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    Sport oder Kommerz? Investoren und Verbände im Kampf gegen kritische Fußballfans

    Spätestens seit dem letzten Spieltag in der Bundesliga gibt es für Fußballfans und Sportmedien nur noch ein Thema: Der Konflikt zwischen den Fangruppen der „Ultras“ einerseits, und dem Deutschen Fußballbund (DFB) und Dietmar Hopp andererseits. Die allgemeine Wahrnehmung scheint klar: Dietmar Hopp tut „Gutes“ für den Fußball und die Ultras sind nur Chaoten, die sich selbst profilieren möchten. Doch was steckt wirklich hinter der ganzen Auseinandersetzung? – Ein Kommentar von Felix Lucarelli

    Dietmar Hopp ist – als Mitbegründer der deutschen Software Firma SAP – Milliardär. Seit 1990 unterstützt Dietmar Hopp den zum damaligen Zeitpunkt unbedeutenden Kreisligaverein TSG 1899 Hoffenheim, der dank der finanziellen Unterstützung seit 2008 in der ersten Bundesliga spielt.

    Eine zentrale Kritik ist die entstehende Chancenungleichheit durch das finanzielle Engagement. Andere „Traditionsvereine“ können sich nämlich ohne außenstehende Investoren kaum noch im Profigeschäft halten, früher bedeutende Vereine spielen mittlerweile in der 3.Liga oder noch tiefer. Ein Grund dafür sind Projekte wie das von Dietmar Hopp. Das Finanzielle steht hier an erster Stelle und rückt die sportlichen Leistungen in den Hintergrund, so der Vorwurf der Fanszene.

    Hopp kontrolliert TSG Hoffenheim durch Schlupflöcher

    Ein weiterer Vorwurf ist in diesem Kontext der Verstoß gegen die „50+1“ Regel. Diese Regel besagt, dass mindestens 51% eines Vereins seinen Mitgliedern gehören müssen. Ein sinnvoller Schutz gegen eine übermäßige Kommerzialisierung des Fußballs.

    Es gibt allerdings Ausnahmen und Schlupflöcher, durch die Hopp diese Regel umgehen konnte und nun 94% Anteile an der TSG Hoffenheim besitzt und somit die Entscheidungen im Verein mehr oder weniger alleine treffen kann.

    Die aktiven Fan- und Ultraszenen in Deutschland kritisieren seit Jahren die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs durch Vereine und Verbände, zum Beispiel Investoren, aber auch steigende Ticketpreise, übertriebene mediale Vermarktung und immer neue Anstoßzeiten. All das hat eine Profitmaximierung durch den Fußball zum Ziel.

    „Durch Fußball entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Das brauchen wir, um uns zu organisieren!“

    Warum ist das Thema gerade so aktuell?

    Nachdem die Dortmunder Ultras über mehrere Jahre beleidigende Transparente gegen Dietmar Hopp bei Auswärtsspielen in Hoffenheim gezeigt hatten, hat der DFB die Dortmunder Fans für drei Jahre gesperrt. In den nächsten drei Jahren wird der Gästeblock bei Dortmunder Auswärtsspielen in Hoffenheim leer bleiben. Dies geschieht entgegen dem 2017 vom DFB gemachten Versprechen, keine Kollektivstrafen mehr auszusprechen.

    Als Reaktion darauf haben zunächst die Gladbacher Ultras bei ihrem Heimspiel gegen Hoffenheim ein Transparent mit der Aufschrift „Hurensöhne (=Dortmunder Ultras) beleidigen einen Hurensohn (=Dietmar Hopp) und werden von Hurensöhnen (=DFB) bestraft!“ gezeigt. Dazu war ein Bild von Hopp in einem Fadenkreuz zu sehen. Die Aktion kann als Solidarisierung mit den Dortmunder Fans und als Kritik am DFB gewertet werden.

