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Freitag, April 19, 2024
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    Regierung will Rentner:innen für die Krise zahlen lassen

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    1Im Zuge der Wirtschaftskrise hat der deutsche Staat Billionen für die Rettung von Unternehmen mobilisiert. Jetzt plant die Regierung, die Rechnung der Arbeiter:innenklasse zu präsentieren, u.a. mit einem Großangriff auf die Renten – Ein Kommentar von Thomas Stark

    Dass die Rechnung früher oder später kommen würde, lag auf der Hand. Während des heftigen Kriseneinbruchs im letzten Jahr hat der deutsche Staat historisch nie dagewesene Geldbeträge in die Hand genommen, um kapitalistische Unternehmen zu unterstützen. Nach Angaben des Finanzministeriums sollen die Gesamtkosten von Bund und Ländern für Staatshilfen und Garantien letztes Jahr 1,3 Billionen Euro betragen haben. 70 Milliarden Euro davon entfielen allein auf direkte Hilfsgelder der Bundesregierung an Unternehmen.

    Kommt die Rente mit 68?

    Weil die Regierung alles dafür tun will, die Profite des deutschen Kapitals weiter zu subventionieren, muss sie die entsprechenden Geldbeträge woanders wieder auftreiben – nämlich bei der Arbeiter:innenklasse. Konkret wurden kürzlich Pläne aus dem Umfeld des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt, die Lebensarbeitszeit der Arbeiter:innen zu verlängern. Der „Wissenschaftliche Beirat“ des Ministeriums hat vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter auf 68 Jahre anzuheben und die Rentenerhöhungen von der Lohnentwicklung abzukoppeln.

    Was passiert nach der Wahl?

    Angesichts der bevorstehenden Wahlen beeilten sich die Kanzlerkandidat:innen von CDU, SPD und Grünen zwar, diese Vorschläge öffentlich abzulehnen. So äußerte Armin Laschet: „Die Rente mit 67 steht.“ Doch glaubwürdig ist das keineswegs, wenn man sieht, wie einhellig Unternehmerverbände und Wirtschaftsinstitute derartige Angriffe auf die Renten seit längerem einfordern. Arbeit“geber“präsident Rainer Dulger erklärte im Januar: „Wenn unsere Lebenserwartung immer weiter steigt, muss unsere Lebensarbeitszeit zwangsläufig auch steigen.“ Ähnlich hatte im vergangenen November schon der wirtschaftliche Sachverständigenrat der Bundesregierung argumentiert. Mehrere Wirtschaftsinstitute brachten im April sogar die Rente mit 69 ins Spiel. Und Laschet selbst hat noch im April gesagt, er halte eine längere Lebensarbeitszeit für notwendig.

    Warum es nicht um die Lebenserwartung geht

    Als Argument für ein höheres Renteneintrittsalter wird von Kapitalist:innen und Staat immer wieder die steigende Lebenserwartung und die geringere Kinderzahl der Arbeiter:innen in Deutschland angeführt. Diese Bevölkerungsentwicklung findet zwar statt, ist aber keine Erklärung dafür, warum die Rentenkassen trotz steigender Sozialversicherungsbeiträge chronisch unterfinanziert sind und das Rentenniveau immer weiter sinkt.

    Der Punkt ist nämlich: Die Versorgung der Arbeiter:innen im Alter, ist eigentlich ein Bestandteil des Lohns – also des Preises, den Unternehmen für den Kauf der Ware Arbeitskraft zahlen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Arbeiter:innen im Schnitt 50 oder 100 Jahre alt werden oder wie viele Kinder sie haben. Reicht die Rente nicht zum Leben oder müssen die Arbeiter:innen von ihren Löhnen einen immer größeren Teil für Rentenbeiträge abtreten, ist dies Ausdruck davon, dass das Kapital den Preis für die Arbeitskraft drückt, dass also die Löhne sinken. Es findet damit eine Umverteilung von den Arbeiter:innen zu den Kapitalist:innen statt, die sich die Altersversorgung ihrer Beschäftigten sparen wollen. Der Staat organisiert diese Umverteilung über ein kompliziertes Versicherungssystem und verbreitet die Story, die Hungerrenten seien alleinige Folge der Bevölkerungsentwicklung.

    Eine Erhöhung des Rentenalters wiederum ist in der Praxis immer dasselbe wie eine Rentenkürzung. Denn viele von uns werden ihren Beruf nicht bis 68 oder 69 ausführen können. Stattdessen müssen sie Rentenabzüge hinnehmen und sich nebenher etwas dazuverdienen. Den damit einhergehenden Anstieg der Zahl verarmter Arbeitskräfte wiederum wird die Kapitalseite dazu ausnutzen, die Löhne weiter zu senken. Arbeiter:innen sind jedoch nicht gezwungen, diese Entwicklung einfach hinzunehmen. Denn das Mittel, um höhere Löhne durchzusetzen, ist – der Streik.

    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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