Der Arbeiter und sozialistische Aktivist Gökhan Güneş wurde am 20. Januar in Istanbul von der türkischen Polizei verhaftet und ist seitdem verschwunden. Seine Familie berichtet von Bedrohungen durch die Polizei und spricht von einer politisch motivierten Entführung.
Als Gökhan Güneş am 20. Januar in Istanbul vor seiner Arbeitsstelle aus dem Bus stieg, umzingelten ihn 4-5 Personen und zwangen ihn, in ein Auto einzusteigen. Diese Szenen wurden durch Videos einer Überwachungskamera festgehalten. Seitdem fehlt von Gökhan Güneş jede Spur.
Die Familie und die Anwälte von Gökhan Güneş beantragten bei der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei in Istanbul, Auskunft über seinen Aufenthaltsort, seinen Gesundheitszustand und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu bekommen, aber sie bekamen keine Antwort. Die Familie und die Anwälte wurden ohne jegliche Auskunft oder Begründung weggeschickt. Die Polizei weigerte sich zudem, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, um den Aufenthaltsort von Gökhan Güneş herauszufinden.
Als die Videos von seiner Entführung veröffentlicht wurden, rief der Gendarmerie-Geheimdienst den Onkel von Gökhan Güneş an, um ihn zu fragen, ob Gökhan Güneş bei ihm sei, um den Eindruck zu erwecken, dass er nicht bei der Polizei und frei sei. Die Familie hält dies für einen billigen Trick der staatlichen Behörden.
Die Schwester von Gökhan Güneş, Nurhayat Güneş, betont in diesem Zusammenhang, dass die Polizei bereits schon einmal versucht habee, ihren Bruder zu entführen: „Vor 2 Jahren wurde er verhaftet und sie haben uns erst einen Tag später informiert. Es gab bereits Bedrohungen, Belästigungen und er wurde verfolgt. Man hat bereits vorher versucht, ihn zu entführen“, erklärte sie.
Türkischer Staat überzieht sozialistische Organisationen mit Repression
Gökhan Güneş ist Mitglied der „Sozialistischen Partei der Unterdrückten“ (ESP), deren Mitglieder in den vergangenen Monaten Ziel zahlreicher Hausdurchsuchungen und Festnahmen geworden ist. In der Nacht vom 13. auf den 14. Januar begann – hauptsächlich in den drei Städten Istanbul, Izmir und Diyarbakir – eine groß angelegte Polizeioperation gegen mehrere sozialistische Organisationen in der Türkei. Betroffen sind die „Sozialistische Partei der Unterdrückten“ (ESP), die „Sozialistische Föderation der Jugendvereine“ (SGDF), sowie Kulturvereine, die Nachrichtenagentur ETHA (Etkin Haber Ajansı) und die Zeitung Atılım.
Gökhan Güneş Schwester ergänzte: „Er hatte bereits vorher politische Akten. Wir haben auch einen Bruder, der Märtyrer ist. Dies ist eine Politik der Unterdrückung, sie wollen uns einschüchtern.“ Sie erinnerte damit daran, dass ihr anderer Bruder, Sinan Güneş, am 29. April 2020 in Kars bei einem Luftangriff der türkischen Armee ermordet wurde. Sinan Güneş war Mitglied der „Bewaffneten Kräfte der Armen und Unterdrückten“ (FESK) der Marxistischen Leninistischen Kommunistischen Partei Türkei/Kurdistan (MLKP).