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Donnerstag, April 25, 2024
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    Schulstreiks als Antwort auf die fehlenden Schutzmaßnahmen in Saarbrücken

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    Es werde an den saarländischen Schulen im Januar „definitiv keinen Präsenzunterricht mehr geben“ wird Ministerpräsident Tobias Hans am 6. Januar von der Tagesschau zitiert. Einen Tag später ist von diesen Verlautbarungen nichts mehr zu hören. Stattdessen verkündet das Saarland, schon ab dem 11. Januar zu den Schulöffnungen zurückzukehren. In den ersten Schulen wird darauf mit organisierten Schulstreiks geantwortet. – Ein Kommentar von Emanuel Checkerdemian

    Die Kultusministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) erklärt die widersprüchlichen Maßnahmen mit „breiter Unterstützung unserer Schulleitungen“ und verweist auf die Möglichkeiten zur „räumlichen Entzerrung“. Auch aufgrund dieser fadenscheinigen „Gesundheitsmaßnahmen“ wird kein Hybrid- oder Wechselunterricht in Betracht gezogen. Stattdessen geht man den „harten“ Weg der Präsenzpflicht für alle Abschlussjahrgänge. Von Seiten der Schüler:innen und Lehrer:innen kommt dabei massive Kritik und Widerstand!

    Das Saarland als Vorreiter gesundheitsgefährdender Corona-Verwertungspolitik

    Unter dem Vorwand der „guten Bildung“ und „gleichwertiger Schulabschlüsse“ führte das saarländische Bildungsministerium die Ausführungen des eigenen Ministerpräsidenten binnen 24 Stunden ad absurdum. Dabei prescht das Saarland, auch im bundesdeutschen Ländervergleich, ungewöhnlich harsch vor. Auch andere Länder suchen bereits unmittelbar nach Verkündung der weitergehenden Pandemie-Maßnahmen nach Spielräumen, um zumindest Teilöffnungen der Schulen durchzusetzen. In Baden-Württemberg beispielsweise plant man vorläufig, die Grundschulen und Kitas zum 18. Januar wieder zu öffnen, auch Hessen plant einen „beschränkten Regelbetrieb“ mit kleineren Klassen.

    An der Saar hält man sich mit solchen „Schutzkonzepten“ nicht lange auf. So entschloss sich die Koalition aus CDU und SPD in kürzester Zeit, zum Präsenzmodell für Abschlussklassen zurückzukehren und gibt somit nicht einmal vor, irgendeine Strategie zum Gesundheitsschutz der Schüler:innen und Lehrer:innen zu verfolgen. Damit ist das Saarland Vorreiterin der menschenverachtenden Corona-Strategie in der BRD, Vorreiterin der deutschen Verwertungslogik, die den Lockdown des Privaten forciert, während sie den Lockdown des Kapitals und seiner Interessen mit aller Kraft abwehrt.

    Denn nichts anderes als die Erfüllung der Forderung nach „freier“ Wirtschaft ist das Vorgehen der Saarbrücker Regierung. Mit der „schrittweisen Öffnung“ der Schulen, die dann ab dem 18. Januar beginnen soll, werden zudem auch die Abschlussklassen an Fachoberschulen und Fachschulen in die Schule gezwungen. An größeren Standorten würden so über 200 Schüler:innen gleichzeitig beschult. Nicht mitgezählt sind da die Kinder aus den Klassenstufen 1-6, die ebenfalls in der Schule anwesend sein werden, wenn ihre Eltern keine Alternativbetreuung organisieren können, z.B. weil sie werktätig sind. Unterdessen ist die saarländische Todesrate mit 2,58% beim Covid19-Virus die vierthöchste im deutschen Vergleich…

    Kritik, Widerstand und Streik

    Dass nicht einmal die kümmerlichen Gesundheitsempfehlungen der Kultusministerin, sich einfach weiter auseinanderzusetzen („räumliche Entzerrung“), durchführbar sind, wird schon bei den zu erwartenden Zahlen der dann wieder präsenzpflichtigen Schüler:innen deutlich. Darüber hinaus sind auch die Strukturen im Öffentlichen-Personen-Nahverkehr im Saarland so verheerend (und das selbst in den Städten), dass eine sichere An- und Abreise überhaupt nicht gewährleistet werden kann. All diese Risikoquellen werden sehenden Auges in Kauf genommen, um die Eltern in ihre Betriebe und die Schüler:innen möglichst schnell in den Lohnarbeitszwang zu überführen.

