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Freitag, März 29, 2024
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    Sorgearbeit in Pandemie und Krise

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    Kurzarbeit, gekündigte Minijobs, ruinierte Kleinstselbstständigkeiten, Home-Office und Kinderbetreuung gleichzeitig – Frauen gehören zu den Verliererinnen der Pandemie, besonders, wenn sie für Kinder sorgen. Zeit sich zu wehren. – Ein Kommentar von Olga Wolf zum 8. März.

    In den letzten Jahren war unser Ziel oft: Mehrfachbelastung sichtbar machen. Klar machen, dass die meisten Frauen vor Arbeitsbeginn nicht frei und nicht nach Arbeitsschluss Feierabend haben.

    Sie machen Sorgearbeit, unbezahlt und unbeachtet. Während der Pandemie machen Mütter diese Sorgearbeit nicht mehr nur vor und nach, sondern auch während der Lohnarbeit – im Home-Office. Ein Urteil der Bundesregierung macht das möglich: die Kinderbetreuung sei nämlich wunderbar auch neben der Lohnarbeit von zu Hause aus zu leisten.

    Aber die Notbetreuungen!

    Es gibt Notbetreuungen und die werden auch genutzt. In manchen Bundesländern gibt es sogar wieder (eingeschränkten) Regelbetrieb. Das geht aktuell vor allem zulasten der Erzieher:innen und Lehrer:innen – wiederum oft Frauen in prekären Berufen.

    Sie zählen zur Berufsgruppe mit dem höchsten Ansteckungsrisiko: dass Kinder Masken tragen und Abstandsregeln so einhalten, dass sie schützen, ist mit der Arbeit schlicht unvereinbar.

    Was bräuchte es, um diese wichtige Arbeit pandemie-gerecht zu gestalten?

    Luftfilteranlagen überall da, wo Kinder betreut werden und Personal, das ganz vorn dabei ist bei der Impfstrategie. Doch die Bedürfnisse von Kindern und Eltern werden nicht ernst genommen, das gesellschaftliche Bedürfnis der Kinderversorgung wird auf die Schultern jeder einzelnen Mutter abgewälzt.

    Wer hat ein Recht auf Notbetreuung?

    Wer Kinder in die Notbetreuung geben darf, das entscheiden de facto die Einrichtungen. Wer nach der öffentlichen Meinung einen Anspruch auf Kinderbetreuung hat, ist hingegen klar: Nur, wer hauptberuflich sowie ehrenamtlich 70 Stunden die Woche Leben rettet. Alle anderen hätten ja wohl Zeit für das ‘bisschen Haushalt’.

    „Du hast ja selbst entschieden, ob du Kinder bekommst“, müssen viele Eltern sich anhören. Ich will nicht zynisch sein, aber auf das soziale Netz für junge Mütter hinzuweisen, ist Standard in jeder Schwangerschaftskonfliktberatung.

    Sowohl die freie Entscheidung für oder gegen Kinder, als auch der umfassende Support für Mütter sind Mythen – denn Abtreibungen sind nicht legal und Eltern aktuell mutterseelenallein mit der Mehrfachbelastung.

    Das Kinder geboren, versorgt, geliebt und gebildet werden, ist für die gesamte Gesellschaft wichtig. Trotzdem wird oft so getan, als wären alle daraus folgenden Hürden persönliche Probleme der Eltern, spezifischer der Mütter.

    Das ist Quatsch. Und deswegen haben selbstverständlich nicht nur die ein Recht auf Kinderbetreuung, die auf dem Arbeitsmarkt als besonders produktiv gelten – alle dürfen das brauchen.

    Und „nach der Pandemie“?

    Der Staat hat unter Diskussionen um das „Recht auf Home-Office“ die Vision gezeichnet, dass ein physisches Büro als Zentrum des Arbeitslebens der Vergangenheit angehört.

    Wie praktisch – kommt der Staat doch seit Jahren nicht hinterher, ausreichend Kitaplätze zur Verfügung zu stellen, die für die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Lohnarbeit unabdingbar wären.

    Der Vorschlag der Bundesregierung während der Pandemie war eine ganz neue Art der Vereinbarkeit: beides gleichzeitig, am gleichen Ort.

    Das hat schon nach wenigen Monaten katastrophale Auswirkungen auf viele Bereiche des familiären Lebens: Mütter sind ausgebrannt, Kinder unausgelastet, die Bedürfnisse aller Beteiligten kommen zu kurz, und wer nicht sehr verständnisvolle Vorgesetzte hat, kommt auch am Arbeitsplatz in die Bredouille.

    Die Vorstöße der Bundesregierung in puncto Home-Office bergen die Gefahr, dass dieser Spuk nach der Pandemie nicht vorbei ist.

    Wenn das passiert, hat das im Übrigen auch Folgen für die Frauen, die in ihrem Leben nie Kinder haben möchten und werden. Denn die zu erwartende Diskriminierung am Arbeitsmarkt findet pauschal statt, so wie auch heute schon die Anstellung von „gebährfähigen“ Menschen als unternehmerisches Risiko gilt – siehe die Massenentlassungen von jungen Müttern bei H&M.

    Für Macker, Faschisten und Unternehmer ist das eine tolle Entwicklung, die viele geschlechterpolitische Erfolge der letzten Jahrzehnte gefährdet. Die mehrfache Ausbeutung durch Lohnarbeit und unbezahlte Sorgearbeit, die wir doch so dringend überwinden müssen, wird fortgesetzt.

    Für uns geht es also um richtig viel an diesem 8. März – Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die gewinnen!

    • Perspektive-Autorin seit 2017, Redakteurin seit 2018. Aus dem Rheinland, Sozialwissenschaftlerin. Schreibt am liebsten über das Patriarchat und internationale Frauensolidarität dagegen.

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