In Erfurt-Herrenberg stand lange eine der wichtigsten Neonazi-Immobilie Thüringens. Doch auch, nachdem die Stadt in einem juristischen Glücksspiel gewann, hat sich die Bedrohungslage nicht merklich gebessert.
Das faschistische Zentrum „Neue Stärke“ im Erfurter Stadtteil Herrenberg hatte in den letzten Jahren vermehrt für Furore gesorgt: neonazistische Parteien wie die NPD, „Die Rechte“, „Der III. Weg“ und weitere Strukturen konnten ihre faschistische Weltanschauung verbreiten.
Außerdem gingen schwere Gewaltverbrechen gegen Migrant:innen vom neonazistischen Treffpunkt aus. Selbst die allgemeine Zivilgesellschaft fühlt sich in Herrenberg unsicher auf den Straßen.
Im Dezember 2020 wurde der faschistische Treffpunkt in Erfurt-Herrenberg geräumt. Nach einem Gerichtsurteil musste der Verein „Neue Stärke“ das Objekt freigeben. So wurde zugunsten des bayrischen Besitzers „TAG Immobilien“ entschieden.
Im Urteil selbst ging es um einen Zeitmietvertrag des Vereins, der zuvor „Volksgemeinschaft“ hieß. Die Stadt Erfurt feierte mit einer inszenierten Schlüsselübergabe die Räumung des Objektes. Die TAG Immobilien wollen das Objekt nun mit über 250.000€ renovieren und die Räumlichkeiten für Streetwork-Arbeit bereit stellen.
Juristisches Glücksspiel
Die Stadt Erfurt konnte dahingehend froh sein, dass die Immobilienfirma einen Zeitmietvertrag aufgesetzt hatte und den Rechtsstreit gewann. Allerdings zeigt das aktuelle Stimmungsbild auf der Straße, dass die Bedrohungen der Faschist:innen beileibe nicht vorbei sind.
Mit Stickern und ihrer bloßen Präsenz auf der Straße schaffen es die Faschist:innen weiterhin, die Bevölkerung im Stadtteil einzuschüchtern. Wie der MDR berichtet, habe es in letzter Zeit eine rechte Kampagne gegen den Ortsteil-Bürgermeister gegeben.
Offiziell habe die Polizei dort seit der Räumung der Immobilie im Dezember nur vier Anzeigen im Bereich der „politischen Kriminalität Rechts“ erfasst. Theresa Lauß von der Thüringer Opferberatung „Ezra“ geht jedoch davon aus, dass Betroffene aus Angst keine Anzeigen machen.
„Die haben zwar dort ihre Räumlichkeiten nicht mehr, die Nazis wohnen dort aber zum Teil noch und dementsprechend kommt es immer noch zu Bedrohungen, zu Einschüchterungsversuchen, und wir gehen auch davon aus bzw. wir müssen davon ausgehen, dass es weiterhin zu Angriffen kommt“, erklärte sie gegenüber dem MDR.
Die Schließung des faschistischen Treffpunkts bedeutet also nicht gleichzeitig, dass die Akteure des Treffpunktes nun mundtot sind oder wegziehen. Doch selbst, wenn die Faschisti:nnen wegziehen würden, wäre das nur eine Verlagerung des Problems – sie würden weiterhin ihre Ideologie in anderen Städten oder ländlichen Regionen verbreiten und dort neue Strukturen aufbauen.