    Dagegen formiert sich in verschiedenen Orten des Saarlandes, vor allem aber natürlich in der Landeshauptstadt Saarbrücken, breiter Widerstand. So hat eine Abiturientin aus Saarlouis eine Petition vorangebracht, die sich gegen die Öffnung der Schulen richtet. Hauptsächlich werden hier gesundheitliche Bedenken, gerade auch bezogen auf Angehörige, deutlich dargelegt. Tausende unterschrieben.

    Die Abiturient:innen im Albert-Schweitzer Gymnasium Dillingen (Saar) verfassten einen offenen Brief an die Kultusministerin Streichert-Clivot (SPD), in dem sie forderten, den Unterricht bis auf Weiteres online durchzuführen. Ähnlich äußerte sich auch der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV), der zudem klarstellte, dass eine Durchführung des Schulunterrichts unter den vom RKI empfohlenen Regeln momentan einfach nicht durchführbar sei.

    Auch der saarländische Philologenverband (SPhV) äußerte sich irritiert über den Vorstoß aus Saarbrücken. An der grundsätzlichen Virus-Lage hätte sich überhaupt nichts geändert, stellt man richtig fest. Dennoch zwinge man nun wieder teilweise mehr als 20 Schüler:innen in einen Raum. Die Kultusministerin zeigte als Reaktion auf diese Versuche des Dialogs die ganze Verwahrlosung der deutschen Sozialdemokratie auf und ließ nur süffisant verlauten, dass Schüler:innen, die nicht zur Schule gingen, eben Nachteile in den Prüfungen hätten.

    Diese Absage an jede konstruktive Diskussion, diese Offenbarung einer Unterordnung der Sozialdemokratischen Partei unter die Interessen des Kapitals nahmen Schüler:innen der vier Gemeinschaftsschulen Bellevue, Bruchwiese, Ludwigspark und Güdingen zum Anlass, einen Schulstreik zu organisieren. Alle Teilnehmer:innen der Abschlussjahrgänge an diesen Schulen blieben dem Präsenz-Unterrricht fern. Auch ein großer Teil der Schülerschaft der Rastbachtalschule unterstützte diesen Streik und ging nicht zur Schule.

    In ihrem Aufruf kritisierten die Schüler:innen die fehlende Diskussionsbereitschaft des Kultusministeriums und der Landesregierung und forderten bessere Schutzmaßnahmen. Beispielsweise könnte man den Präsenz-Unterricht auf die Prüfungsfächer reduzieren. Auch solchen Vorschlägen verschließt sich die schwarz-rote Koalition vollkommen und spielt die Protestmaßnahmen sowie die Interessen der Schüler:innen herunter. Man mache sich ob des Streiks keine Sorgen, da ja nur vier Schulen beteiligt wären. 98% der saarländischen Schüler:innen seien im Unterricht erschienen. Kein Grund zur Sorge meinen die Steigbügelhalter des deutschen Kapitals.

    Ob sich diese Gelassenheit nicht rächt, sich mehr Schulen dem Streik anschließen und somit für tatsächlichen politischen Druck sorgen können, werden die kommenden Tage und Wochen zeigen.
    Der Auftakt wurde in Saarbrücken geschafft und ist lobenswert. Nun muss es darum gehen, die Interessen und Forderungen der Schüler:innen in die Breite auszubauen, so dass der saarländischen Sozialdemokratie ihre gleichgültige Politik im Halse stecken bleibt!

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