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Mittwoch, April 24, 2024
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    Vertrauenskrise um den Oster-Lockdown

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    Die Rücknahme der angekündigten verlängerten Osterruhe durch Kanzlerin Merkel verdeutlicht, wie zugespitzt die politische Krise in der Corona-Pandemie bereits ist. Die wirklichen Probleme liegen aber nicht in einer Schnapsidee, die mitten in der Nacht verabschiedet wurde. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    Nach Merkels Rückzieher fordern Politiker:innen der Linken, der FDP und der AfD direkt oder indirekt eine Vertrauensfrage im Parlament. Auch in den Reihen der CDU und SPD scheint die Unterstützung zu schwinden.

    So war der Unmut in der Bevölkerung über die kurzfristige Ankündigung, den Lockdown über Ostern hinaus zu verlängern, aber dafür das Fest unter verschärften Bedingungen in die eigenen vier Wände zu verlegen, über diverse CDU/CSU Abgeordnete auch in der Parteiführung angekommen. Schließlich gibt es ja Leute, die im Gegensatz zu Merkel in diesem Jahr noch einen gut bezahlten Parlamentsplatz verteidigen wollen.

    Die Lobbyist:innen des Handels, aber auch der für Deutschland so wichtigen Autoindustrie zeigten sich ebenfalls bestürzt über den Beschluss und äußerten am Dienstag deutliche Kritik. Eine so plötzliche Unterbrechung der Produktion sei mit globalen Lieferketten nicht verkraftbar.

    Wirklich offensiv verteidigt wurde die Idee zweier zusätzlicher „Ruhetage“ aber tatsächlich von Niemandem. Dass die Maßnahme nicht nur die Bilanzen vieler Unternehmen belastet, sondern auch die Stimmung in vielen Haushalten weiter verhagelt hätte, war wohl sehr offensichtlich. Ernsthaften Vertreter:innen einer harten Lockdown-Strategie hingegen konnten fünf Tage Oster-Lockdown natürlich auch nicht genügen.

    Dass die Idee, um die am Montagabend stundenlang gefeilscht wurde, wohl nicht die beste war, gibt unterdessen nicht nur Merkel zu, die als Bauernopfer die politische Verantwortung übernimmt. Auch Malu Dreyer, gerade bestätigte Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, räumt selbstkritisch ein: „Um drei Uhr morgens richtige Entscheidungen zu treffen, ist eben auch eine Schwierigkeit.“

    Das unberechenbare Hin und Her der übermüdeten Regierenden offenbart aber nicht nur die innere Zerrissenheit der Herrschenden in diesem Land, sondern auch, wie beliebig in der Pandemie mittlerweile Politik gemacht wird.

    Es wird zunehmend durchschaubar, dass sie nicht gemacht wird, um diese Pandemie schnellstmöglich loszuwerden und die Menschen bestmöglich zu schützen, sondern dass vielmehr in den regelmäßigen Konferenzen der Ministerpräsident:innen und der Kanzlerin ausgefochten wird, welche Interessen welcher Kapitalistenverbände wie stark in der Krise gewichtet werden.

    Um das zerstörte Vertrauen in die Regierung ist es nicht schade. Nur müssen gerade wir Arbeiter:innen die richtigen Schlüsse daraus ziehen, statt frustriert die Pandemie weiterhin auf unserem Rücken austragen zu lassen. Da der Staat logischerweise nicht willens ist, effektive Maßnahmen gegen die Pandemie zu ergreifen, sofern sie die Profite von Kapitalisten wie VW oder BioNTech einschränken, dürfen auch wir uns von derartigen Märchen nicht mehr einlullen lassen.

    Wer nun weiter diszipliniert und stur alle Regeln einhält, während der Staat auf ganzer Linie versagt, wird nur in wenigen Monaten frustriert feststellen müssen, dass die persönlichen Opfer leider nichts gebracht haben, um diese Seuche zu überwinden – und dass man obendrein seiner Freiheitsrechte und eines guten Teils des Reallohns beraubt wurde.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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