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Samstag, April 20, 2024
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    Trotz Pandemie: Erntehelfer:innen dürfen nun 102 Tage ohne Krankenversicherung in Deutschland arbeiten

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    In der Landwirtschaft beginnt die Erntesaison von Spargel, Erdbeeren oder Wein. Erledigt wird diese harte Arbeit größtenteils von zehntausenden Menschen aus Osteuropa. Trotz Pandemie hat die Bundesregierung die Frist in der diese Menschen ohne Sozialversicherung beschäftigt seien dürfen von 70 auf 102 Tage erweitert. Und auch Einzelzimmer sind keine Pflicht.

    Mit dem Saisonstart in der Landwirtschaft kommen auch in diesem Jahr tausende Erntehelfer:innen nach Deutschland – unter anderem nach Rheinland-Pfalz. Ende Juni 2020 waren hier 9.457 von ihnen ohne Kranken-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherung auf den Feldern im Land beschäftigt. Darüber berichtet der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer Pressemitteilung.

    Denn auch in diesem zweiten Corona-Jahr hat die Bundesregierung die eigentlich auf 70 Tage begrenzte Frist, innerhalb der die Erntehelfer:innen sozialversicherungsfrei beschäftigt werden können, ausgeweitet – auf insgesamt 102 Tage und trotz Pandemie.

    “Billig müssen die Arbeitskräfte sein“

    „Ohne die Saisonbeschäftigten aus Rumänien, Polen oder Bulgarien gibt es keinen Spargel, keine Erdbeeren und keinen Wein. Aber in der Landwirtschaft gilt das Credo: Billig müssen die Arbeitskräfte sein“, kritisiert Dietmar Muscheid, Vorsitzender des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland.

    „Die Bundesregierung ist auch dieses Jahr vor der Landwirtschaftslobby eingeknickt und öffnet Tür und Tor, um die Sozialversicherungspflicht für vier Monate zu umgehen.” Der DGB lehnt deshalb diese missbrauchsanfällige Regelung ab. Sie war ursprünglich für die Ferienzeit von Schüler:innen und Student:innen gedacht. Darauf müsse sie auch wieder begrenzt werden.

    Keine Pflicht für Einzelzimmer

    Auch in diesem Jahr werden die Unterkünfte wieder überbelegt sein, werden Sanitäreinrichtungen Mangelware und unhygienisch sein, werden die Hygiene- und Infektionsschutzregeln nicht eingehalten und zu wenig kontrolliert werden, prognostiziert Muscheid.

    Wegen Corona müssen Schlafräume eigentlich einzeln belegt werden. Aber auch da lässt die Bundesregierung Schlupflöcher: Wenn eine Einzelbelegung nicht möglich ist, dann darf mit einer halbierten Belegungsdichte einfach weitergearbeitet werden. Beschäftigte müssten nachts in einem Doppel- oder Vierbettzimmer schlafen, ohne zu wissen, ob Ihre Kolleginnen und Kollegen Sie vielleicht anstecken.

    „Wenn wir hier vor Ort nicht bald Zustände wie in der Fleischwirtschaft haben wollen, dann brauchen die Beschäftigten besseren Schutz. Zumindest für die Dauer der Pandemie muss eine zwingende Unterbringung in Einzelzimmern gelten.“, so Muscheid.

    Der DGB fordert Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Tag der Beschäftigung, einen schlagkräftigen Arbeits- und Infektionsschutz und das Ende von Mindestlohnbetrug sowie schlechten und überteuerten Unterkünften.

    Nicht nur in der Landwirtschaft

    Die Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung auf 102 Tage für das Jahr 2021 betrifft aber nicht nur die Landwirtschaft. Im Juni 2020 gab es in Rheinland-Pfalz auch 1.645 Beschäftigte im Bereich der Lagerwirtschaft, Post und Zustellung sowie 501 in der Gastronomie, die nach dieser Regelung monatelang sozialversicherungsfrei gearbeitet haben. Hinzu kommt eine Vielzahl an 450-Euro Jobs in diesen Bereichen und trotz des Einbruchs des Tourismus im letzten Jahr. Auch hier kommt der Großteil der Beschäftigten aus osteuropäischen EU-Ländern.

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