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Donnerstag, März 28, 2024
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    Hunde, die bellen, beißen auch!

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    Seit einigen Wochen wird in der deutschen Öffentlichkeit, wie auch im Bundestag, über die faschistischen türkischen „Grauen Wölfe“ debattiert. Ein Kommentar warum diese nicht verboten werden und warum dies auch kaum etwas bringen würde von Emanuel Checkerdemian

    Nachdem der französische Lehrer Samuel Paty von Islamisten enthauptet wurde, weil er Mohammed Karikaturen im Schulunterricht zeigte, kündigte Paris, als unmittelbare Folge darauf, an, die „Grauen Wölfe“ verbieten zu wollen. Am 4. November erließ Staatspräsident Macron dann ein Dekret, welche die Ankündigungen Realität werden ließen.

    Auch die Bundesrepublik Deutschland zog nach und verhandelte im Bundestag drei Anträge der unterschiedlichen Fraktionen. Zu einem tatsächlichen Verbot wird es hier jedoch höchstwahrscheinlich nicht kommen. Nicht zuletzt, weil der angenommene Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen ein tatsächliches Handeln gegen die „Ülkücü Bewegung“ von vornherein konterkariert.

    Eine lange Geschichte des Faschismus

    Die Geschichte der faschistischen „Grauen Wölfe“ nimmt ihren Beginn im antisowjetischen Kampf des Westens und allen voran der USA. 1969 wurde sie mit Unterstützung der CIA gegründet, um eine paramilitärische Gegenmacht aufzubauen, für den Fall einer sowjetischen Invasion. Die angedachte Rolle ähnelte also denen anderer europäischer „Stay behind Organisationen“, wie der italienischen Gladio.

    Dabei stell(t)en die Bozkurtçular (Graue Wölfe) den terroristischen und paramilitärischen Arm der ebenfalls 1969 gegründeten MHP dar, die heute gemeinsam mit Erdogans AKP in der Regierung sitzt. Ihre Ideologie beruht auf dem Willen der Schaffung eines Großtürkischen Reichs – Turan – welches ethnisch homogen sein müsse und sich vom Balkan bis nach China erstrecken soll.

    Und auch ohne sowjetische Invasionsbemühungen wurde die antikommunistische und faschistische Mörderbande den „Erwartungen gerecht“. So war sie verantwortlich für den Terror gegen die erstarkende türkische Linke, für die Pogrome von Kahramanmaraş und Çorum an den Alevit:innen in den späten 1970iger und frühen 1980iger Jahren, sowie für antiarmenische Anschläge, wie im französischen Alfortville, 1984. Auch das Attentat auf den damaligen Papst Johannes Paul II. wurde von einem Mitglied der „Grauen Wölfe“, Ali Ağca, durchgeführt. Bereits 1980 stellten türkische Behörden fest, dass rund 700 Morde auf das Konto der Bozkurtçular gehen.

    Auch im Kampf gegen die armenische ASALA und die kurdische PKK wurde die faschistische Organisation an vorderster Front eingesetzt. Dabei tat auch der Militärputsch von 1980 den Aktivitäten der “Grauen Wölfe” keinen Abbruch. So konnten deren Anhänger immernoch eine große Karriere im Militär anstreben und/oder sich im Untergrund organisieren. 1992 wurde die MHP und mit ihr die Bozkurtçular wieder ganz offiziell legalisiert.

    Weitere Schandtaten auf dem Boden der Türkischen Republik zogen sich durch die folgenden Jahrzehnte. Beispielhaft sei hier nur der Mord an Hrant Dink genannt. Dieser machte sich, nicht nur nach Ansicht der “Grauen Wölfe”, sondern auch im Sinne des türkischen Rechts, strafbar der “Beledigung des Türkentums”. Er benannte den Völkermord an den Armenier:innen als solchen. Am 19. Januar 2007 wurde er deshalb auf offener Straße in Istanbul von einem Mitglied dieser faschistischen Organisation hingerichtet.

    Wölfe heulen auch im Exil

    Doch auch in Europa kann eine deutliche Zunahme der Aktivitäten der Bozkurtçular beobachtet werden. Dabei liegen die Schwerpunkte vor allem auf Deutschland, Österreich und Frankreich. In allen genannten Ländern liegt eine zweischneidige Taktik vor. So lassen sich einerseits ganz legalistische Vereinsstrukturen erkennen, die mit anderen türkischen Vereinen wie DITIB korellieren. Mit dem Machtgewinn der MHP und ihrer Koalition mit der AKP finden die türkischen Faschist:innen auch in der deutsch-türkischen Community immer merh Anerkennung. Bauen einen Einfluss auf selbige auf, der so keiner anderen “Bewegung” gelingt. Dabei sind vor allem die drei Dachorganisationen in Deutschland „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.” (ADÜTDF), “Türkisch-Islamische Union in Europa” (ATIB) und der “Verband der türkischen Kulturvereine in Europa” (ATB) federführend.

