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Freitag, April 19, 2024
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    Starke Einschränkungen der Freiheitsrechte weltweit

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    Die Kombination aus Pandemie und Wirtschaftskrise sorgt dafür, dass sich der Lebensstandard von immer mehr Menschen schlagartig verschlechtert hat. In vielen Ländern führten diese Zustände zu Protesten, denen häufig mit massiver Polizeigewalt und Einschränkungen der Freiheitsrechte begegnet wurde.

    Aus dem „Atlas der Zivilgesellschaft 2021“, der vom Hilfswerk „Brot für die Welt“ und dem internationalen Netzwerk “Civicus” herausgegeben wird, geht hervor, dass die Pandemie weltweit auch zu einem deutlichen Einschnitt in die Freiheitsrechte geführt hat. Dem Atlas zufolge leben 2020 fast 90% der Weltbevölkerung in Staaten, in denen der Raum für gesellschaftspolitisches Engagement eingeschränkt, unterdrückt oder so gar ganz ausgeschlossen ist. Das sind 5% mehr als im Jahr zuvor.

    Den Angaben nach lebt fast jeder vierte Mensch weltweit – das sind also rund zwei Milliarden Menschen – in Staaten, in denen gar keine politische Aktivität der Zivilbevölkerung möglich ist. Demnach können dem Bericht zufolge nur 12%  aller Menschen ohne Folgen ihre Meinung äußern. Und nur in 3% lebten die Menschen in Ländern mit einer „offenen Zivilgesellschaft“.

    Die USA rutschten in der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Donald Trump in diese Kategorie ab. Der Bericht spricht jedoch nicht nur mit Blick auf die USA, sondern auf den gesamten amerikanischen Kontinent von einer „Erosion der Grundrechte“: Neben den USA seien auch Costa Rica, Chile und Ecuador abgestuft worden. Das liege in erste Linie daran, dass die Regierungen der Länder mit harschen Repressionen auf Massenproteste reagierten. Bei den USA sei zusätzlich allerdings auch ein „stetig verschlechternder Umgang mit Meinung- und Redefreiheit“ ein Problem.

    In Westasien und Nordafrika gewähre kein einziges Land genügende gesellschaftliche Freiheiten. Laut dem Bericht wurde der Irak zuletzt auf die unterste Kategorie abgestuft, weil dort auf die anhaltenden Anti-Korruptions-Proteste extrem repressiv reagiert wurde. Aktivist:innen und Journalist:innen seien angegriffen und zum Teil sogar getötet worden.

    Doch nicht nur Länder am anderen Ende der Welt zählen danach zu dieser Kategorie. Eingeschränkt fielen auch europäische Nachbarn wie Frankreich darunter.

    Entwicklung der Freiheitsrechte zeigt seit Jahren nach unten

    Die „Brot für die Welt“-Präsidentin Dagmar Pruin erklärt: „Die Entwicklung der Freiheitsrechte zeigt seit Jahren vor allem nach unten – und das vergangene Jahr markiert einen neuen Tiefpunkt“. Pruin verwies vor allem auf die verschlechterte wirtschaftliche Lage vieler Länder. Diese habe häufig Proteste ausgelöst, in denen Menschen mehr Gerechtigkeit, Zugang zu Pandemie-Nothilfen und eine Ende von Korruption und Veruntreuung forderten. „Doch als Antwort darauf bekämpften Regierungen in vielen Ländern nicht die Ursachen für den Protest, sondern den Protest selbst.“, so Pruin.

    Gleichzeitig werde der Gesundheitsschutz als Deckmantel genutzt, um gegen Kritiker:innen und politische Gegner:innen vorzugehen. Auf den Philippinen seien z.B. zwischen März und September 2020 mehr als 100.000 Menschen verhaftet worden mit dem Vorwurf, sie hätten sich nicht an die Pandemie-Regeln gehalten. In Simbabwe habe die Regierung Nahrungsmittel auf nicht genehmigten Märkten verbrennen und Straßenhändler:innen misshandeln lassen, obwohl der Hunger im letzten Jahr massiv zugenommen habe. In El Salvador wurden Menschen mit verdächtigen Symptomen wochenlang in Quarantäne-Zentren interniert.

    In dem Bericht nennt die Organisation außerdem etliche Regierungen, die Bürger:innen pauschal untersagten, für ihr Anliegen auf die Straße zu gehen. Darunter fallen unter anderem Südafrika, Russland, Indien, Brasilien, Polen, Mosambik und Nicaragua. Dort seien mit Verweis auf den Infektionsschutz Ausgangssperren verhängt und Versammlungen verboten worden.

    Situation in Deutschland fehlt im Bericht weitgehend

    Dennoch stößt der Bericht nicht uneingeschränkt auf positive Reaktionen. Einige Kritiker:innen bemängeln eine subjektive Herangehensweise und kritisieren, dass die Maßstäbe, mit denen gemessen wurde, in welche Kategorie ein Land fällt, nicht immer präzise definiert worden seien und es so auf wissenschaftlicher Ebene an konkreten Kriterien fehle.

    Zusätzlich wurde kritisiert, dass die Ausgangs- und Versammlungsbeschränkungen, die bei anderen Ländern für schlechte Kritik sorgten, für die Bundesrepublik Deutschland – z.B. in einem Interview mit der Juristin Lea Beckmann und dem Thüringer Ministerpräsidenten Ramelow – zwar thematisiert worden seien, aber beispielsweise nicht zur einer Herabstufung des Landes oder einer schlechteren Bewertung im Allgemeinen geführt hätten. Auch der neue Gesetzesentwurf zur Versammlungsfreiheit, der in Deutschland seit Wochen heiß diskutiert wird, fände im Bericht keinen Platz.

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