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    Erst Kurzarbeit, dann Steuernachzahlung – so senkt der Staat das Realeinkommen von Kurzarbeiter:innen

    Wenn ein Unternehmen eigentlich Arbeiter:innen entlassen müsste, weil es ihren Lohn nicht mehr zahlen kann oder will, springen Arbeitsagentur und Bund ein – mit dem Kurzarbeitergeld. Arbeiter:innen erhalten dann einen Teil ihres Lohns von staatlichen Institutionen statt vom Unternehmen. Doch darauf müssen sie dann wegen des „Progressionsvorbehalts“ noch Steuern zahlen, teilweise mehr als vorher. Über 3,5 Milliarden Euro hat das Finanzamt dadurch in der Pandemie zusätzlich eingenommen. Für die Betroffenen heißt das aber, real weniger im Geldbeutel zu haben.

    Wer staatliches Kurzarbeitergeld bezieht, ist zu einer Steuererklärung verpflichtet. Dabei haben einige Arbeiter:innen im vergangenen Jahr böse Überraschungen erlebt: das Finanzamt kam mit Steuernachforderungen auf sie zu.

    Grundsätzlich ist es so, dass das Kurzarbeitergeld eigentlich nicht versteuert wird. Erhält man jedoch über das gesamte Jahr hinweg mehr als 410 Euro, dann greift der sogenannte „Progressionsvorbehalt“. Dann kann sich der Steuersatz erhöhen, den Arbeiter:innen auf ihr verbliebenes Einkommen zahlen müssen.

    Das Finanzamt hat durch diesen Progressionsvorbehalt erhebliche Mehreinnahmen zu verzeichnen. Im Jahr 2020 hätte es ohne diese Regelung rund 2,1 Milliarden Euro weniger an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag eingenommen, für das Jahr 2021 waren es etwa 1,4 Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums an den Bundestagsabgeordneten Christian Görke (Linke) hervor, über die der SPIEGEL berichtet.

    Staat holt sich Geld zurück – von den Arbeiter:innen, nicht von den Unternehmen

    Mit dieser Methode holt sich der Staat einen Teil des Geldes zurück, das er zum Kurzarbeitergeld zugeschossen hat. Die Bundesagentur für Arbeit hat bis zum November letzten Jahres 52 Milliarden Euro an Lohnersatzleistungen und krisenbedingtem Arbeitslosengeld gezahlt. Das war so viel, dass der Bund 24 Milliarden Euro zuschießen musste. Immerhin 3,5 Milliarden Euro fließen nun zurück.

    Außen vor bleiben dabei die Unternehmen. Diese profitieren davon, dass der Lohn der eigentlich von ihnen gezahlt werden müsste, nun aber zu einem gewichtigem Teil vom Staat, also von uns Arbeitendenen selbst aufgebracht wird. Dabei haben einige dieser Unternehmen hohe Profite eingefahren, selbst wenn sie massiv vom Kurzarbeitergeld profitierten.

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    Im vergangenen Jahr hatte der heutige Finanzminister Christian Lindner noch beantragt, den Progressionsvorbehalt für das Kurzarbeitergeld streichen zu wollen: Es könne zu einer negativen „psychologischen Wirkung“ auf die Bürger:innen kommen, die von hohen Nachforderungen überrascht würden. Es kam zu einer ungewöhnlichen Abstimmung: Die Linkspartei stimmte der FDP zu, doch SPD und CDU lehnten ab. Grüne und AfD enthielten sich. Ob die FDP nun weiterhin bei ihrer Position bleibt, ist abzuwarten.

    Die Linke fordert jedenfalls weiterhin ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund oder die Deutsche Steuergewerkschaft, den Progressionsvorbehalt auszusetzen: „Wer wegen Corona in Kurzarbeit musste und ohnehin schmerzhafte Einkommenseinbußen hatte, bekommt dank der aktuellen Regelung auch noch eine Steuernachzahlung vom Finanzamt aufgedrückt“, sagt Christain Görke, „das ist ein Unding! Beschäftigte mit Sorgen um ihren Job und ihre Zukunft werden so doppelt bestraft.“

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