`
Freitag, April 19, 2024
More

    Die Debatte um die Rente mit 68

    Teilen

    Manuela Hassler ist selbst Rentnerin und setzt sich seit Jahren gegen Altersarmut ein. – Auf Perspektive kommentiert sie die aktuelle Debatte um die Rente mit 68.

    Meine anhaltende Reaktion, wenn ich mir die aktuelle Debatte um die Rente mit 68 durchlese? Kopfschütteln.

    Ohnehin haben sich die „Expert:innen“, die nun von einer Rente mit 68 oder gar mit 70 überzeugen wollen, nicht viel Mühe gegeben. Die Argumente sind dieselben wie 2006, als es um die Rente mit 67 ging.

    Die „Argumente“ für ein höheres Rentenalter

    Schon die Bundesagentur für Arbeit selbst muss in ihrem Bericht zugeben, dass es mehr Contra- als Pro-Argumente gibt. Aber anscheinend steht die „Wirtschaftlichkeit“ mal wieder über allen anderen Werten in der Gesellschaft.

    Ein häufiges Argument behauptet, dass Rentner:innen rüstiger geworden sind als in den Jahrzehnten zuvor. Sie würden ja selbst immer mehr arbeiten wollen im Rentenalter, statt aufs gesellschaftliche „Abstellgleis“ für alte Menschen geschoben zu werden. Ein netter Euphemismus. – Dass die meisten Menschen in diesem Alter arbeiten, weil die Rente eben nicht reicht, wird dabei nämlich vergessen zu erwähnen. Jetzt schon bekommt etwa die Hälfte der Rentner:innen eine Rente unter 1.000 Euro und ein Drittel sogar unter 700 Euro.

    Ein weiteres Argument, das wir immer hören, ist natürlich, dass kein Geld da sei, um die Renten zu finanzieren. Gerade jetzt in den letzten Jahren war aber ganz klar zu sehen, dass durchaus Geld im Staate vorhanden ist, die Frage ist nur: wofür wird es ausgegeben? Für die Menschen in diesem Land – auch für Renter:innen? Oder für Konzerne als Subvention und moderne Waffen und Ausrüstung für die Bundeswehr?

    Und: wir sollen auch länger arbeiten, weil die Wirtschaft über so einen großen Fachkräftemangel klagt. Hinterfragen wir das mal kurz.

    40% der arbeitslosen Menschen sind über 50 und 12% über 60 Jahre alt. Gibt es etwa nicht genug Arbeitskräfte, die noch nicht im Rentenalter sind? Wo soll hier der Bedarf an älteren und erfahreneren Arbeitskräften bestehen?

    Das Problem ist doch anscheinend ein ganz anderes: Arbeiter:innen ab 40 Jahren werden zwar als Spezialist:innen geschätzt, aber ausreichend weiter gebildet werden sie nicht. Und wenn sie ihren Job verlieren, haben sie oft Schwierigkeiten, überhaupt wieder Arbeit zu finden, weil die Unternehmen lieber Jüngere einstellen.

    Bei Einsparmaßnahmen und Stellenstreichungen werden ältere Fachkräfte nur zu oft mit Abfindungen und ähnlichen Sozialmaßnahmen in die Langzeitarbeitslosigkeit abgeschoben. An anderer Stelle im Arbeitsmarkt will man sie nicht, weil Jüngere billiger sind und seltener krank werden.

    Wo das Problem wirklich liegt

    Statt einem höheren Rentenalter, während gleichzeitig das Jobcenter Arbeitslose dazu drängt, Erwerbsminderungsrente zu beantragen, sollte man sich lieber Gedanken machen, wie gerade ältere Arbeitslose wieder an Arbeit kommen. Dass durch lange Arbeitslosigkeit die Rentenzahlung nur noch niedriger ausfallen wird und die Altersarmut droht, lässt sich nämlich nicht von der Hand weisen.

    Komplett ignoriert wird in der Debatte oft, dass es für viele Menschen und in vielen Berufen einfach nicht möglich ist, bis ins hohe Alter zu arbeiten. Sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit machen da nur allzu oft einfach nicht mehr mit. Gerade bei armen Menschen übrigens deutlich häufiger als bei reicheren.

    Warum also das Rentenalter weiter erhöhen, wenn doch klar ist, dass in vielen Berufen die Menschen schon Anfang 60 gesundheitlich zu kaputt sind, um weiter zu arbeiten?

    Wenn nur die wenigsten das neue Eintrittsalter überhaupt erreichen, ist klar, dass dabei unterm Strich nur eine weitere Senkung des Rentenniveaus raus kommt.

    Wieso also hält man an einem solchen System fest, das in den letzten Jahren viele Nachteile gebracht hat und immer auf dem Rücken der Rentner:innen ausgetragen wird?

    Der Staat und die Wirtschaft müssten an anderen Punkten ansetzen, um Fachkräfte zu halten und weiterzubilden. Mich wundert es nicht, dass wenige Menschen eine Ausbildung in handwerklichen Berufen machen, wenn ich mir die Entlohnung und die Zukunftschancen in diesem Bereich ansehe.

    Die Rechnung ist simpel:

    Gerechte Löhne ergeben auch gerechte Renten.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News