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Donnerstag, April 25, 2024
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    China: Xi Jinping gegen die Superreichen?

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    Seit Ende Oktober scheint Chinas reichster Kapitalist, Jack Ma, „verschwunden“ zu sein. In den Medien wurde über dessen Verhaftung und die Gründe für das „Verschwinden“ spekuliert. Und in der Tat gibt es einen Konflikt zwischen Jack Ma als Vertreter der chinesischen Superreichen und Xi Jinping als Vertreter des chinesischen Staates. – Ein Kommentar von Pa Shan.

    Mit einem Privatvermögen von 60 Milliarden US-Dollar dürfte Ma einer der reichsten und mächtigsten Menschen des Planeten sein. „Verdient“ haben dies die über einhunderttausend Arbeiter:innen des “Alibaba”-Konzerns, des Bezahldienstes “Alipay” und der “Ant Group”, die Jack Ma mitbegründet und geführt hat.

    Platz 2 der Superreichen Chinas belegte mit 57 Milliarden Ma Huateng, der Gründer von “Tencent”, zu der die beiden Chat-Apps “QQ” und “WeChat” gehören. Auf Platz 3 befand sich zuletzt noch Zhong Shanshan, der Gründer der Getränkefirma “Nongfu Spring” mit knapp 54 Milliarden.

    Jack Ma führte bis zuletzt die Liste der mittlerweile 878 chinesischen Milliardäre an. Das Gesamtvolumen ihrer Vermögen beträgt geschätzte 4 Billionen US-Dollar. Die Pandemie hat ihrem Vermögen nicht geschadet, sondern ihren Reichtum sogar noch gesteigert: Laut Forbes sollen allein im Jahr 2020 bereits 68 Chines:innen den Milliardärsstatus neu erreicht haben.

    Auch im Vergleich zu den Superreichen der USA konnten die chinesischen Kapitalist:innen auftrumpfen: Die 400 reichsten Chines:innen konnten das Gesamtvolumen ihres Vermögens auf 2,11 Billionen US-Dollar erhöhen. Ein Jahr zuvor waren es noch 1,29 Billionen. Damit übersteigt das Vermögenswachstum der 400 reichsten Chines:innen den Anstieg der amerikanischen „Forbes 400“. Während die 400 reichsten Amerikaner:innen „nur“ 240 Milliarden dazugewonnen haben, konnten die 400 reichsten Chines:innen 820 Milliarden US-Dollar dazugewinnen.

    Jack Ma gegen Xi Jinping

    Jahrelang wurden Jack Ma und die anderen Milliardär:innen glorifiziert und zu Vorbildern ernannt. Nun aber scheint es ihnen an den Kragen zu gehen: Jack Mas Heldenstatus wird ebenso in Frage gestellt wie sein Vermögen. In der Öffentlichkeit wird er mittlerweile als „bösartiger Kapitalist“ und als „Blutsauger“ bezeichnet.

    Das ist kein Zufall. Die chinesische Zentralregierung erklärte kürzlich, sie leite Untersuchungen gegen die monopolistischen Aktivitäten von Alibaba ein. Zumindest auch die Ant Group, Tencent und Meituan würden „überprüft“.

    Einige sehen darin die Vorbereitung von Verstaatlichungen bzw. Zerschlagungen von Monopolisten. Staatspräsident Xi Jinping und Vize-Präsident Wang Qishan hatten bereits im Oktober angekündigt, die Wirtschaft des Landes größerer staatlicher Kontrolle unterwerfen zu wollen.

    Jack Ma forderte in einer Rede hingegen eine Reform des staatlich regulierten Finanzsystems, das Innovation hemme und nicht mehr zeitgemäß sei. Xi Jinping und die Staatsführung mussten das als Herausforderung ihrer Autorität betrachten.

    Aber mit Xi Jinping und der Partei legt man sich nicht an. Zwar betrug sein offizielles monatliches Einkommen als Staatspräsident der Volksrepublik Chinas zuletzt nur ca. 1.700 US-Dollar. Dennoch ist Xi als Generalsekretär der KP Chinas, als Staatspräsident des Landes und als Vorsitzender der Zentralen Militärkommission weitaus mächtiger als Jack Ma. Und da die beiden Männer im Konflikt stehen, muss Ma mit dem Schlimmsten rechnen.

