In Brandenburg werden offenbar bereits seit September 2020 Daten aus der „Luca-App“ zur Strafverfolgung genutzt. Rechtswissenschaftler:innen und Datenschützer:innen schlagen Alarm.
Erst vor zwei Wochen wurde in Perspektive über die Landtagsdebatten in Brandenburg zur Luca-App berichtet, in denen unter anderem die Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) dafür eintrat, dass Strafverfolgungsbehörden diese nutzen dürfen.
Nun haben Recherchen des rbb ergeben, dass es sich dabei lediglich um Scheindebatten gehandelt hat. Zwar waren die Daten offiziell nur zur Kontaktnachverfolgung vorgesehen. Aber nach Angaben des Polizeipräsidiums Potsdam bestand hinter den Kulissen schon seit September 2020 eine Einigung mit der Generalstaatsanwalt darüber, dass die Kontaktdaten aus der App und Gästelisten grundsätzlich genutzt werden dürfen. Es braucht seitdem nur das OK des jeweils zuständigen Staatsanwalts. Außerdem müsse es sich nach Vorstellung von Justizministerin Hoffmann um „schwere Straftaten“ handeln.
Das Problem damit? Was unter „schweren Straftaten“ zu verstehen ist, ist nirgends definiert. Staatliche Willkür bei der Nutzung der Daten ist also vorprogrammiert.
Die Nutzung der Daten bedeutet aber nicht nur, dass Susanne Hoffmann im Landtag und im Justizausschuss nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Brandenburg verstößt damit auch gegen Bundesrecht. Im Infektionsschutzgesetz ist nämlich von einem „Ausschluss der Weiterverwendung von Verantwortlichen und zuständigen Stellen“ die Rede.
Hoffmann hingegen meint, hier eine unklare Rechtslage vorzufinden, weil die Strafverfolgungsbehörden nicht konkret genannt würden. Dieser Auffassung folgen nach den Recherchen des rbb auch die Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz, wobei Rheinland-Pfalz auf einem richterlichen Beschluss besteht, damit die Daten genutzt werden können.
Professor Martin Heger von der Humboldt-Universität in Berlin schätzt die Rechtslage hingegen als unmissverständlich ein und spricht von einem „klaren Missbrauch von Daten“. Ähnlich sieht es die Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge.
Für die staatlichen Behörden dürfte es aus heutiger Sicht günstig sein, dass dieser Datenmissbrauch erst jetzt ans Licht kommt. Denn die Kontaktnachverfolgung gibt es zwar noch in Altersheimen – in Restaurants und im Einzelhandel wurde sie jedoch eingeschränkt. Erstmal hat man also alle Daten, die man „braucht“. Zudem dürfte nicht zu erwarten sein, dass auch nur einer der Beteiligten irgendeine Art von Konsequenz davontragen muss.