In Leipzig haben am Samstag mehrere tausend Menschen unter dem Motto #FreeLina und „Wir sind alle LinX“ gegen Repression und Kriminalisierung von Antifaschismus demonstriert. Dabei kam es zu Angriffen auf die Polizeiwache ebenso wie heftige Übergriffe der Staatsmacht auf Demonstrierende und Journalist:innen.
Das Bündnis „Wir sind alle LinX“ hatte für die Demonstration in Leipzig mobilisiert und aus vielen Städten in Deutschland gab es die Möglichkeit nach Leipzig anzureisen. Als Anlass nennt das Bündnis eine „gesamtgesellschaftliche Tendenz nach rechts“ , welche sich durch eine zunehmende Verschärfung an Repressionen und Kriminalisierung gegenüber linken Aktivist:innen zeige.
Dabei nehmen sie explizit Bezug auf die inhaftierte Antifaschistin Lina E. aus Leipzig, welche gerade vor dem Oberlandesgericht Dresden mithilfe des Paragrafen 129 („Bildung einer kriminellen Vereinigung“) der Prozess gemacht wird und die seit November 2020 in Untersuchungshaft sitzt.
Nach Angaben der Veranstalter:innen, beteiligten sich an der Demonstration am Samstag insgesamt 6.000 Menschen, während die sächsische Polizei von 3.500 Demonstrierenden spricht.
Rauchtöpfe, Farbbeutel und Polizeiübergriffe
Die Veranstaltung startete ab 14:00 Uhr am Johannisplatz und unterteilte sich in vier verschiedene Demonstrationsblöcke. Hinter dem „Wir sind alle LinX“-Bündnisblock gab es einen internationalistischen Block gegen die Kriminalisierung der linken türkisch-kurdischen Partei HDP, einen Block der bundesweiten Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ (NIKA) und schlussendlich einen revolutionären Block.
Zunächst wurden Redebeiträge gehalten, zu denen auch eine Audioaufnahme der Mutter von Lina E. gehörte, die sich gegen die sexistische und kriminalisierende Darstellung ihrer Tochter aussprach und ihr Kraft in der Untersuchungshaft wünschte.
Als sich der Demonstrationszug um 15:00 in Bewegung setzte, wurden nach wenigen Metern aus der Demonstration Rauchtöpfe gezündet, während aus der Menge Parolen wie „Alle zusammen, gegen den Faschismus“ oder „Lina, Dy, wir holen euch zurück“ gerufen wurden. Der Demonstrationszug ging weiter bis zum Wilhelm-Leuschner-Platz, an welchem eine ca. 20 Minütige Zwischenkundgebung mit Redebeiträgen abgehalten wurde.
Als sich der Demonstrationszug wieder in Bewegung setzte und nach kurzer Zeit die Dimitroff-Wache in der Karl-Liebknecht-Straße passierte, kam es zu Stein-, Flaschen- und Farbbeutelwürfen auf die Polizeistation, welche in Leipzig als Gefangenensammelstelle (GeSa) dient.
1854 Hier noch ein Bild der Dimitroffwache. Außer Steinen, Flaschen und Pyro gab es anscheinend auch Farbwürfe aus #WirsindalleLinx Demo auf die Polizeistation. #le1809 pic.twitter.com/04sseR3sa9
— Michael Trammer (@mic_tra) September 18, 2021
In der Karl-Liebknecht-Straße kam es danach zu Angriffen auf zwei Bankfilialen. Auffällig war, dass sich die insgesamt 1.000 Polizist:innen während der Veranstaltung in den Seitenstraßen aufhielten und dadurch nicht aus der Demonstration zu sehen war.
Jedoch wurde das Geschehen permanent durch einen Polizeihubschrauber aus der Luft überwacht und gefilmt.
Am Connewitzer Kreuz endete die Demonstration schließlich und die Veranstaltung wurde aufgelöst. Im Anschluss kam es noch zu der Errichtung von brennenden Barrikaden auf der Wolfgang-Heinze-Straße in Connewitz, welche von der Polizei mithilfe von Wasserwerfern und Räumpanzern beseitigt wurden.
Polizeiübergriffe auf Journalist:innen und Demonstrierende
Dabei kam es laut mehrerer Berichte auf Twitter zu verbalen und physischen Angriffen auf Journalist:innen durch die Polizei. So wurden Pressevertreter:innen mit Gewalt gedroht und beleidigt und andere auch
geschubst, geschlagen oder mit Wasserwerfern anvisiert und getroffen.
#le1809 pic.twitter.com/LEWOuAKauU
— antifa désaccord krefeld (@antifadesaccord) September 19, 2021
Auf Twitter kursierten zudem auch Mitschnitte von Übergriffen auf Demonstrierende und Anwohner:innen in Connewitz, die vor der Festnahme geschlagen und getreten wurden.
https://twitter.com/BoehmeMarco/status/1439264384338075657
Dabei wurde einem Passanten durch die Polizei ein Zahn ausgeschlagen, obwohl er offensichtlich unbeteiligt am Rand stand.
Zusätzlich traten Polizist:innen Türen von Häusern auf, ohne danach überhaupt hinein zu gehen, oder benutzten Pfefferspray in Imbissen, weil sie dort verdächtige Demonstrierende vermuteten.
Polizist*innen zerrten Menschen aus Gaststätten, brachen Häusereingänge auf und sprühten in diese Pfefferspray. Teils interessierte man sich nach dem Aufbrechen nicht einmal für die Personen hinter den Türen. #le1809
10/12 pic.twitter.com/4VzOvnwblX— vue.critique (@vuecritique) September 19, 2021
Transparent gegen SoKo-LinX-Leiter
Für Aufregung in der Berichterstattung sorgte ein Seitentransparent, auf welchem dem Leiter der sogenannten „SoKo-LinX“ Dirk Münster gedroht wurde. Diese Abteilung wurde 2019 in Leipzig gegründet und spezialisiert sich auf die Verfolgung von linken Aktivist:innen.
Einige Menschen werteten das Transparent als Morddrohung in Anlehnung an die Rote Armee Fraktion und deren Tötung des Managers Hans-Martin Schleyer.
Das Transparent war nicht vom Demokonsens gedeckt und hätte entfernt werden müssen!#wirsindallelinx #le1809 pic.twitter.com/e5Y42BtIkD
— Wir sind alle LinX! (@WirsindalleLinx) September 19, 2021
Doch es gab auch Gegenstimmen, die den Spruch von der Meinungsfreiheit gedeckt sahen und damit im juristischen Sinn nicht als Morddrohung verstehen.
Bundesweite Solidarität
Den Veranstalter:innen gelang, was in Deutschland schon länger nicht mehr passiert ist: Der bundesweite und vor allem lagerübergreifende Zusammenschluss von linken Aktivist:innen, die gemeinsam ihre Stimme gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus durch den deutschen Staat erheben.
Aktivist:innen aus Stuttgart, Berlin, Hamburg, Karlsruhe uvm. nahmen die lange Reise nach Leipzig auf sich, um ihre Solidarität mit den politischen Gefangenen zu zeigen. Die Demonstration war während ihrer kompletten Dauer kraftvoll und laut, es wurden viele verschiedene Parolen gerufen und die Blöcke ermöglichten eine sinnvolle Aufteilung, sodass es innerhalb der Demonstrierenden keinerlei Konflikte gab.