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Donnerstag, April 25, 2024
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    Warum unsere Solidarität nicht “der Ukraine” gilt – sondern den Arbeiter:innen in diesem Land

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    In ganz Deutschland haben gestern Aktionen gegen den Krieg in der Ukraine stattgefunden, für heute und das Wochenende sind viele weitere angekündigt. Einige solidarisieren sich dabei mit “der Ukraine”, andere sprechen sich stattdessen dafür aus, “Solidarität von unten” aufzubauen und sich gegen NATO ebenso wie gegen Russland zu positionieren. – Ein Kommentar von Tim Losowski

    Seit Mittwochnacht wird der ukrainische Staat durch den russischen Imperialismus angegriffen. Der russische Präsident Putin begründet das vereinfacht gesagt wie folgt: Die ukrainische Nation sei nur eine “Erfindung” des russischen Kommunisten Lenin gewesen, der deshalb dafür gesorgt habe, dass sie sich als eigenständiger Staat gründen konnte. Jedoch gehöre die Ukraine kulturell und historisch eigentlich zu Russland. Damit leugnet Putin unverblümt die Existenz einer ukrainischen Nation.

    Es ist offensichtlich, dass es sich dabei um eine extrem reaktionäre, großrussisch-nationalistische Argumentation handelt. Unter diesem Vorwand soll also die Ukraine erneut in eine russische Neo-Kolonie verwandelt werden. Folgt hieraus auch, dass man sich mit “der Ukraine” – also dem ukrainischen Nationalstaat – solidarisieren sollte?

    Der deutsche Staat kann keine Quelle von Solidarität sein

    Natürlich ist es richtig, den Überfall Russlands auf die Ukraine mit aller Deutlichkeit zu verurteilen. Direkten Druck werden wir hier in Deutschland jedoch nicht auf Putin ausüben können. Politischen Druck können wir am ehesten auf die deutsche Regierung ausüben.

    Es macht aber keinen Sinn, von der deutschen Regierung zu fordern, dass sie sich – ebenso wie wir es tun – mit der ukrainischen Arbeiter:innenklasse gegen Russlands Angriff solidarisiert – und zwar, weil die deutsche Regierung das gar nicht kann: Sie ist selbst die Regierung einer imperialistischen Großmacht, die – ebenso wie Russland es tut – um Einflusssphären und Anlagemöglichkeiten für die Kapitalist:innen im eigenen Land kämpft.

    Und weil Deutschland und andere NATO-Mitglieder in den letzten Jahren deutlich an ökonomischem und wirtschaftlichem Einfluss in der Ukraine gewonnen haben, zeigen sie sich nun über den Einmarsch von Russland so empört.

    Ihre “Solidarität” kann immer nur eine “Solidarität” mit den eigenen Geschäftspartner:innen und politischen Vertreter:innen der gleichen westlichen Interessen sein.

    Ihr kann und wird es nicht wirklich um das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer:innen gehen. Waffenlieferungen, ebenso wie alle anderen Formen von militärischer Unterstützung von Seiten der NATO dienen nur dazu, die Kosten des Krieges für Russland (einem der großen weltpolitischen Konkurrenten der NATO) in die Höhe zu treiben.

    Sie könnten nur dazu beitragen, dass mehr Ukrainer:innen mit der Waffe in der Hand und einem Schwur auf das “Vaterland” auf den Lippen sterben. Sie lassen ihr Leben für die geopolitischen Interessen der NATO und die Profitgier der aktuell in der Ukraine herrschenden Oligarchen.

    Sie würden diesen verabscheuungswürdigen imperialistischen Krieg bestenfalls verlängern, schlimmstenfalls eine Eskalationsspirale in Gang setzen, die zu einem regionalen oder weltweiten Konflikt führt.

    In keinem der beiden Fälle wäre unseren Klassengeschwistern in der Ukraine geholfen. Was solche Maßnahmen jedenfalls nicht sein können, wird klar: ein Mittel für die ukrainische Bevölkerung, sich aus den seit Jahrzehnten andauernden Machtkämpfen verschiedener Großmächte zu befreien, die auf ihrem Rücken ausgetragen werden.

    Was also tun?

    Auch wenn es für keinen Menschen mit Gewissen schön sein kann, im Fernsehen zu beobachten, wie ein Land von einer der imperialistischen Großmächte überfallen wird, weil es ihren militärischen und politischen Interessen entspricht, sind unsere Möglichkeiten, heute etwas dagegen zu tun, realistisch gesehen beschränkt.

    Es bleibt richtig, dafür einzutreten, dass die Arbeiter:innen in der Ukraine ihr Schicksal selbst bestimmen können. Der größte Beitrag, den wir in Deutschland dazu leisten können, besteht in folgendem: sich dem deutschen Staat mit seinen eigenen Ambitionen, seinen Einfluss auf der ganzen Welt und insbesondere in Osteuropa auszudehnen, unüberhörbar entgegen zu stellen.

    Dauerhaft jedoch kann dieses Ziel nur erreicht werden, indem das imperialistische Weltsystem zu Fall gebracht wird, denn: solange Russland, die USA, China, Deutschland und andere um die Weltherrschaft konkurrieren und zugleich in Ländern wie der Ukraine eine Kapitalistenklasse herrscht, wird dieses Land letztlich immer von einer oder gleich mehreren imperialistischen Mächten kontrolliert werden.

    Was sind deshalb die Forderungen und Losungen mit denen wir derzeit auf die Straße gehen sollten?

    1. Nein zum Krieg in der Ukraine! Nein zur russisch-imperialistischen Aggression auf die Ukraine!
    2. Solidarität mit den ukrainischen und russischen Arbeiter:innen, die derzeit unter dem Krieg leiden oder eingezogen werden, um gegen ihre Klassengeschwister zu kämpfen!
    3. Nein zur Aufrüstung und zum Truppenaufmarsch der NATO-Kräfte! Die NATO-Kriegs-Allianz ist keine Alternative! Deutschland raus aus der NATO!
    4. Nein zu allen Waffenexporten aus Deutschland!
    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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