    Als Reaktion darauf wurde das Spiel unterbrochen, bis die Plakate aus der Fankurve verschwunden waren. Es wurde sogar mit einem Spielabbruch gedroht. Der Gladbacher Geschäftsführer Max Eberl zog im Anschluss Parallelen zu dem faschistischen Terroranschlag von Hanau.

    “Protest-Fußball” in Hoffenheim

    In der Woche danach spielte Bayern München auswärts in Hoffenheim und zeigte Banner mit der Aufschrift: „Alles bleibt beim alten: Der DFB bricht sein Wort, Hopp bleibt ein Hurensohn!“. Das Spiel wurde ebenfalls unterbrochen. Nach einem zweiten Plakat und erneuter Unterbrechung entschieden sich die Spieler, die letzten Minuten des Spiels (beim Stand von 6:0 für die Bayern) nicht mehr gegeneinander zu spielen, sondern sich aus Protest gegen die Banner nur noch den Ball hin und her zu schieben.

    Am selben Spieltag gab es in vielen weiteren Stadien Plakate und Banner zu diesem Thema, wegen derer jedes Mal das Spiel unterbrochen wurde. Neben weiteren beleidigenden Transparenten zeigten zum Beispiel die Dortmunder Ultras ein Banner mit der Aufschrift: „Wer die Opfer von Hanau missbraucht um die Fankurven mundtot zu machen, beweist mehr Anstandslosigkeit als jedes Fadenkreuz“, als direkte Kritik an Max Eberl und DFB-Vertretern.

    Bei den St.Pauli-Ultras stand „Rassismus? Sexismus? Homophobie? Scheissegal! Für den modernen Fußball seid ihr da!“, als Kritik an der Tatenlosigkeit des DFB bei andauernder rassistischer, sexistischer und homophober Diskriminierung in deutschen Stadien und der stückweisen Kommerzialisierung des Fußballs.

    Ultras müssen das Stadion nutzen

    Dass die immer wiederkehrende Beleidigung „Hurensohn“ sexistisch ist und genauso auch Hopps Gesicht im Fadenkreuz kritisch zu betrachten ist, sollte klar sein. Man kann darüber streiten, ob dies zu rechtfertigen ist.

    Klar ist aber auch, dass Ultras, wenn sie sich mit dem DFB und milliardenschweren Investoren anlegen wollen, Übertreibungen und Grenzüberschreitungen nutzen müssen. Der einzige Raum, in dem Fans und Ultras öffentlichkeitswirksam auf ein Thema aufmerksam machen können, ist das Stadion. Sie haben nicht die Möglichkeit, nach jedem Spiel für zig Kameras Interviews zu geben und in jeder Talkshow über ihre Belange zu sprechen.

    Im Stadion auf einem Spruchband kann man nur wenige Worte präsentieren, die reichen müssen, um auf ein Thema aufmerksam zu machen – das gelingt durch Zuspitzung und Übertreibung und teilweise eben auch Beleidigung. Zusätzlich veröffentlichen die meisten Ultragruppen Stellungnahmen auf ihren Homepages, die von den Medien komplett ignoriert werden.

    Doppelmoral des DFB

    Auffällig ist, dass der DFB sehr verschieden an Probleme herangeht: Während die Beleidigung eines einzelnen Milliardärs zu Zuschauerausschlüssen führt und mit Spielabbrüchen gedroht wird, sind Rassismus und besonders Sexismus vom Amateurbereich bis zur Bundesliga an der Tagesordnung, ohne dass der DFB wirksam dagegen vorgeht. Die Diskriminierung ganzer gesellschaftlicher Gruppen wird weniger beachtet als Beleidigungen gegen eine Einzelperson.

    Wie es weitergeht, bleibt abzuwarten. Die Ultras werden sich vermutlich nicht einschüchtern lassen und der DFB wird nicht aufhören (Kollektiv-)Strafen auszusprechen. Der Kampf beider Parteien wird wahrscheinlich so bald kein Ende nehmen.

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