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Donnerstag, März 28, 2024
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    Logik der Corona-Beschlüsse: malochen, shoppen, beten

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    Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten haben gestern neue massive Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens beschlossen. Vieles erscheint unlogisch, dabei ist die politische Linie dahinter klar: alles, was der „Wirtschaft“ und damit dem Profit der Reichen schadet, wird umgangen, alles, was das Leben im Kapitalismus jenseits der Maloche lebenswert macht, wird eingeschränkt. – Ein Kommentar von Tim Losowski

    Ab kommenden Montag dürfen Kinder morgens mit ihren Klassenkamerad:innen auf dem Schulhof spielen, aber Nachmittags nur noch mit einem Kumpel Geburtstag feiern. Oder Fleischerei-Arbeiter:innen mit ihren Kolleg:innen eng an eng stehen, aber abends kein Bier mehr trinken gehen. Auf der Arbeit oder in der Schule ist man nicht ansteckend, aber später schon?

    Viele fragen sich bei den neuen Corona-Maßnahmen schlicht: Wo bleibt denn da die Logik? Aber tatsächlich gibt es eine klare Logik! Die hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Pressekonferenz gestern offen verkündet:

    „Wir haben versucht an die politischen Prioritäten zu denken. Und eine dieser politischen Prioritäten war, dass wir natürlich das Wirtschaftsleben soweit wie möglich in Takt halten wollen und zum zweiten – dass wir alles daran setzten wollen, Schulen und Kitas offen zu halten.“

    Alles für „die Wirtschaft“

    Erste Priorität ist also „das Wirtschaftsleben“. Markus Söder (CSU) erklärte dies so: „Der Einzelhandel bleibt offen, der Großhandel bleibt offen, keine Bänder stehen irgendwo still.“ Für die Politik ist klar: wir Arbeiter:innen sollen shoppen – und malochen. Das Einzige, wofür offenbar nach Ansicht dieser Herrschaften die Menschen im Kapitalismus gut sind. Denn wo käme man denn hin, wenn die Großveranstaltungen mit dem Namen „Lohnarbeit“ in Betrieben mit mehreren tausend Kolleg:innen abgesagt würden?!

    Merkel erklärte, dass bei 75% der Infektionen nicht mehr nachzuvollziehen sei, woher diese kämen. Dabei sind aus der Vergangenheit die Reihe an Ausbrüchen beispielsweise in Schlachtbetrieben, bei Amazon und in vielen weiteren Betrieben hinlänglich bekannt.

    Doch wenn es um die Profite der großen Konzerne in diesem Land geht, wollen die Länder-Chef:innen nicht ran. Da macht man lieber die Kultur- und Gastro-Branche zu. Denn die Gastro erwirtschaftet gerade mal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Kultur- und Kreativwirtschaft etwa 3 Prozent. Will die deutsche Wirtschaft also im internationalen Wettbewerb bestehen, dann fällt die Entscheidung klar zu ungunsten dieser Branchen aus. Ganz egal, ob in vielen Bereichen dort hervorragende Hygienekonzepte ausgearbeitet wurden.

    Merkel hat es gesagt: Die Kontakte sollen um 75% reduziert werden. Da muss man eben irgendwo die Axt anlegen, auch wenn es unlogisch ist. NRW-Ministerpräsident Laschet brachte diese absurde Rechnung auf den Punkt: „Es ist nicht das Ziel die Hygienebedingungen einzuhalten, sondern die Kontakte zu reduzieren“ – aber für Laschet eben dort, wo kein Profit entsteht.

    Und für Herrn Söder fallen auch die Orte raus, an denen man auf den Heilsbringer hoffen darf. So bleiben Gottesdienste weiter erlaubt, obwohl auch dort Infektionsausbrüche bekannt wurden. Malochen, schoppen, beten – das ist die Linie dieser Politik.

    Schulen und Kitas offen halten – aus Menschenliebe?

    Neben den Betrieben sollen auch Kitas und Schulen offen bleiben. Der Berliner Bürgermeister und Chef der Ministerpräsidentenkonferenz, Michael Müller, erklärte dazu, dass Schulschließungen eben “dramatische soziale Folgen“ hätten. „Es sind Gewaltübergriffe gegen Frauen und Kinder in einer dramatischen Zahl nach oben gegangen“, so Müller bezüglich der vergangenen Schulschließungen.

    Und tatsächlich sind das wichtige Gründe dafür, die Schulen offen zu halten. Doch wir sollten der Regierung ihre nach vorne getragene Menschenliebe nicht abkaufen. Noch immer fehlen 14.600 Plätze von eigentlich notwendigen 21.400 Plätzen in Frauenhäusern.

    Und wenn ihr so viel an den Schüler:innen liegen würde, dann würde sie jetzt in Luftfiltermaschinen investieren, welche die Virenlast in den Klassenzimmern reduzieren und den Schüler:innen ermöglichen würden, ohne Schal und Maske in der Schule zu sitzen. Aber da würde man dann ja eine Milliarde in Sinnvolles investieren…

    Der Hauptgrund, die Schulen offen zu halten, ist, dass ansonsten die Eltern nicht zur Arbeit gehen könnten, weil sie auf ihre Kinder aufpassen müssten. Auch hier ist also die Priorität Nr. 1 angesagt: Schutz der Profite.

    All das zeigt: Diesen Politiker:innen geht es nicht um den Schutz unserer Gesundheit. Es geht ihnen darum, dass die Arbeitskräfte noch weiterarbeiten können. Dafür müssen wir eben auch zumindest irgendwie gesund sein und unsere Kinder in der Schule bleiben.

    Kritik – aber richtig!

    Kritik an den Corona-Maßnahmen ist wegen alldem notwendig, aber sie muss aus der richtigen Richtung kommen!

    Es macht wenig Sinn, die Pandemie wegzudiskutieren, denn tatsächlich kann man in vielen Nachbarländern sehen, was passiert, wenn diese außer Kontrolle gerät.

    Unsere Aufgabe ist es vielmehr, bei unseren Nachbar:innen, in der Familie, unter unseren Kolleg:innen genau diese innere Logik der Maßnahmen aufzuzeigen, die das goldene Kalb des Kapitalismus, den Profit in den Mittelpunkt steht.

    Umgekehrt folgt daraus: eine Pandemiebekämpfung im Sinne der Menschen kann es erst geben, wenn das System der Profitmaximierung überwunden ist. Bis dahin müssen wir für unsere Interessen ganz konkret kämpfen, als Arbeiter:innen, Landwirte oder Solo-Selbstständige. Damit die Krise nicht auf unserem Rücken ausgetragen wird.

    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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