2016 erschoss Valérie Bacot ihren Mann und Täter, der sie jahrelang misshandelt, vergewaltigt und prostituiert hat. Zuvor war Daniel Polette ihr Stiefvater und vergewaltigte sie bereits als Kind. Nun muss sie für die Tötung zwar nicht in Haft – ein Freispruch ist das Urteil jedoch nicht. – Ein Kommentar von Michelle Mirabal.
Valérie wurde seit jungen Jahren einer nicht enden wollenden Serie an Gewalt ausgesetzt, erst von ihrer Mutter und dann von ihrem Mann. Dieser Gewalt setzte sie 2016 ein Ende und wurde dafür – nach einem Jahr in Untersuchungshaft – vor Gericht gezerrt.
Das Urteil, das nun gefällt wurde, lautet: vier Jahre Haft, davon drei auf Bewährung. Ein Jahr Untersuchungshaft rechnet das Gericht ihr an.
Keine Notwehr, kein Freispruch
Sie muss zwar nun nicht ins Gefängnis, ein Freispruch ist das dennoch nicht. Für die französische Justiz scheint sie weiterhin schuldig zu sein, obwohl klar ist, das sie aus Notwehr handelte.
Valéries Verteidigerin kommentierte: „Wie kann die Gesellschaft Wiedergutmachung von Valérie Bacot verlangen, wenn sie selbst dabei versagt hat, sie zu schützen?“. Den Worten der Verteidigerin kann ich hier ganz klar zustimmen: Der Mord war für Bacot der einzige Ausweg aus 14 Jahren Zwangsehe.
Man möge hier auch noch bedenken, dass der Täter, Daniele Polette, in den 90er Jahren bereits schon einmal wegen Missbrauchs an ihr verurteilt wurde. Bereits nach einem Jahr kam er jedoch wieder frei und machte genau dort weiter, wo er aufgehört hatte. Der Staat wusste also, was dort im Hause vor sich ging, dennoch gewährte er Polette nach nur einem Jahr Haft die Freiheit. Die Justiz ahndet also den Missbrauch an Frauen nicht annähernd so hoch wie Taten von Frauen, die aus Notwehr einen Täter erschießen und sich gegen die alltägliche Gewalt wehren.
Ähnliche Fälle in Deutschland
In Deutschland gab es vor einigen Monaten einen ähnlichen Fall, der allerdings mit einer Abschiebung endete.
Afitap Demir wurde abgeschoben, weil sie sich gegen die jahrelange Gewalt ihres Ex-Mannes wehrte. Zuvor war sie bereits zweimal in Haft, weil sie ihr Leben und das ihrer Kinder schützen wollte. In der Türkei, wohin Demir abgeschoben wurde, ist es für kurdische Frauen nicht sicher. Das zeigt, dass der Staat Abschiebungen quasi als erweiterte Strafe nutzt.
Gewalt gegen Frauen hört also vor der Justiz nicht auf, sondern wird dort weitergeführt und ausgeweitet – und das nicht nur in anderen Ländern, sondern auch genau hier, in Deutschland.