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Freitag, April 26, 2024
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    Spanien: Neues Notstandsgesetz zur Vorbereitung auf Pandemien – oder doch auf Kriege und Aufstände?

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    In Spanien hat die Regierung als “Lehre aus der Pandemie” ein neues Notstandsgesetz vorgestellt. Dieses ermöglicht Beschlagnahmungen sowie die Verpflichtung von Bürger:innen, “persönliche Leistungen” zu erbringen. Zudem werden Medien zur Zusammenarbeit verpflichtet. Der Notstand soll in Zukunft allein vom Regierungspräsidenten ausgerufen werden können.

    „Jede volljährige Person ist verpflichtet, die von den zuständigen Behörden geforderten „persönlichen Leistungen“ gemäß den Richtlinien des Nationalen Sicherheitsrats zu erbringen, wenn in Spanien der Krisenzustand ausgerufen wird. In diesem Fall müssen sich ausnahmslos alle Bürger an die Anordnungen und Weisungen der Behörden halten.“ – So steht es im neuen Gesetzentwurf zur Reform des Nationalen Sicherheitsgesetzes, das kürzlich von der spanischen Regierung vorgestellt wurde.

    Für den Fall, dass in Spanien ein Krisenzustand ausgerufen wird (“Situation von Interesse für die nationale Sicherheit”), können die Behörden zudem alle Arten von Eigentum vorübergehend beschlagnahmen und ebenso die Einstellung aller Arten von Aktivitäten vornehmen.

    Personen, die durch die Beschlagnahme ihres Eigentums oder die Unterbrechung ihrer Tätigkeit einen finanziellen Schaden erleiden, haben Anspruch auf Entschädigung. In seinen ersten Entwürfen schließt das Gesetz die Zahlung von Entschädigungen an Personen aus, die zu einer „persönlichen Leistung“ verpflichtet sind.

    „Persönliche Leistungen“?

    Obwohl der Entwurf dies nicht konkretisiert, wird davon ausgegangen, dass die „persönlichen Leistungen“ mit der jeweiligen Art der Krise zusammenhängen, sei es gesundheitlicher, ökologischer, wirtschaftlicher, finanzieller Art, usw.. In den Paragraphen wird klargestellt, dass die ergriffenen Maßnahmen schrittweise und der jeweiligen Situation angemessen und auf die zur Überwindung der Krisensituation unbedingt erforderliche Zeit beschränkt werden sollen.

    Die Pflicht betrifft nicht nur alle Bürger, sondern auch Unternehmen und juristische Personen, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um die Krise durch „persönliche oder materielle Leistungen“ zu überwinden.

    Neben anderen Neuerungen enthält der Entwurf zudem die Verpflichtung der Medien, bei der Verbreitung von Informationen präventiver oder operativer Art mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten.

    Strategische Reserve

    Mit der Gesetzesreform wird zudem die im Oktober 2020 genehmigte Schaffung einer „strategischen Reserve“ auf der Grundlage der nationalen industriellen Produktionskapazitäten mit dem Ziel der Sicherstellung der Selbstversorgung mit wesentlichen oder strategischen Produkten besiegelt.

    In der Präambel des Entwurfs werden unter anderem elektronische Komponenten, Hightech-Maschinen, Luftfahrtelemente, Halbleiter, grundlegende Chemieprodukte, hochtechnisierte landwirtschaftliche Geräte, Kommunikationstechnologie oder Gesundheitsgeräte genannt.

    Zudem soll ein Nationales Sicherheitssystem zur Kommunikation entwickelt werden, das durch das spezielle Kommunikationsnetz der Regierungspräsidentschaft unterstützt wird und in jedem Ministerium einen Krisenraum und in jeder autonomen Gemeinschaft eine Verbindungsbehörde haben wird.

    Kriegs- und Aufstandsvorbereitung?

    Öffentlich erklärt die spanische Regierung, mit der Reform auf die Pandemie zu reagieren. Dagegen spricht, dass dafür der Krisenzustand so vage definiert ist, dass auch Kriege oder Aufstände darunter fallen können.

    Der Gesetzentwurf basiert zudem auf Artikel 30 der Verfassung, wonach “die Spanier die Pflicht und das Recht haben, Spanien zu verteidigen”. Es ist derselbe Artikel, der die Wehrpflicht regelt, die in Spanien seit 2001 ausgesetzt ist.

    Ob eine Situation als „von Interesse für die nationale Sicherheit“ durch königlichen Erlass bezeichnet wird, obliegt zudem im Zukunft ausschließlich dem Regierungspräsidenten und nicht dem Parlament. Damit werden dem Regierungspräsidenten quasi-diktatoriale Vollmachten gegeben.

    Der Entwurf wurde am 22. Juni in erster Lesung vom Ministerrat begutachtet und muss dem Kongress zur endgültigen Genehmigung vorgelegt werden, obwohl sein Inhalt bereits den Autonomen Gemeinschaften und einigen Fraktionen mitgeteilt wurde.

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