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    Rot-Grün-Rot in Berlin: Schöne Worte – aber kapitalistische Politik

    Im Bundesland Berlin gibt es nun eine neue Regierung. Die Parteien bleiben jedoch gleich. Nun hat Rot-Grün-Rot seinen 100-Tage-Plan vorgestellt. Warum sich nicht viel ändern wird – vier Thesen von Julius Strupp.

    Am Wochenende hat die neue Berliner Regierung um die ehemalige Familienministerin Giffey eine Klausurtagung abgehalten und ein 100-Tage-Programm abgestimmt. Auch wenn sich an der Parteienkoalition und den groben Leitlinien der Berliner Regierung wenig bis gar nichts geändert hat, lohnt es sich, einen Blick auf das Programm des neuen Senats in der Hauptstadt zu werfen.

    1. Die neue Regierung wird den Mieten-Wahnsinn nicht beenden

    Berlin ist eine Stadt, in der sich die Wohnungsfrage besonders deutlich stellt: Die Mieten steigen immer weiter ins Unermessliche und Wohnungen sind knapp. Aber es gibt auch eine Mieter:innenbewegung, die sich gegen die steigenden Kosten für Wohnraum und Verdrängung aus ihren Kiezen wehrt.

    Ein großer Erfolg dieser Bewegung war der von ihr angestrengte Volksentscheid über die „Enteignung“ großer Wohnungskonzerne, der zeitgleich mit Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl stattfand. Dabei handelte es sich zwar tatsächlich um eine nicht bindende Abstimmung über den Rückkauf von zuvor an private Wohnungsunternehmen verscherbelten Wohnungspaketen.

    Dennoch entwickelte die Bewegung um diesen Volksentscheid eine besondere Dynamik, unter anderem mit militanten Protesten, nachdem der Mietendeckel gekippt wurde, und auch der Volksentscheid war letztendlich erfolgreich. Mehr als eine Million der Berliner:innen stimmte für die „Enteignung“.

    Klar, dass auch die neue bürgerliche Regierung reagieren musste. In ihrem 100-Tage-Programm brüstet sie sich dabei erneut mit einer Expertenkommission, die sie einsetzen will, um die Umsetzbarkeit des Volksentscheids (die schon bewiesen ist) noch einmal zu prüfen. Die Aktivist:innen der Kampagne benennen dieses Manöver als das, was es ist – eine Verschleppungstaktik, um der Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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    Zudem sollen bis 2030 rund 200.000 Wohnungen gebaut werden, also 20.000 im Jahr – wie das klappen soll, verraten uns der 100-Tage-Plan und auch der Berliner Koalitionsvertrag nicht. Interessant wäre es aber allemal. Schließlich ist man in den letzten fünf Jahren bereits an 6.000 Wohnungen pro Jahr gescheitert.

    Ansonsten will man der Wohnungsnot mit allerlei neuen Gremien begegnen, beispielsweise einer „Senatskommission Wohnungsneubau“ und einem „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, das auch die Miethaie einschließen soll.

    Viel Hoffnung macht das nicht, aber wir sollten auch im Kopf haben, dass eine Lösung des Mietenwahnsinns im Kapitalismus nicht möglich ist. Warum das so ist, hat bereits der Vordenker der Arbeiter:innen-Bewegung, Friedrich Engels, in seinem Text  „Zur Wohnungsfrage“ entwickelt. Darin zeigt er, dass es der Preis für Grund und Boden, die „Grundrente“, ist, die die Mieten in die Höhe treibt. Deshalb ist die Lösung der Wohnungsfrage eben auch, Grund und Boden zu vergemeinschaften und in die Hände der Arbeiter:innenklasse zu legen – eine Aufgabe, die eine kapitalistische Regierung nicht stemmen kann, sondern die wir nur im Sozialismus erkämpfen können.

