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Donnerstag, April 25, 2024
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    Den Rechten nicht das Feld überlassen!

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    Am Mittwoch wurde das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ von Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident Steinmeier beschlossen. Es beinhaltet eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes und verleiht Grundrechtseinschränkungen und Corona-Maßnahmen eine rechtliche Grundlage. Rechte und Corona-Leugner:innen hatten erneut Tausende vor den Reichstag mobilisiert. – Ein Kommentar von Julius Strupp

    Was wurde beschlossen?

    Das neue Gesetz ändert an der täglichen Lebensrealität der Arbeiter:innen in Deutschland erst einmal wenig bis gar nichts. Die geltenden Corona-Auflagen wie Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht und das Zusammenstreichen des gesamten Freizeitbereichs bleiben bestehen. Ziel der im Schnellverfahren beschlossenen Regelungen ist es vielmehr, diesen inzwischen gängigen und weiteren zukünftigen Maßnahmen eine gesetzliche Grundlage zu geben. Zuvor waren mehrere Verordnungen nämlich vom Bundesverfassungsgericht mit der Begründung kassiert worden, dass ihnen die gesetzliche Grundlage fehle.

    Bereits zu Beginn der Pandemie im Frühjahr waren das Infektionsschutzgesetz erneuert und der Bundesgesundheitsminister mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet worden.
    Nun wurde der neue Paragraf 28a eingefügt, der Maßnahmen festlegt, die von Landesregierungen und anderen zuständigen Stellen des Staates zur Eindämmung der Corona-Pandemie genutzt werden können. Dazu zählen: Abstandsregelungen und Maskenpflichten, Kontaktverbote und -beschränkungen sowie Ausgangssperren, das Verbot von Übernachtungsangeboten, Sport- und Freizeitveranstaltungen und das Schließen von Geschäften inkl. Gastronomie.

    Außerdem wurden Regelungen zu Verdienstausfällen ergriffen. Hat man sein Kind aufgrund der Corona-Pandemie betreuen müssen, werden diese übernommen. Wenn man ohne Notwendigkeit in ein Risikogebiet gereist ist, jedoch nicht – und das, obwohl die Bundesregierung selbst die Weichen für diese Möglichkeit gestellt hatte.

    Nachdem die Polizei wiederholt in Restaurants hinterlegte Kontaktdaten für Ermittlungen genutzt hatte, legt das Gesetz nun eine Löschung dieser Daten nach vier Wochen und eine Zweckgebundenheit an die Kontaktverfolgung bei der Eindämmung des Coronavirus’ fest – wobei abzuwarten bleibt, wie gut sich der Staat hier an die eigenen Regeln hält.

    Demonstrationen sollen nach dem neuen Gesetz auch verboten werden dürfen, wenn ohne dieses Verbot keine Eindämmung der Pandemie zu gewährleisten sei.  Es ist davon auszugehen, dass die Behörden bei der Auslegung dieser Regelung ein hohes Maß an Kreativität beweisen werden.

    Ein neues Ermächtigungsgesetz?

    Als das Gesetz am Mittwoch in Berlin debattiert und beschlossen wurde, mobilisierten Faschist:innen und Corona-Leugner:innen erneut tausende Menschen. Gegen diese fuhr die Polizei sogar Wasserwerfer auf. Eines ihrer Argumente der Protestierenden: Die Bundesregierung beschließe ein neues „Ermächtigungsgesetz“. In der Geschichte des Faschismus war das „Ermächtigungsgesetz“ ein im März 1933 im Reichstag beschlossenes Gesetz, das die Selbstauflösung des Parlaments und einen entscheidenden Schritt in der Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland bedeutet hatte. Es ist zynisch, diesen Vorwurf heute wieder von jenen zu hören, die sich nichts anderes als den Faschismus oder das Kaiserreich zurückwünschen.

    Nichtsdestotrotz dürfen wir uns nicht automatisch auf die Seite der Regierung stellen, weil die Faschist:innen gegen das neue Infektionsschutzgesetz sind. Sie verfolgen damit ja lediglich den Plan, jene Teile der Bevölkerung für sich zu gewinnen, die nicht vom kapitalistischen Krisenmanagement in der BRD profitieren. Wir hingegen müssen diesem Krisenmanagement und der Ausweitung der Befugnisse des deutschen Staates weiterhin kritisch gegenüber stehen.

    Was tun?

    Wenn die Regierung wieder einmal Gesetze verabschiedet, die ihre Machtbefugnisse ausweiten, dürfte es eigentlich nicht zur Debatte stehen, dass wir als Antikapitalist:innen dagegen sind. Dass es dem Staat nämlich nicht um einen wirklichen Schutz unserer Gesundheit geht, erleben wir tagtäglich. Egal, ob wir dicht an dicht für den Profit des Chefs oder der Cefin schuften oder in der Schule sitzen und büffeln müssen – die Bundesregierung schert sich einen feuchten Kehricht darum. Ihr geht es darum, den weiteren reibungslosen Ablauf der Wirtschaft und ihre spätere Versorgung mit neuen Arbeiter:innen zu garantieren. Hauptsache ist – auch in Pandemie-Zeiten -, dass die deutschen Monopole weiter Maximalprofite scheffeln können.

    Vielmehr wird die Bundesregierung neu gewonnene Kompetenzen nutzen, um unsere Freiheitsrechte nachhaltig einzuschränken. Gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise, die für Millionen von Menschen den Verlust der Existenz bedeutet, ist die Einengung legaler politischer Spielräume ein wichtiges Mittel, um antikapitalistische Widerstandspotentiale klein zu halten. Deshalb können wir uns auch nicht auf Debatten um eine Einschränkung des Versammlungsrechts einlassen. Natürlich halten die Corona-Leugner:innen auf ihren Versammlungen die Hygienemaßnahmen nicht ein. Aber Verschärfungen der Sicherheitsgesetze und des Versammlungsrechts werden uns als Antikapitalist:innen tausend Mal härter treffen als die Faschist:innen.

    Unsere Antwort auf das kapitalistische Krisenmanagement kann daher nur ein gemeinsamer Kampf für bessere Gesundheitsvorkehrungen in Betrieb und Schule und gegen die Einschränkung unserer Freiheitsrechte sein! Im Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf unseren Rücken dürfen wir nicht in Staatsgläubigkeit verfallen und den Rechten das Feld überlassen!

    • Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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