den Mund, steht die gesamte Republik bzw. ihre Presselandschaft auf dem Kopf. Also wo steht Kühnert nun mit seinen Forderungen nach Kollektivierung und der Überwindung des Kapitalismus? – Ein Kommentar von Kevin Hoffmann
Zunächst einmal das Offensichtliche: Kevin Kühnert ist ein bewusster Medienstratege, seine Äußerungen sind keine Ausrutscher, sondern wohl geplante und platzierte scheinbare Tabubrüche. Kühnert weiß sehr genau, wie er sich ins Gespräch bringt. Auch wenn er so tut, als breche er mit dem Ansprechen „heißer Themen“ im Wahlkampf bestimmte Tabus, tut er eben genau das nicht. Er ist voll und ganz ein bürgerlicher, politischer Stratege. Er handelt von A bis Z nach der Maxime, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit! Gestern legte er erneut nach und betonte, dass er alles ernst meine, was er gesagt habe.
Doch schauen wir uns doch mal an, was mein Namensvetter in einem Interview mit der Zeitung DIE ZEIT am 1. Mai wirklich von sich gegeben hat.
Kollektivierung von großen Konzernen wie BMW?
Kevin Kühnert bringt in dem Interview unter anderem die Kollektivierung von großen Automobilkonzernen wie BMW auf die Tagesordnung. Dabei knüpft er gezielt an die seit Wochen die Medien bestimmende Enteignungsdebatte großer Wohnungskonzerne an, die in weiten Teilen der Bevölkerung in Deutschland Zuspruch findet.
Doch Kevin hat leider überhaupt keinen Plan, was er denn nun mit BMW genau machen möchte. Er könne sich eine Kollektivierung oder eine Verstaatlichung oder noch was ganz anderes vorstellen. Kühnert schweift hier eher in seine Traumwelt ab, als dass er ein klares politisches Konzept zu verfolgen scheint. Seine Maxime: Den ausufernden „unregulierten Markt“ irgendwie in den Griff zu bekommen. Und genau bei diesem vagen Ziel bekommt er große Unterstützung aus der eigenen Partei. So etwa von dem Chef der NRW-SPD Sebastian Hartmann, der ebenso wie Kühnert den „ungeregelten Markt“ als Gegner festmacht.
Überwindung des Kapitalismus: Ja, aber wie Kevin?
Doch Kevin geht noch weiter. Er will gleich den Kapitalismus „überwinden“. Seinem Konzept treu bleibend, bleibt er auch in seinen Formulierungen und Vorstellungen hier sehr vage. Laut Kühnert sei der Kapitalismus in zu viele Lebensbereiche vorgedrungen.
Einmal mehr wird hier deutlich, dass Kühnert in erster Linie mit Schlagworten um sich wirft. Denn natürlich bestimmt der Kapitalismus, als herrschendes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, heute alle Lebensbereiche. Doch wie will Kevin nun den Kapitalismus „überwinden“?
Demokratischer Sozialismus als Alternative?
Als Alternative zum Kapitalismus und seinem „ungeregelten Markt“ bietet Kühnert einen nicht näher beschriebenen „demokratischen Sozialismus“ an. So weit so unspektakulär. So ist dieses Ziel nicht nur im Parteiprogramm der Partei die Linke, sondern eben auch in dem der SPD festgeschrieben.
Doch die Frage, die Kühnert in all seinen Ausführungen, Wünschen und unscharf formulierten Forderungen komplett ausspart, ist die Frage nach dem, wie man all das denn nun erreichen will. Kühnert spart die Frage der Macht aus. Er verschweigt, dass der Kapitalismus nur revolutionär überwunden werden kann und dies die Selbstermächtigung der ArbeiterInnenklasse beinhalten muss.
Nur durch den Sturz der herrschenden kapitalistischen Ausbeuterordnung, seines Staatsapparats und all seiner Institutionen kann vom Aufbau des Sozialismus und einer solidarischen Gesellschaft im Interesse aller Arbeiterinnen und Arbeiter die Rede sein. Doch das, was Kühnert hier betreibt, ist nichts als Augenwischerei.
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