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Freitag, April 26, 2024
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    EDEKA privatisiert ehemalige Kaiser’s-Filialen

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    Vor fünf Jahren übernahm Edeka einen Großteil der Kaiser’s Tengelmann-Filialen. Nun dürfen diese privatisiert werden. Tarifflucht und Lohndumping sind zu erwarten.

    Bereits 2014 wurde bekannt, dass Kaiser’s Tengelmann pleite ist und alle zugehörigen Supermärkte verkauft werden sollen. Marktführer EDEKA wollte sich diese Chance nicht entgehen lassen, jedoch untersagte das Kartellamt den Kauf vorerst. Nach langjährigen Diskussionen machte eine Ministererlaubnis die Übernahme letztlich möglich – mit der Auflage, dass fünf Jahre lang 97% der Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen.

    Zum 1. Januar 2017 wurden 330 von 450 Kaiser‘s Filialen an EDEKA übergeben, Konkurrent Rewe erhielt lediglich 67 Zweigstellen. Am 1. Januar diesen Jahres endete jetzt die Fünfjahresfrist, und die Filialen dürfen nun privatisiert werden.

    Was heißt Privatisierung in diesem Fall?

    Privatisierung heißt in diesem Fall, dass die Filialen in die Hände selbstständiger Kaufleute übergehen, häufig sind das die bisherigen Filialleiter:innen. Dennoch gehören die Filialen weiter zu EDEKA. Das Unternehmen ist genossenschaftlich organisiert: die Zentrale, sieben Regionalgesellschaften und selbstständige Kaufleute steuern das Unternehmen.

    Die selbstständigen Kaufleute haben nicht nur gewisse Freiheiten in der Gestaltung ihrer Filialen, sondern auch ein Mitspracherecht im Unternehmen und sind meist Miteigentümer:innen ihrer Regionalgesellschaft und der Zentrale.

    Das Unternehmen ist damit kein klassisches Franchise-Unternehmen, bei dem lediglich die Lizenzen erworben werden. Gleichzeitig sind die selbstständigen Filialleiter:innen meist finanziell abhängig von EDEKA, da das Unternehmen eine eigene Bank besitzt, das ihnen bei ihrer Existenzgründung Kredit gewährt.

    Berlin

    In Berlin steht fest: 42 Filialen werden in diesem Jahr privatisiert. Los geht es im Februar mit drei Filialen, die anderen folgen nach und nach bis Dezember. Die übrigen 23 Filialen werden nicht privatisiert und wechseln in eine neue Regiegesellschaft.

    Die Berliner Filialen gehören allesamt zur Region Minden-Hannover, welche die umsatzstärkste der sieben Regionalgenossenschaften ist. Allein im Jahr 2020 wurde dort ein Umsatz von 10,6 Milliarden Euro netto gemacht.

    EDEKA Minden-Hannover versicherte, dass die 2.900 Arbeitsplätze auch weiterhin sicher seien. Für alle Mitarbeiter:innen gelte weiterhin der Kaiser‘s Tengelmann-Tarifvertrag für Berlin/Brandenburg – zumindest bis Ende 2023, so legt es der Nachsicherungszeitraum fest.

    Was bedeutet die Privatisierung für die Arbeiter:innen?

    Für die nächsten zwei Jahre bleibt also für die Arbeiter:innen der aktuelle Tarifvertrag Einzelhandel Berlin/Brandenburg noch bindend. Auch der Betriebsrat wird noch in diesem Jahr für die Kolleg:innen zuständig sein, jedoch maximal bis ein Jahr nach Privatisierung.

    Das heißt: spätestens in einem Jahr gibt es in den privaten Filialen keine Arbeitnehmervertretung mehr. Betriebsräte müssen dann in jeder Filiale neu gegründet werden. Dies setzt nicht nur eine hohe Aktivität der Kolleg:innen voraus, sondern stößt oft auf aktiven Widerstand von Seiten des Unternehmens.

    In zwei Jahren fällt dann auch der Tarifvertrag weg, da die selbstständigen Kaufleute in der Regel nicht den Arbeitgeberverbänden angehören und somit nicht tarifgebunden sind. Das öffnet die Tore für noch niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen.

    EDEKA: Ein „einfacher Weg“, um unliebsame Mitarbeiter:innen loszuwerden

    Bereits in den regie-geführten Filialen wurde von Aushilfskräften kritisiert, dass nicht allen Beschäftigen der Tariflohn gezahlt werde. In privaten Filialen betrifft dies dann alle Kolleg:innen, hier würde laut ver.di bis zu 30% weniger Lohn gezahlt werden. Die Gewerkschaft kritisiert die Bedingungen in den privaten Filialen seit Jahren und wirft EDEKA Tarifflucht vor.

    Die Unternehmensstruktur ermögliche, die Löhne zu drücken und so die Gewinne zu steigern.

    Mit den kommenden Privatisierungen sind also deutliche Verschlechterungen für die ArbeiterInnen zu erwarten. Dies eröffnet aber auch die Möglichkeit, die Vorgehensweise von EDEKA offenzulegen, zu kritisieren und gemeinsam dagegen vorzugehen.

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