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Donnerstag, April 25, 2024
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    Welcher Virus ist tödlicher – Corona oder Kapitalismus?

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    Der „Corona“-Virus beherrscht seit Tagen die Nachrichten. Notsitzungen werden abgehalten und Forschungseinrichtungen machen Überstunden. Doch der „Notstand“ ist heuchlerisch. Bis heute raffen Krankheiten wie Malaria, Masern oder Tuberkulose bereits Millionen Menschen dahin, ohne dass es einen Aufschrei gibt. Arme Menschen in ausgebeuteten Ländern sind offensichtlich weniger wert. – Ein Kommentar von Helin Kurdi

    Seit Wochen berichten Medien in Europa stündlich über tödliche Ansteckungen durch den Virus „Corona“. Sie verbreiten große Angst und Panik in der Gesellschaft.

    Es ist richtig, dass Staaten sich um die Gesundheit der Menschen kümmern und mit allen Mitteln, die sie in der Hand haben, gegen Krankheiten kämpfen. Aber die Frage ist doch: warum ist es einerseits so, dass der Corona-Virus hier ein so großes Thema ist und Länder Millionen von Geldern für Forschung und den Kampf gegen das Virus ausgeben – und warum ist es andererseits so, dass andere Krankheiten, die hunderttausende Menschen jährlich töten, egal sind, und dass man keine Artikel darüber in Zeitungen liest, keine Bilder davon im Fernsehen sieht und es keine Notsitzungen der Weltgesundheitsorganisation dazu gibt?

    Heuchelei und Ungerechtigkeit im Weltgesundheitssystem

    2018 starben weltweit über 405.000 Menschen an Malaria, 140.000 Menschen an Masern. Durch Tuberkulose fanden 2017 sogar 1,5 Millionen Menschen den Tod. Am stärksten sind arme Länder davon betroffen. Es fehlt an allem: Diagnostik, Logistik, Finanzierung und Medikamenten. Die Ursache dafür ist, dass nicht genügend Geld für die Gesundheit aller Menschen auf dieser Welt eingesetzt wird.

    Warum müssen in diesem Jahrhundert noch immer Millionen Menschen an altbekannten Krankheiten sterben, obwohl es genug Geld und fortschrittliche Techniken gibt, mit denen man sie für immer beseitigen könnte?

    Wenn die EU-Länder, die USA, Russland und China ihre Aufmerksamkeit und Investitionen gegen Corona ebenso auch für andere Krankheiten weltweit einsetzen würden, dann müssten keine Menschen mehr daran sterben.

    Krieg ist der tödlichste Virus, der von den Waffenherstellern und Industrieländern gemacht wird

    Ein weiterer Virus, über dessen Ausmaße und gesundheitliche Folgen kaum gesprochen wird, ist der Krieg. Jeden Tag sterben durch ihn tausende Menschen. Auch verlassen Millionen von Einwohnern ihre Heimat auf der Suche nach einem sicheren Ort. Es sind Menschen aus Ländern, die reiche Böden, aber arme Menschen haben. Arme Menschen, deren Herrscher das Erdöl und Gas ihrer Heimat gegen Waffen aus Deutschland, den USA und Russland tauschen und mit ihnen ihrem Volk Tod und Flucht bescheren.

    In Syrien sind innerhalb von acht Jahren 470.000 Menschen getötet worden, über 10 Millionen sind auf der Flucht. 35 Prozent der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Trinkwasser und greifen auf verschmutztes Wasser zurück.

    Seit Beginn der Kämpfe im Jemen im Jahr 2015 sind mehr als 3,6 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht, wurden 16.000 ZivilistInnen durch Kampfhandlungen getötet und mindestens 10.200 verletzt. 24,1 Millionen Menschen – mehr als 80 % der Bevölkerung – sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 16,4 Millionen JemenitInnen haben keine Chance auf medizinische Grundversorgung und fast 18 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. Das ist der Nährboden für drei Cholera-Wellen in den letzten drei Jahren. Schon über eine Million Menschen sind daran seit 2016 erkrankt und über 2.000 bereits gestorben.

    Das Leben der Armen ist billig

    Aber warum machen all diese menschlichen Katastrophen – von denen die meisten von den wohlhabenden imperialistischen Staaten verursacht werden – in den europäischen Zeitungen keine Schlagzeilen? Warum gibt es in den Medien keinen Aufschrei wegen dieser unterernährten Millionen von Kindern? Wieso wird kein Notstand erklärt?

    Es ist klar, warum: Weil das Leben der armen und unterdrückten Klasse eben billig und wertlos ist für die herrschende Klasse. Und das heißt gleichzeitig, dass die Gesundheitsfrage immer auch eine Klassenfrage ist. Von einem solchen System sollten wir keine Gerechtigkeit und keine ordentliche Krankenversorgung für alle Menschen erwarten.

    • Perspektive-Autorin seit 2018 und geflüchtete kurdische Journalistin. Schwerpunkte sind Rassismus, Frauenkämpfe und Internationalismus.

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