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Dienstag, April 16, 2024
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    Der türkische Faschismus in deutscher Uniform

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    Die Bundesrepublik Deutschland ist die wichtigste Komplizin dieses panturkischen Terrors. In Düsseldorf verweigerte sie zuletzt parlamentarischen Beobachter:innen der Linkspartei, die die Lage in den umkämpften Gebieten dokumentieren wollten, ihrer Arbeit nachzugehen und erteilte Ausreiseverbote. – Ein Kommentar von Emanuel Checkerdemian

    Seit Ende April vollzieht der faschistische türkische Staat eine neue Militäroffensive gegen die Gebiete Südkurdistans. Im Sinne der Ideologie des Panturkismus geht es bei diesem Krieg um Expansion, Vertreibung und Vernichtung. Auch der türkische Juniorpartner, Aserbaidschan, ist an dieser Offensive beteiligt und befindet sich mit Teilen seiner Streitkräfte in der Armenischen Republik.

    Expansionskrieg mit Vernichtungswille

    Als das Telefonat zwischen dem US-Präsidenten Joseph Biden und dem türkischen Staatsführer Erdogan am 23. April beendet war, folgte unmittelbar darauf der Angriff des türkischen Militärs auf die kurdischen Gebiete im Nordirak. Washington hatte Ankara im Gegenzug für die Anerkennung des Völkermordes an den Armenier:innen offenbar freie Hand bei diesem Angriffskrieg gewährt.

    Kein Grund zur Freude: Die Anerkennung des Völkermordes an den Armenier:innen durch die USA

    Seitdem geht die Türkei mit barbarischer Gewalt gegen Mensch und Natur vor. In den neu besetzten Regionen holzt man hektarweise Wald ab und verschärft somit neben der humanitären auch die ökologische Krise. Kriegsverbrechen, wie der Einsatz von Chemiewaffen, Vertreibungen und Morde, gehen damit einher. So plant die türkische Regierung in den kurdischen Gebieten Neuansiedlungen von Turkvölkern, loyalen islamistischen Söldnern und ihren Familien. In Deutschland werden von türkischen Organisationen wie der Ditib Spenden für dieses Unterfangen gesammelt.

    Auch in Armenien kommt es zu Aggressionen von Seiten der panturkischen Faschisten. Aserbaidschanische Streitkräfte haben sich auf das armenische Gebiet in der Provinz Gegharkunik vorgeschlagen und terrorisieren dort seit einem Monat Zivilist:innen und Verteidigungskräfte.
    Wie stark der Zusammenhang dieser Angriffe auf Armenien und Kurdistan ist, sozusagen eine breite Front darstellt, wird nicht zuletzt an der türkisch-aserbaidschanischen Militärparade im von Armenien eroberten Shushi deutlich, die am 15. Juni stattfinden soll. Erdogan und Aliyew, die beiden Präsidenten, wollen hiermit ein Signal der Stärke und der Entschlossenheit (wohl zu weiteren Grausamkeiten) aussenden. Deutschland ist in diesen Krieg unmittelbar involviert.

    Deutsche Waffen, deutsche Repression

    So genehmigten die deutschen Bundesregierungen laut der CAAT-Datenbank zwischen 2001 und 2018 Rüstungsexporte in die Türkei im Wert von 2,29 Milliarden Euro. In Folge des Überfalls der Türkei auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien 2019 verhängte die Bundesrepublik zwar einen vorläufigen, aber nur teilweise geltenden Waffenexportstopp. Künftig sollten nur noch Waffen geliefert werden, die nicht in Syrien eingesetzt werden könnten. Nichtsdestotrotz blieben die Exportzahlen konstant.

    Nach dem „Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im ersten Halbjahr 2020“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, der bis zum 30. Juni 2020 zurückreicht, genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 18,4 Millionen Euro.

    Nach Informationen verschiedener Medien lieferte die Bundesregierung bis zum 22. Juli 2020 sogar Waffen im Wert von 22,8 Millionen Euro.

    Zum Vergleich: im gesamten Jahr 2019 (vor Beginn des vermeintlichen Waffenexportstopps) wurden Exporte im Wert von 31,6 Millionen Euro genehmigt. Mögen diese Zahlen im Vergleich zu Exportgenehmigungen beispielsweise nach Israel oder Ägypten gering wirken, trügt die Darstellung des Ministeriums. Denn was die tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen angeht – einschließlich derer, deren Genehmigungen teils schon Jahre zurückliegen – nimmt die Türkei einen Spitzenplatz ein. Lieferte man 2018 Waffen im Wert von 243 Millionen Euro, war es 2019 ein Exportvolumen von 345 Millionen Euro.

