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Freitag, April 19, 2024
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    Grün ist das neue Schwarz

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    Während CDU und CSU sich in der K-Frage selbst demontieren, haben die Grünen mit perfektem Timing ihre Kandidatin bestimmt: Annalena Baerbock. Aber wie bei ihrer ganzen Partei, sucht man auch bei dieser Kandidatin fortschrittliche oder gar linke Ideen vergebens. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    Im Fußball würde man sagen, die Grünen mussten den Ball nur noch ins leere Tor einschieben, so dankbar war die Steilvorlage, die CDU und CSU mit ihrem Machtkampf um die Kanzlerkanditatur geliefert haben. Während die Stimmen lauter wurden, Söder und Laschet sollten sich auf ihre Verantwortung für das Land besinnen, das ja immer noch mitten in Pandemie und Krise stecke, nominierten die Grünen ihre Kanzlerkandidatin auf ganz andere Art und Weise: Geräuschlos, freundschaftlich, von einem Konflikt zwischen Baerbock und Habeck nichts zu spüren.

    Nun soll es also Annalena Baerbock werden und die Herzen der Reichen und Mächtigen hat sie offenbar schon gewonnen. Im sogenannten „Entscheiderpanel“ der Wirtschaftswoche schafft Baerbock es mit 26,5% auf Platz 1 – 32,5 % gaben jedoch „Weiß nicht“ an.

    Sicher, wer in diesem Land an der Spitze der Nahrungskette steht und als Aktionär:in oder Manager:in im Luxus schwelgt, hat ganz natürlicherweise ein Interesse an eine:r Kanzler:in, die nicht schon vor der Wahl so demontiert ist wie Armin Laschet – auch ohne großer Fan der Grünen zu sein.

    Wer aber glaubt, Baerbock sei für die Herrschenden in diesem Land „nur“ das kleinere Übel, unterschätzt sie massiv. Sie ist eine sehr ernst zu nehmende kapitalistische Politikerin, sicherlich ernst zu nehmender als ihr parteiinterner Konkurrent, der gelernte Philosoph Robert Habeck.

    Die Grünen werden ihren zumindest imagemäßig immer noch wichtigsten Programmpunkt – die Umwelt – sicherlich sowohl im Wahlkampf, als auch in der Regierung in den Vordergrund stellen. Dass es dazu kommen wird, kann bei den momentanen Umfragewerten wohl als nahezu sicher angenommen werden: Schwarz-Grün, Ampel-Koalition und selbst das eigentlich schon ausgeschlossene Rot-Rot-Grün – ohne die Grünen geht momentan nichts.

    Der dieser Partei immer noch anhaftende Ruf, eine in irgendeiner Art und Weise „linke“ Kraft zu sein, ist dabei absolut unverdient. Die Schwarz-Grüne Bundesregierung in Österreich oder die Landesregierungen von Hessen und Baden-Württemberg gelten als Vorbilder für eine mögliche Schwarz-Grüne Bundesregierung in Deutschland und zeigen auch schon ganz gut, wohin die Reise gehen soll: Extrem industriefreundliche Politik, weitere Aushöhlung des Asylrechts und weitere Abschiebungen.

    Gerade bei der Einschränkung unserer Grundrechte in der Pandemie hat man bei so manchem Vorstoß der Grünen, den Eindruck, sie hätten die CDU/CSU rechts überholt.

    Das gilt auch für andere Bereiche: so profilieren sich Grüne Politiker:innen immer wieder als besondere Scharfmacher in außenpolitischen Fragen – im Durchschnitt fahren sie eine deutlich konfrontativere und klarere Haltung gegen die imperialistischen Konkurrenten Russland und China.

    Als jüngstes Beispiel kann hier wohl die geopolitisch motivierte Blockade von Kaufverhandlungen mit Russland über den Impfstoff Sputnik V in Berlin gelten.

    Auch Baerbock ordnet sich hier ein. Sie erklärte Ende letzten Jahres offen für Diskussionen über höhere Militärausgaben zu sein und betonte, Deutschland müsse seine “Friedensrolle” in der Welt ernster nehmen. Konkret schlug sie “robuste europäische Militäreinsätze” gemeinsam mit Frankreich vor.

    Insgesamt ist klar, dass die „Grüne Modernisierung“ Deutschlands für uns nichts Gutes bedeuten kann. Erneuerbare Energien werden gefördert, weil sie eine geopolitische Notwendigkeit sind, wenn Deutschland politisch autonom agieren will. Die Kosten dafür werden weiterhin auf die Arbeiter:innen in diesem Land über diverse Konsumsteuern abgewälzt, wie es die momentane Bundesregierung bereits begonnen hat.

    Wer glaubt, eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung sei eine wünschenswerte Option für uns, sollte sich vor Augen führen, dass ihre Kanzlerin fast sicher eine Grüne sein wird – und Grün ist politisch gesehen das neue Schwarz.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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