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Dienstag, März 19, 2024
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    Und wieder ist es ein Einzeltäter …

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    Im Prozess um den NSU 2.0 gibt es erste „Ergebnisse“. Die BRD hat endlich ihren Einzeltäter gefunden. Zwar ist das wenig überraschend. Jedoch war die Einzeltäter-These selten so löchrig. – Ein Kommentar von Julius Strupp

    Fragen über Fragen

    In der Nacht zum 4. Mai kam es bei einer Hausdurchsuchung in Berlin zu einer Festnahme im Fall des „NSU 2.0“. Mit dieser Unterschrift waren nach bisherigem Kenntnisstand mehr als 100 Drohschreiben unter anderem an Politiker:innen und Journalist:innen geschickt wurden. Vorher waren deren Adressdaten an Frankfurter Polizeicomputern abgefragt worden. Eine Beteiligung von Beamt:innen an einem rechtsterroristischen Netzwerk scheint wahrscheinlich. So wurden im Februar auch vier hessische Polizisten angeklagt, die sich in rechten Chatgruppen organisiert hatten. Die Verbindungen zum Komplex „NSU 2.0“ sind allerdings bisher unklar.

    Erste Festnahme nach faschistischen „NSU 2.0“-Drohschreiben – Verbindungen zu Frankfurter Polizei unklar

    Die Festnahme ist jedoch kein Grund aufzuatmen. Denn wieder einmal wird uns in Gestalt eines vorbestraften Faschisten ein vermeintlicher Einzeltäter präsentiert, der die Drohschreiben alleine aufgesetzt haben soll. Der Verdacht gegen die Polizist:innen hat sich für die bürgerliche Justiz bisher nicht erhärten können.

    Natürlich bringt allein die Frage danach, wie es dann zu den illegalen Datenabfragen kommen konnte, die These vom Einzeltäter ins Wanken. Die bisherige Antwort darauf ist an Absurdität auch kaum zu überbieten: Der 53-jährige Berliner soll sich die Angaben erschlichen haben, etwa indem er sich als Polizist ausgegeben habe.

    Was nun?

    Das erneute Aufwärmen der Einzeltäter-These ist natürlich ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen faschistischer Gewalt und Drohungen. Deren Kampf für eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse gilt es jetzt tatkräftig zu unterstützen.

    Nichtsdestotrotz ist es keinesfalls verwunderlich, dass dies alte These wieder zum Tragen kommt. Geht es doch für den deutschen Staat um nicht weniger, als das eigene Gesicht zu wahren. So war es schon beim Bombenanschlag auf das Oktoberfest 1980. Mengenweise Asservate wurden vernichtet und Hinweisen auf eine Mittäterschaft nicht nachgegangen. 2020 folgte dann das endgültige Urteil. Seitdem ist gerichtlich bestätigt, dass Gundolf Köhler ein Einzeltäter war.

    Bundesanwaltschaft beschließt: Gundolf Köhler war nur ein weiterer Einzeltäter!

    Auch beim NSU wurde vertuscht, was das Zeug hielt. Er wurde zuvor durch Gelder von V-Männern erst aufgebaut. Nach der Selbstenttarnung der Terrorist:innen liefen die Schredder in den Verfassungsschutzämtern heiß.

    Das Verhindern einer lückenlosen Aufklärung von rechtem Terror hat in Deutschland also Tradition. Warum? Weil es sich eben nicht um Einzeltäter:innen handelt, sondern um faschistische Netzwerke, die mitunter mit staatlichen Gehältern für V-Leute aufgebaut und durch diese gesteuert werden oder sich dieselben gleich in Polizei und Bundeswehr breit machen können.

    Der Fall NSU 2.0 zeigt uns deshalb nur einmal mehr, dass auf den Staat im Kampf gegen den Faschismus kein Verlass ist. Stattdessen müssen wir uns in Betrieb, Stadtteil, Uni und Schule selbst organisieren, uns vor den Faschist:innen schützen und diesen entgegentreten!

    • Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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