    Doch nicht nur die militärische Ausstattung – außerdem exorbitante Handelsbeziehungen (auch zum Aserbaidschan) – machen die Unterstützung der Bundesrepublik für den türkischen Faschismus aus.

    Auch die politische Verfolgung, nicht nur kurdischer Aktivist:innen, sondern von Kurd:innen überhaupt, nimmt in Deutschland ein unglaubliches Ausmaß an. Mit dem Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) 1993 als angeblich terroristische Organisation kam es im gesamten Bundesgebiet zu zahllosen Verfahren gegen Kurd:innen und deren Unterstützer:innen-Kreis. Nimmt diese Verfolgung durch den deutschen Staat teils absurde Züge an – in Mainz wurden in der Vergangenheit z.B. die Farben rot/gelb/grün auf Flaggen bei Demonstrationen verboten – so hat sie meist doch sehr bedrohlichee Folgen.

    Von Geld- und Haftstrafen bis hin zu Abschiebungen zu den türkischen Folterknechten hat die deutsche Justiz eine ganze Strafpalette für „Kurdenkriminalität“ aufzubieten. Der traurige Höhepunkt dieser nun schon jahrzehntelang andauernden Hatz war der Mord an Halim Dener durch einen deutschen Polizisten in Hannover. Beim Aufhängen von Plakaten gegen das neu eingeführte PKK-Verbot wurde der damals 16 Jahre alte Halim am 29. Juni 1994 hinterrücks ermordet – sein Schütze wurde freigesprochen.

    Bis heute hat diese reaktionäre Gesinnungsjustiz, die politisch gesteuert ist und Hand in Hand mit türkischen Interessen operiert, eine einzigartige Kontinuität. Zuletzt wurde eine parlamentarische Delegation um die Hamburger Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Cansu Özdemir, am vergangenen Samstag vom Flug nach Hewlêr (Erbil) abgehalten. Am Flughafen in Hewlêr (Erbil) selbst wurde zudem das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Hakan Tas (Die Linke) an der Einreise gehindert und von Sicherheitskräften festgehalten. Auch er hätte an der Dokumentation der Kriegsgeschehnisse beteiligt sein sollen.

    In Düsseldorf verhinderte die Bundespolizei die Abreise von mindestens 17 Delegationsteilnehmer:innen und sprach ihnen ein Ausreiseverbot aus. Dabei machte man aus den imperialistischen Interessen der BRD im Erklärungsschreiben kein Geheimnis: „Durch eine Teilnahme an Aktionen der als verbotenen Terrorunterstützung eingestuften PKK oder der passiven Unterstützung der Aktionen der PKK im Krisengebiet gegen Sicherheitskräfte des NATO-Partners Türkei werden erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt. Eine Teilnahme deutscher oder europäischer Staatsbürger (…) an dem Konflikt wird die Beziehungen zur Türkei weiter negativ belasten.“

    Mit anderen Worten: Wer die Gräuel des NATO-Partners Türkei der Öffentlichkeit zugänglich macht, gefährdet deutsche Interessen. Und – nimmt man den Blickwinkel der herrschenden Klasse ein – das stimmt ja sogar. Denn ein breiter gesellschaftlicher Aufschrei, inmitten des Bundestags-Wahlkampfs, wäre für den ohnehin schwachen CDU-Kandidaten Laschet eine Katastrophe.

    Der Ministerpräsident von NRW, der bereits durch seine Verbindungen zu türkischen Faschisten auffiel, gar einen „Grauen Wolf“ als Kandidaten in seinen Kommunalwahlkampf integrierte, kann sich weder politische Spannungen mit der Türkei leisten, noch eine Anti-Kriegsbewegung, die am Ende noch das Wahlergebnis der Grünen, die sich in den Umfragen ohnehin ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU liefern, aufpäppeln könnte. Für diesen Wahlkampf sieht die CDU gerne über Kriegsverbrechen ihrer Verbündeten hinweg.

    Die Delegation schreibt in einer ersten Stellungnahme ganz richtig: „Dass die Türkei als NATO-Partner auch der deutschen Bundesregierung einen völkerrechtswidrigen Krieg in irakischem Staatsgebiet führt, scheint die Beziehungen Deutschlands zur Türkei nicht zu beeinflussen. Vielmehr ist eine kritische Berichterstattung durch internationale Beobachter:innen der Friedensdelegation nicht gewünscht und wird als außenpolitische Gefahr für die deutsche Bundesregierung gesehen.“

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