    Diese organisieren vor allem die ideologische Arbeit, die Anwerbung von Jugendlichen etc. Sie sind durchaus daran interessiert in anderen Organisationen Fuß zu fassen. So stellt die ATIB beispielsweise den Vizevorsitzenden des Zentralrats der Muslime.

    Doch auch konspirativere Anätze lassen sich unter dem Dach der “Ülkücü Bewegung” deutlich erkennen. So nehmen deren Anhänger:innen teilweise geheimdienstliche Aufgaben war, bespitzeln und verraten regierungskritische und oppositionelle Türk:innen, sorgen für Einschüchterungen politischer Gegner:innen oder gehen mit erheblicher Gewalt gegen die ausgemachten “Feinde” vor.

    So verübten Mitglieder des “Graue Wölfe” nahen Rockerclubs “Osmanen Germania” 2016 einen Anschlag mit einer Handgranate auf eine kurdische Shisha-Bar in Saarbrücken. Im Mai 2020 schlugen türkische Faschisten den 41-Jährigen Kurden Ibrahim Demir in Dortmund tot. In Wien attackierten im Juni hunderte Bozkurtçular linke Aktivist:innen und Häuser, nachdem eine Demonstration gegen den türkischen Angriffskrieg auf Kurdistan stattfand. Mit dem Ausbruch des aserbaidschanisch-armenischen Krieges marschierten zahllose türkische Jugendliche durch Lyon, Brüssel und andere europäische Städte um Jagd auf Armenier:innen zu machen. Zuletzt bekamen armenische Familien in Deutschland Drohschreiben, die mit “Graue Wölfe” unterschrieben waren.

    Mit dem Vereinsrecht kommt man dem Faschismus nicht bei!

    Die zu Beginn angeschnittene Debatte im Bundestag, welche in einem angenommenen Antrag der bürgerlichen Parteien endete, unternimmt keinerlei tatsächliche Versuche dem Problem des türkischen Faschismus Herr zu werden.

    Man möchte lediglich eine „fortlaufende Beobachtung der Aktivitäten der Ülkücü Bewegung“ durch den Verfassungsschutz, welche ja laut dem selben Antrag ohnehin stattfindet, um in einer nicht näher genannten Zukunft Betätigungsverbote gegen die „Vereine der Ülkücü Bewegung“ in Erwägung zu ziehen. Als Kirsche auf der Sahne soll über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ eine Informationskampagne organisiert werden.

    Die Fehlerhaftigkeit dieser Methoden zeigt sich auch im analytischen Teil des Antrags. Weder wird hier die ATB als wichtige Akteurin genannt, noch der Einfluss der „Ülkücü Bewegung“ auf türkische Kultur-, Eltern- und Fußballvereine, Jugendgruppen oder Moscheen. Zwar behauptet man, dass die Ideologie der Bozkurtçular nicht mit dem “Gedanken der Völkerverständigung” vereinbar sei, benennt aber nicht deren faschistische Ideologie.

    Es bleibt zu resümieren, dass sich die Antragsteller:innen der bürgerlichen Parteien nur im Handeln der französischen Politik suhlen, aber nicht weiter an tatsächlichen Handlungen interessiert sind. Keinerlei Problembewusstsein lässt sich erkennen, keine tatsächlichen Handlungen zur Zerschlagung der türkischen faschistischen Organisationen werden aufgeführt. Das ist ein genauso inhaltsleeres Gewäsch, wie die Armenien Resolution von 2016, deren einzig nennenswerte Folge es war, dass die deutsch Politik ihren türkischen Kameraden, wie seit 1915, beim Abschlachten ganzer Völker zuschauen, sie materiell unterstützen und sich in absurder Weise von ihnen erpressen lassen, damit Geflüchtete gefälligst woanders als an europäischen Urlaubsstränden verrecken.

    Der weit fortschrittlichere Antrag der Linkspartei, der all jene Punkte aufgreift, sich für ein Betätigungsverbot der “in der Türkei verbandlich organisierten `Grauen Wölfe´” einsetzt, das Verbot von ADÜTDF, ATIB und ATB fordert und zudem ein Verbot der Kennzeichen der “Ülkücü Bewegung” verlangt (inklusive Woflsgruß), wurde indes abgelehnt.

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