    Bereits mehrfach hat Xi Jinping mächtige Gegenspieler aus dem Weg geräumt. Dazu gehört nicht nur Bo Xilai, der ehemalige Parteichef der Riesenstadt Chongqing, der als Rivale Xi Jinpings im Jahr 2012 entmachtet und wegen Korruption zu mehrjähriger Haft verurteilt wurde; auch gehörten etliche Milliardäre und Würdenträger:innen zu den Opfern der “Antikorruptionskampagne” Xi Jinpings.

    Nun soll auch Jack Ma verschwunden sein, wobei man davon ausgehen kann, dass er sich schlicht bedeckt hält. Die chinesische Volkszeitung, das Sprachrohr der KP Chinas, erklärte bereits 2019: „Es gibt keine Ära des Jack Ma, sondern nur einen Jack Ma in der heutigen Ära“. Damals ließ man den eingebildeten Milliardär, der sogar mit sich selbst in der Hauptrolle einen Kung Fu-Film drehen ließ, noch in Ruhe. Ende 2020 machte man ihm nach seiner Rede jedoch eine Ansage. 2021 kommt nicht viel Gutes auf ihn zu.

    Was steckt dahinter?

    Jack Ma könnte aus verschiedenen Gründen gefährlich werden: Allein Alipay, Jack Mas Bezahl-App fürs Handy, hat monatlich über 1,3 Milliarden Nutzer:innen. Mit deren Nutzungsdaten hat Jack Mas Firma auch Zugang zu Geldtransaktionen der mächtigsten Menschen im Land. Schon in der Vergangenheit wurde z.B. über Reichtümer der Familie des ehemaligen Ministerpräsidenten Wen Jiabao spekuliert. „Familienangehörige des Premierministers sollen über Vermögenswerte im Wert von 2,1 Milliarden Euro verfügen“, schrieb der Tagesspiegel.

    Abgesehen von den möglicherweise gefährlichen Informationen, die Internet-Giganten wie Alibaba, Ant und Tencent über die politischen Eliten sammeln, sind finanzmarktpolitische und stabilitätspolitische Gründe ausschlaggebend: Jack Mas Expansion im Finanzsektor könnte in Zukunft die Stabilität des Landes gefährden, da seine hochriskanten Kreditgeschäfte fatale Auswirkungen haben könnten.

    Der Staat ist seit Jahren bemüht, mit Gesetzen und Regeln zwischen den verschiedenen Kapitalfraktionen im Land einen Ausgleich zu bewahren. Eine Übermacht bestimmter Fraktionen kann hingegen die Entwicklung Chinas von einem Land mittleren Einkommens in ein Land mit hohen Einkommen und globaler Führung in der Technologieführerschaft verhindern. Die Staatsführung will dieses Ziel bis 2025 erreichen. Und ihr rennt die Zeit davon, wie einige Analyst:innen immer wieder betonen.

    Und nicht zuletzt wären die unterstellten monopolistischen Praktiken von Jack Ma und anderen Superreichen schlicht und einfach illegal.

    Kampagne gegen „bösartige Kapitalist:innen“?

    Einige Beobachter:innen glauben, in all dem eine antikapitalistische Politik entdecken zu können. Dies ist ein Trugschluss. Die Antikorruptionskampagne hat zwar Gegner:innen der Parteiführung aus dem Weg geräumt und in der Tat korrupte Verbrecher:innen getroffen. Aber das macht China nicht „antikapitalistisch“.

    Die bevorstehende Beschränkung der Macht Jack Mas und seine mögliche Entmachtung sollte nicht mit revolutionärer Politik verwechselt werden. Die kommende Reform sollte eher als ein pragmatischer Schritt der chinesischen Staatsführung begriffen werden, um wirtschaftliche und politische Stabilität zu gewährleisten. Eine Reform der Eigentumsverhältnisse und staatlichen Befugnisse zur Kontrolle von Monopolisten dürfte ausreichen.

    Vielleicht wird es sogar eine Kampagne gegen „bösartige Kapitalist:innen“ geben, aber sie wird nicht die kapitalistische Klasse abschaffen, sondern nur ihre Konkurrenz, und wird deren Verhältnis zum chinesischen Staat neu regeln. Darum geht es Xi Jinping, wenn er „Blutsauger“ wie Jack Ma entmachtet.

    • Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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