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Dienstag, April 16, 2024
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    Über 100 Menschen starben beim Kundus-Massaker – europäisches Gericht meint, Deutschland habe genug aufgeklärt

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    Eines der größten deutschen Kriegsverbrechen seit dem zweiten Weltkrieg bleibt ungesühnt. Im September 2009 fielen auf deutschen Befehl hin Bomben auf das afghanische Kundus und töteten vermutlich weit über 100 Menschen. Bisher wurde kein Verantwortlicher verurteilt. Nun hat der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass Deutschland genug Aufklärung betrieben habe.

    In der Nacht zum 4. September 2009 starben zwei Söhne (8 und 12) von Abdul Hanan nahe Kundus in Afghanistan.

    Sie hatten sich in der Nähe zweier Tanklaster aufgehalten, die von den Taliban zuerst in Besitz genommen und dann zurückgelassen worden waren. Anschließend sammelte sich dort die Bevölkerung. Auf Befehl des deutschen Oberst Klein wurden sie jedoch von US-amerikanischen Kampfflugzeugen bombardiert.

    Die genaue Zahl der Todesopfer ist dabei bis heute ungeklärt. Die Bundesregierung geht offiziell von 91 Opfern aus, die afghanische Regierung spricht inzwischen von 179.

    Verhältnismäßig

    2016 legte Hanan deshalb Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Dieser wartete jedoch die Ermittlungen in Deutschland ab.

    Die Hauptermittlungen durch die Bundesanwaltschaft waren bereits 2010 eingestellt worden. In deren geheimem Abschlussbericht vom 16. April 2010 hieß es: Selbst wenn „mit der Tötung mehrerer Dutzend geschützter Zivilisten hätte gerechnet werden müssen“, hätte dies „bei taktisch-militärischer Betrachtung nicht außerhalb jeden Verhältnisses zu den erwarteten militärischen Vorteilen gestanden“.

    Sowohl „die Vernichtung der Tanklastzüge als auch die Ausschaltung ranghoher Taliban“ hätte eine „nicht zu unterschätzende militärische Bedeutung“ gehabt, ein völkerrechtswidriger „Exzess“ von Oberst Klein scheide somit aus.

    Nach vielen Gerichtsprozessen hat dann Ende 2020 auch das Bundesverfassungsgericht eine Klage von Hinterbliebenen auf Schadensersatz abgewiesen, da eben dieser Oberst Klein seine Amtspflichten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nicht verletzt habe und das Völkerrecht keine Schadensersatzzahlungen an Einzelpersonen, sondern lediglich an Staaten vorsehe.

    Kundus: Kein Schadensersatz für Opfer des deutschen Angriffs

    Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bezüglich Deutschlands Pflicht zur Aufklärung mit Blick auf die zwei getöteten Kinder entschieden. Dies sei ausreichend geschehen, teilte der EGMR mit.

    “Es ist klar, dass es für die Dorfbewohner enttäuschend ist”, sagte Wolfgang Kaleck, Anwalt des Beschwerdeführers Hanan und Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights. Der afghanische Vater habe in dem Fall sein Dorf vertreten, in dem der Angriff stattgefunden hatte. Für sie bleibe der Eindruck, dass der große Fehler des Luftangriffs nicht ausreichend aufgeklärt und sanktioniert wurde, so Kaleck.

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