    2. Innere Aufrüstung geht auch ohne CDU, FDP und AfD!

    In das 100-Tage-Programm hat es auch die geplante, dauerhaft besetzte Polizeiwache am U-Bahnhof Kottbusser Tor in Kreuzberg geschafft. Sie ist ein Herzensprojekt der neuen Innensenatorin Spranger, die damit insbesondere das „Sicherheitsgefühl“ von Frauen stärken will. Tatsächlich wird es wohl vor allem ein Ausbau der Überwachung sein, der wenigen Frauen etwas bringen wird.

    Aber auch sonst ist der Ausbau von Polizei und Überwachung geplant. So soll die Videoüberwachung an „kriminalitätsbelasteten Orten“ – und nein, hiermit ist leider nicht das Regierungsviertel gemeint – weiter ausgebaut werden.

    Auch die Fahrradstreifen sollen verdreifacht und in alle Bezirke der Hauptstadt gebracht werden. Besser wäre es vielleicht gewesen, würden die Hilfsgelder für Schulen in allen Bezirken wirklich ankommen. Aber auch Rot-Grün-Rot bietet der Jugend lieber Polizeischikane als Bildung – dazu braucht es keine offen reaktionären Kräfte wie FDP, CDU und AfD.

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    3. In fünf Jahren wird von den süßen Worten der Regierung wenig bei uns angekommen sein!

    Schaut man sich den 100-Tage-Plan der neuen Regierung an, scheint ihre Parade-Disziplin vor allem eins zu sein: Quatschen. Da ist von „Klima-Governance“ die Rede, von einem Ausbau des Radverkehrs, von einem (!) Stadtteilgesundheitszentrum in einer 4-Millionen-Stadt, von „Diversität“ in der Verwaltung, von einer „Sustainable-Finance-Strategie“ oder auch von der Stärkung digitaler Kompetenzen der Lehrer:innen.

    Für die Pläne hat man tausend schöne, innovativ klingende Worte parat – für die Umsetzung kein einziges.

    Und so wird klar, dass auch diese „linke“ Regierung weiter im Interesse des Kapitals regieren, dabei an ihren eigenen Zielen scheitern und sich die Situation der Bevölkerung in den nächsten fünf Jahren weiter zuspitzen wird.

    4. Wir brauchen eine revolutionäre Arbeiter:innenbewegung, keine starke linke Opposition im Parlament!

    In den Wochen der Regierungsfindung mobilisierten wieder einige Teile der Linkspartei, insbesondere Trotzkist:innen, gegen eine Regierungsbeteiligung. Ziel dieser Kampagne war es, dass die Linke sich nicht an einer Regierung beteiligen, sondern stattdessen eine starke, linke Opposition im Parlament bilden solle. Aber wäre das wirklich die Lösung?

    Die Wahlergebnisse der Linkspartei zeigen, dass auch das Vertrauen der Bevölkerung in diese politische Kraft sinkt.

    Es ist erst einmal nichts unbedingt Schlechtes, dass sich die Linkspartei durch ihre Regierungspraxis selbst entzaubert hat. Es ist eine Illusion, dass wir eine bessere Gesellschaft im Parlament – egal ob in der Regierung oder Opposition – erkämpfen können. Und uns wird auch die sozialdemokratische Linkspartei nicht helfen.

    Schon 1914 erkannte die Revolutionärin Rosa Luxemburg, dass die Sozialdemokratie nichts als ein ‘stinkender Leichnam’ ist. Daran hat sich auch heute nichts geändert. Allenfalls, dass sie vielleicht noch mehr stinkt.

    Erst vor kurzem gedachten viele Revolutionär:innen Rosa Luxemburgs in Berlin bei der alljährlichen Lenin-Luxemburg-Liebknecht-Demonstration. Die neue Berliner Regierung ist dabei nur ein Punkt, an dem wir merken, dass wir ihren Kampf wieder aufnehmen müssen, wenn wir unsere Lage wirklich verbessern und endlich frei sein wollen – denn das geht nur im Sozialismus, den uns SPD, Grüne und auch die Linkspartei nicht in der Senatskanzlei schenken werden.

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    • Autor bei Perspektive seit 2019, Redakteur seit 2022. Studiert in Berlin und schreibt gegen den deutschen Militarismus. Eishockey-Fan und Hundeliebhaber. Motto: "Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt."

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